Der Turban und die Brille waren vom Kopf des Legationsraths verschwunden, eine Operation, die ihm Zeit ließ, seine Fassung wieder zu gewinnen. So war es; man merkte nichts von Bestürzung, kein Zittern mehr, es war das feste, eiskalte Gesicht, mit den durchforschenden Augen, als der Legationsrath den Kaufmann anredete.
"Wie kommen Sie hierher?"
"Durch die Thüre. Herr Legationsrath hatten vergessen, den Schlüssel umzudrehen. Sehen Sie mal, liebster Herr von Wandel, in unsern unsichern Zeiten! Wie viel Gesindel schleicht um. Hätten ja Ihren Sopha forttragen können. Sie hätten's in Ihren Meditationen nicht gemerkt. Aber ich habe hinter mir zugeschlossen; wir können jetzt ganz sicher sein."
"Tausendmal Vergebung, mein theuerster Freund, daß Sie mich in diesem Kostüm und hier -- Kom¬ men Sie in meine Wohnstube. Diese unerwartete Freude --"
Er wollte ihn unter den Arm fassen; eben so schnell aber hatte der Kaufmann einen Schemel vor die Thür gestellt und darauf Platz genommen. Wo van Asten einmal Platz genommen, hätte es anderer Kräfte bedurft ihn wieder fortzubringen. Breitbeinig saß er, die Füße fest auf den Boden, die Arme auf den Stock gestützt. Der Stock schon hatte etwas Respect gebietendes, er schien mit Blei ausgegossen, als er auf die gebrannten Fliesen sank.
"Werde mich ja nicht unterstehen, Sie zu deran¬
Der Turban und die Brille waren vom Kopf des Legationsraths verſchwunden, eine Operation, die ihm Zeit ließ, ſeine Faſſung wieder zu gewinnen. So war es; man merkte nichts von Beſtürzung, kein Zittern mehr, es war das feſte, eiskalte Geſicht, mit den durchforſchenden Augen, als der Legationsrath den Kaufmann anredete.
„Wie kommen Sie hierher?“
„Durch die Thüre. Herr Legationsrath hatten vergeſſen, den Schlüſſel umzudrehen. Sehen Sie mal, liebſter Herr von Wandel, in unſern unſichern Zeiten! Wie viel Geſindel ſchleicht um. Hätten ja Ihren Sopha forttragen können. Sie hätten's in Ihren Meditationen nicht gemerkt. Aber ich habe hinter mir zugeſchloſſen; wir können jetzt ganz ſicher ſein.“
„Tauſendmal Vergebung, mein theuerſter Freund, daß Sie mich in dieſem Koſtüm und hier — Kom¬ men Sie in meine Wohnſtube. Dieſe unerwartete Freude —“
Er wollte ihn unter den Arm faſſen; eben ſo ſchnell aber hatte der Kaufmann einen Schemel vor die Thür geſtellt und darauf Platz genommen. Wo van Aſten einmal Platz genommen, hätte es anderer Kräfte bedurft ihn wieder fortzubringen. Breitbeinig ſaß er, die Füße feſt auf den Boden, die Arme auf den Stock geſtützt. Der Stock ſchon hatte etwas Reſpect gebietendes, er ſchien mit Blei ausgegoſſen, als er auf die gebrannten Flieſen ſank.
„Werde mich ja nicht unterſtehen, Sie zu deran¬
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Der Turban und die Brille waren vom Kopf
des Legationsraths verſchwunden, eine Operation, die
ihm Zeit ließ, ſeine Faſſung wieder zu gewinnen.
So war es; man merkte nichts von Beſtürzung, kein
Zittern mehr, es war das feſte, eiskalte Geſicht, mit
den durchforſchenden Augen, als der Legationsrath
den Kaufmann anredete.
„Wie kommen Sie hierher?“
„Durch die Thüre. Herr Legationsrath hatten
vergeſſen, den Schlüſſel umzudrehen. Sehen Sie mal,
liebſter Herr von Wandel, in unſern unſichern Zeiten!
Wie viel Geſindel ſchleicht um. Hätten ja Ihren
Sopha forttragen können. Sie hätten's in Ihren
Meditationen nicht gemerkt. Aber ich habe hinter mir
zugeſchloſſen; wir können jetzt ganz ſicher ſein.“
„Tauſendmal Vergebung, mein theuerſter Freund,
daß Sie mich in dieſem Koſtüm und hier — Kom¬
men Sie in meine Wohnſtube. Dieſe unerwartete
Freude —“
Er wollte ihn unter den Arm faſſen; eben ſo
ſchnell aber hatte der Kaufmann einen Schemel vor
die Thür geſtellt und darauf Platz genommen. Wo
van Aſten einmal Platz genommen, hätte es anderer
Kräfte bedurft ihn wieder fortzubringen. Breitbeinig
ſaß er, die Füße feſt auf den Boden, die Arme auf
den Stock geſtützt. Der Stock ſchon hatte etwas Reſpect
gebietendes, er ſchien mit Blei ausgegoſſen, als er
auf die gebrannten Flieſen ſank.
„Werde mich ja nicht unterſtehen, Sie zu deran¬
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/316>, abgerufen am 24.11.2024.
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