denken an Jemand. Sinnen Sie nach. Er darf nicht scheuen, die Stellung anzunehmen. Es ist ein Sort. Den Rathscharakter, mit einem ansehnlichen Gehalt, habe ich, um der Form zu genügen, für ihn bereit; die eigentlichen Dienste ergeben sich mit der Zeit. Morgen sehen wir uns wieder. -- Jetzt gehen Sie in's Bureau, und besprechen sich mit Herrn von Fuchsius."
Walter trat einen Schritt zurück: "Excellenz, eine erste Bitte, und wenn sie mir abgeschlagen würde, meine letzte, erlassen Sie mir diese Conferenz. Ich kann nicht mit Herrn von Fuchsius -- dienen."
Die Brauen des Freiherrn zogen sich zu¬ sammen, die Augen wurden kleiner, ohne die Schärfe ihres Blickes zu verlieren. Er warf einen Gegen¬ stand, den er in der Hand hielt, auf den Tisch.
"Soll ich etwa ihn um Sie aufgeben! -- Herr, ihn kenne ich, Sie noch nicht."
Er wandte sich wieder, um nach einigen Schritten zurückzukehren. Das Ungewitter war verzogen und die Stirn ward heiterer, als er zum zweiten Mal die Hand auf Walters Schulter legte:
"Junger Mann, Sie müssen noch viel lernen. Glücklicherweise nur, was jeder Fant, der ein Jahr in der Routine ist, an den Fingern weg hat. Ist ein Staatsmann ein Gott, ein Deukalion, daß er seine Menschen sich machen kann, wenn ihm die nicht gefallen, die ihm das Schicksal zuweist? Er hat genug gethan, wenn er jeden an den Platz
denken an Jemand. Sinnen Sie nach. Er darf nicht ſcheuen, die Stellung anzunehmen. Es iſt ein Sort. Den Rathscharakter, mit einem anſehnlichen Gehalt, habe ich, um der Form zu genügen, für ihn bereit; die eigentlichen Dienſte ergeben ſich mit der Zeit. Morgen ſehen wir uns wieder. — Jetzt gehen Sie in's Bureau, und beſprechen ſich mit Herrn von Fuchſius.“
Walter trat einen Schritt zurück: „Excellenz, eine erſte Bitte, und wenn ſie mir abgeſchlagen würde, meine letzte, erlaſſen Sie mir dieſe Conferenz. Ich kann nicht mit Herrn von Fuchſius — dienen.“
Die Brauen des Freiherrn zogen ſich zu¬ ſammen, die Augen wurden kleiner, ohne die Schärfe ihres Blickes zu verlieren. Er warf einen Gegen¬ ſtand, den er in der Hand hielt, auf den Tiſch.
„Soll ich etwa ihn um Sie aufgeben! — Herr, ihn kenne ich, Sie noch nicht.“
Er wandte ſich wieder, um nach einigen Schritten zurückzukehren. Das Ungewitter war verzogen und die Stirn ward heiterer, als er zum zweiten Mal die Hand auf Walters Schulter legte:
„Junger Mann, Sie müſſen noch viel lernen. Glücklicherweiſe nur, was jeder Fant, der ein Jahr in der Routine iſt, an den Fingern weg hat. Iſt ein Staatsmann ein Gott, ein Deukalion, daß er ſeine Menſchen ſich machen kann, wenn ihm die nicht gefallen, die ihm das Schickſal zuweiſt? Er hat genug gethan, wenn er jeden an den Platz
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0246"n="236"/>
denken an Jemand. Sinnen Sie nach. Er darf<lb/>
nicht ſcheuen, die Stellung anzunehmen. Es iſt ein<lb/>
Sort. Den Rathscharakter, mit einem anſehnlichen<lb/>
Gehalt, habe ich, um der Form zu genügen, für ihn<lb/>
bereit; die eigentlichen Dienſte ergeben ſich mit der<lb/>
Zeit. Morgen ſehen wir uns wieder. — Jetzt gehen<lb/>
Sie in's Bureau, und beſprechen ſich mit Herrn<lb/>
von Fuchſius.“</p><lb/><p>Walter trat einen Schritt zurück: „Excellenz, eine<lb/>
erſte Bitte, und wenn ſie mir abgeſchlagen würde,<lb/>
meine letzte, erlaſſen Sie mir dieſe Conferenz. Ich<lb/>
kann nicht mit Herrn von Fuchſius — dienen.“</p><lb/><p>Die Brauen des Freiherrn zogen ſich zu¬<lb/>ſammen, die Augen wurden kleiner, ohne die Schärfe<lb/>
ihres Blickes zu verlieren. Er warf einen Gegen¬<lb/>ſtand, den er in der Hand hielt, auf den Tiſch.</p><lb/><p>„Soll ich etwa <hirendition="#g">ihn</hi> um <hirendition="#g">Sie</hi> aufgeben! —<lb/>
Herr, ihn kenne ich, Sie noch nicht.“</p><lb/><p>Er wandte ſich wieder, um nach einigen Schritten<lb/>
zurückzukehren. Das Ungewitter war verzogen und<lb/>
die Stirn ward heiterer, als er zum zweiten Mal<lb/>
die Hand auf Walters Schulter legte:</p><lb/><p>„Junger Mann, Sie müſſen noch viel lernen.<lb/>
Glücklicherweiſe nur, was jeder Fant, der ein<lb/>
Jahr in der Routine iſt, an den Fingern weg hat.<lb/>
Iſt ein Staatsmann ein Gott, ein Deukalion,<lb/>
daß er ſeine Menſchen ſich machen kann, wenn ihm<lb/>
die nicht gefallen, die ihm das Schickſal zuweiſt?<lb/>
Er hat genug gethan, wenn er jeden an den Platz<lb/></p></div></body></text></TEI>
[236/0246]
denken an Jemand. Sinnen Sie nach. Er darf
nicht ſcheuen, die Stellung anzunehmen. Es iſt ein
Sort. Den Rathscharakter, mit einem anſehnlichen
Gehalt, habe ich, um der Form zu genügen, für ihn
bereit; die eigentlichen Dienſte ergeben ſich mit der
Zeit. Morgen ſehen wir uns wieder. — Jetzt gehen
Sie in's Bureau, und beſprechen ſich mit Herrn
von Fuchſius.“
Walter trat einen Schritt zurück: „Excellenz, eine
erſte Bitte, und wenn ſie mir abgeſchlagen würde,
meine letzte, erlaſſen Sie mir dieſe Conferenz. Ich
kann nicht mit Herrn von Fuchſius — dienen.“
Die Brauen des Freiherrn zogen ſich zu¬
ſammen, die Augen wurden kleiner, ohne die Schärfe
ihres Blickes zu verlieren. Er warf einen Gegen¬
ſtand, den er in der Hand hielt, auf den Tiſch.
„Soll ich etwa ihn um Sie aufgeben! —
Herr, ihn kenne ich, Sie noch nicht.“
Er wandte ſich wieder, um nach einigen Schritten
zurückzukehren. Das Ungewitter war verzogen und
die Stirn ward heiterer, als er zum zweiten Mal
die Hand auf Walters Schulter legte:
„Junger Mann, Sie müſſen noch viel lernen.
Glücklicherweiſe nur, was jeder Fant, der ein
Jahr in der Routine iſt, an den Fingern weg hat.
Iſt ein Staatsmann ein Gott, ein Deukalion,
daß er ſeine Menſchen ſich machen kann, wenn ihm
die nicht gefallen, die ihm das Schickſal zuweiſt?
Er hat genug gethan, wenn er jeden an den Platz
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/246>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.