man sie immerhin als Geistesfreiheit, Aufklärung und Liberalität, es sind nur die Symptome einer Auflösung --"
"Vor der Gott uns bewahre!" fiel Walter ein.
"Und nicht bewahren wird, wenn wir nicht selbst etwas dazu thun, wenn wir nicht --" Der Minister war aufgesprungen, er unterbrach sich selbst gewalt¬ sam. Daß er so weit in der ersten Stunde des Ver¬ trauens gegen seinen neuen Bekannten gegangen, schien diesem ein besseres Zeichen der Ehrenrettung.
"Kennen Sie den Legationsrath Wandel?" fragte der Minister plötzlich.
"Er ist ein Ausländer."
"Ausländer! -- Mit einem Lächeln fuhr der Minister fort: Scheint doch dieser Staat destinirt, von Ausländern seine Impulse und seine ausgezeich¬ neten Männer zu empfangen. Schwerin war ein Schwedisch Pommer, Keith ein Britte, Derfflinger ein Oesterreicher; auch ist der wackere Blücher ein Mecklenburger, Hardenberg ein Hannoveraner. Mo¬ ses Mendelssohn stammt auch nicht aus den Mar¬ ken, und die Väter eines guten Theils unsrer Diplomatie, unsrer Staatsmänner und Officiere wußten vor den Dragonaden in ihrer Normandie und Provence kaum von der Existenz eines Lan¬ des, das Brandenburg heißt. Vergessen Sie auch nicht, junger Mann, daß die Hohenzollern aus Franken oder gar aus Schwaben sind. Einge¬ wanderte, wenn Sie wollen, ich hielt sie für mehr,
man ſie immerhin als Geiſtesfreiheit, Aufklärung und Liberalität, es ſind nur die Symptome einer Auflöſung —“
„Vor der Gott uns bewahre!“ fiel Walter ein.
„Und nicht bewahren wird, wenn wir nicht ſelbſt etwas dazu thun, wenn wir nicht —“ Der Miniſter war aufgeſprungen, er unterbrach ſich ſelbſt gewalt¬ ſam. Daß er ſo weit in der erſten Stunde des Ver¬ trauens gegen ſeinen neuen Bekannten gegangen, ſchien dieſem ein beſſeres Zeichen der Ehrenrettung.
„Kennen Sie den Legationsrath Wandel?“ fragte der Miniſter plötzlich.
„Er iſt ein Ausländer.“
„Ausländer! — Mit einem Lächeln fuhr der Miniſter fort: Scheint doch dieſer Staat deſtinirt, von Ausländern ſeine Impulſe und ſeine ausgezeich¬ neten Männer zu empfangen. Schwerin war ein Schwediſch Pommer, Keith ein Britte, Derfflinger ein Oeſterreicher; auch iſt der wackere Blücher ein Mecklenburger, Hardenberg ein Hannoveraner. Mo¬ ſes Mendelsſohn ſtammt auch nicht aus den Mar¬ ken, und die Väter eines guten Theils unſrer Diplomatie, unſrer Staatsmänner und Officiere wußten vor den Dragonaden in ihrer Normandie und Provence kaum von der Exiſtenz eines Lan¬ des, das Brandenburg heißt. Vergeſſen Sie auch nicht, junger Mann, daß die Hohenzollern aus Franken oder gar aus Schwaben ſind. Einge¬ wanderte, wenn Sie wollen, ich hielt ſie für mehr,
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man ſie immerhin als Geiſtesfreiheit, Aufklärung
und Liberalität, es ſind nur die Symptome einer
Auflöſung —“
„Vor der Gott uns bewahre!“ fiel Walter ein.
„Und nicht bewahren wird, wenn wir nicht ſelbſt
etwas dazu thun, wenn wir nicht —“ Der Miniſter
war aufgeſprungen, er unterbrach ſich ſelbſt gewalt¬
ſam. Daß er ſo weit in der erſten Stunde des Ver¬
trauens gegen ſeinen neuen Bekannten gegangen,
ſchien dieſem ein beſſeres Zeichen der Ehrenrettung.
„Kennen Sie den Legationsrath Wandel?“ fragte
der Miniſter plötzlich.
„Er iſt ein Ausländer.“
„Ausländer! — Mit einem Lächeln fuhr der
Miniſter fort: Scheint doch dieſer Staat deſtinirt,
von Ausländern ſeine Impulſe und ſeine ausgezeich¬
neten Männer zu empfangen. Schwerin war ein
Schwediſch Pommer, Keith ein Britte, Derfflinger
ein Oeſterreicher; auch iſt der wackere Blücher ein
Mecklenburger, Hardenberg ein Hannoveraner. Mo¬
ſes Mendelsſohn ſtammt auch nicht aus den Mar¬
ken, und die Väter eines guten Theils unſrer
Diplomatie, unſrer Staatsmänner und Officiere
wußten vor den Dragonaden in ihrer Normandie
und Provence kaum von der Exiſtenz eines Lan¬
des, das Brandenburg heißt. Vergeſſen Sie auch
nicht, junger Mann, daß die Hohenzollern aus
Franken oder gar aus Schwaben ſind. Einge¬
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/239>, abgerufen am 18.12.2024.
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