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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

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da. Wollen Herr Legationsrath das etwa auch schmin¬
ken? -- War auch wohl eine Dame?"

"Ich führe es mit mir zu anatomischen Studien.
Schon seit länger. Ich kaufte es einmal von einem
Todtengräber, ich erinnere mich wirklich nicht, wo."

"Gleichviel! Der Tod ist jetzt umsonst, und
Leichen wohlfeil. Aber die italienische und die schwe¬
dische Schwester, das müssen ein paar hübsche Mäd¬
chen gewesen sein. Gönne es Ihnen, Recreations
der Jugend, geht mich nichts an."

Die umschweifenden Blicke schienen je mehr und
mehr den Legationsrath in eine unbehagliche Span¬
nung zu versetzen. Er kämpfte sichtbar mit einem Ent¬
schluß, der ihm ebenfalls schwer ward, aber es brach her¬
aus: "Was verschafft mir die Ehre Ihres Besuchs?"

"Eine kleine Geschäftssache."

"Welche, theuerster Freund? Doch nicht --"

"Ein kleiner Wechsel --"

"Richtig! Der Legationsrath schlug sich an die
Stirn. Der ist aber erst in acht Tagen fällig!"

"Freut mich, daß Sie sich so genau erinnern.
Ich habe immer gesagt, Sie sind ein prompter Mann.
Ja, in acht Tagen, fünftausend Thaler."

"Die Sache ist mir sehr erinnerlich -- zu Ende
der Hundstage, aber ich glaubte, Sie hätten die
Bagatelle längst abgegeben."

"Auch geschehen, mir aber wieder zurückcedirt.
Hat viele Herren gehabt; das macht sich wohl so im
Geschäft."

da. Wollen Herr Legationsrath das etwa auch ſchmin¬
ken? — War auch wohl eine Dame?“

„Ich führe es mit mir zu anatomiſchen Studien.
Schon ſeit länger. Ich kaufte es einmal von einem
Todtengräber, ich erinnere mich wirklich nicht, wo.“

„Gleichviel! Der Tod iſt jetzt umſonſt, und
Leichen wohlfeil. Aber die italieniſche und die ſchwe¬
diſche Schweſter, das müſſen ein paar hübſche Mäd¬
chen geweſen ſein. Gönne es Ihnen, Recreations
der Jugend, geht mich nichts an.“

Die umſchweifenden Blicke ſchienen je mehr und
mehr den Legationsrath in eine unbehagliche Span¬
nung zu verſetzen. Er kämpfte ſichtbar mit einem Ent¬
ſchluß, der ihm ebenfalls ſchwer ward, aber es brach her¬
aus: „Was verſchafft mir die Ehre Ihres Beſuchs?“

„Eine kleine Geſchäftsſache.“

„Welche, theuerſter Freund? Doch nicht —“

„Ein kleiner Wechſel —“

„Richtig! Der Legationsrath ſchlug ſich an die
Stirn. Der iſt aber erſt in acht Tagen fällig!“

„Freut mich, daß Sie ſich ſo genau erinnern.
Ich habe immer geſagt, Sie ſind ein prompter Mann.
Ja, in acht Tagen, fünftauſend Thaler.“

„Die Sache iſt mir ſehr erinnerlich — zu Ende
der Hundstage, aber ich glaubte, Sie hätten die
Bagatelle längſt abgegeben.“

„Auch geſchehen, mir aber wieder zurückcedirt.
Hat viele Herren gehabt; das macht ſich wohl ſo im
Geſchäft.“

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[309/0319] da. Wollen Herr Legationsrath das etwa auch ſchmin¬ ken? — War auch wohl eine Dame?“ „Ich führe es mit mir zu anatomiſchen Studien. Schon ſeit länger. Ich kaufte es einmal von einem Todtengräber, ich erinnere mich wirklich nicht, wo.“ „Gleichviel! Der Tod iſt jetzt umſonſt, und Leichen wohlfeil. Aber die italieniſche und die ſchwe¬ diſche Schweſter, das müſſen ein paar hübſche Mäd¬ chen geweſen ſein. Gönne es Ihnen, Recreations der Jugend, geht mich nichts an.“ Die umſchweifenden Blicke ſchienen je mehr und mehr den Legationsrath in eine unbehagliche Span¬ nung zu verſetzen. Er kämpfte ſichtbar mit einem Ent¬ ſchluß, der ihm ebenfalls ſchwer ward, aber es brach her¬ aus: „Was verſchafft mir die Ehre Ihres Beſuchs?“ „Eine kleine Geſchäftsſache.“ „Welche, theuerſter Freund? Doch nicht —“ „Ein kleiner Wechſel —“ „Richtig! Der Legationsrath ſchlug ſich an die Stirn. Der iſt aber erſt in acht Tagen fällig!“ „Freut mich, daß Sie ſich ſo genau erinnern. Ich habe immer geſagt, Sie ſind ein prompter Mann. Ja, in acht Tagen, fünftauſend Thaler.“ „Die Sache iſt mir ſehr erinnerlich — zu Ende der Hundstage, aber ich glaubte, Sie hätten die Bagatelle längſt abgegeben.“ „Auch geſchehen, mir aber wieder zurückcedirt. Hat viele Herren gehabt; das macht ſich wohl ſo im Geſchäft.“

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/319>, abgerufen am 24.11.2024.