auf die Sprünge der Fürstin Gargazin gekommen. Das sind die Urtheile der Menschen! Kann ein Vernünftiger noch davor Respect haben! Sie lernten nur zu bald, daß für diese Unglückseligen nichts Besseres sei, als -- wenn auch ihrer eine unsichtbare Hand sich erbarme. Diese so früh verdorbenen Kinder wären ja unter der Aufsicht des nichtigen, läppischen Vaters, unter der Erziehung dieser Köchin in Grund und Boden verworfene Geschöpfe geworden. Und am Ende hätte Sie noch ein Vorwurf getroffen. Aber das Unkraut konnten Sie nicht mehr aus¬ ziehen, Sie nicht mehr Weizen säen. Verzeihung, daß ich so offen es ausspreche, auf die Gefahr hin, Sie zu beleidigen, die Kinder mußten sterben."
"Mußten --" wiederholte mehr fragend als trumpfend die Geheimräthin.
"Ja, theuerste Frau, sagte er mit Nachdruck. Ich habe es mir oft überlegt. Hätten Sie einen Vortheil davon gehabt, daß sie starben, wäre eine Erbschaft im Spiel gewesen, dann war es anders. Was jetzt die Leute sagen, darauf kommt es nicht an."
Sie schielte, innerlich bebend, zu ihm hinüber, wagte aber die Frage: "was sagen denn die Leute?" nicht über die Lippe zu bringen.
"Die Geschichte der Medea halte ich für eine unglücklich erfundene Fabel, fuhr er in derselben Ruhe fort. Eine Mutter ihre Kinder schlachten, um ihren Geliebten zu retten! Das wäre eine Verirrung der Natur. -- Ja, wer über diese Empfindungen
auf die Sprünge der Fürſtin Gargazin gekommen. Das ſind die Urtheile der Menſchen! Kann ein Vernünftiger noch davor Reſpect haben! Sie lernten nur zu bald, daß für dieſe Unglückſeligen nichts Beſſeres ſei, als — wenn auch ihrer eine unſichtbare Hand ſich erbarme. Dieſe ſo früh verdorbenen Kinder wären ja unter der Aufſicht des nichtigen, läppiſchen Vaters, unter der Erziehung dieſer Köchin in Grund und Boden verworfene Geſchöpfe geworden. Und am Ende hätte Sie noch ein Vorwurf getroffen. Aber das Unkraut konnten Sie nicht mehr aus¬ ziehen, Sie nicht mehr Weizen ſäen. Verzeihung, daß ich ſo offen es ausſpreche, auf die Gefahr hin, Sie zu beleidigen, die Kinder mußten ſterben.“
„Mußten —“ wiederholte mehr fragend als trumpfend die Geheimräthin.
„Ja, theuerſte Frau, ſagte er mit Nachdruck. Ich habe es mir oft überlegt. Hätten Sie einen Vortheil davon gehabt, daß ſie ſtarben, wäre eine Erbſchaft im Spiel geweſen, dann war es anders. Was jetzt die Leute ſagen, darauf kommt es nicht an.“
Sie ſchielte, innerlich bebend, zu ihm hinüber, wagte aber die Frage: „was ſagen denn die Leute?“ nicht über die Lippe zu bringen.
„Die Geſchichte der Medea halte ich für eine unglücklich erfundene Fabel, fuhr er in derſelben Ruhe fort. Eine Mutter ihre Kinder ſchlachten, um ihren Geliebten zu retten! Das wäre eine Verirrung der Natur. — Ja, wer über dieſe Empfindungen
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auf die Sprünge der Fürſtin Gargazin gekommen.
Das ſind die Urtheile der Menſchen! Kann ein
Vernünftiger noch davor Reſpect haben! Sie lernten
nur zu bald, daß für dieſe Unglückſeligen nichts
Beſſeres ſei, als — wenn auch ihrer eine unſichtbare
Hand ſich erbarme. Dieſe ſo früh verdorbenen Kinder
wären ja unter der Aufſicht des nichtigen, läppiſchen
Vaters, unter der Erziehung dieſer Köchin in Grund
und Boden verworfene Geſchöpfe geworden. Und
am Ende hätte Sie noch ein Vorwurf getroffen.
Aber das Unkraut konnten Sie nicht mehr aus¬
ziehen, Sie nicht mehr Weizen ſäen. Verzeihung,
daß ich ſo offen es ausſpreche, auf die Gefahr hin,
Sie zu beleidigen, die Kinder mußten ſterben.“
„Mußten —“ wiederholte mehr fragend als
trumpfend die Geheimräthin.
„Ja, theuerſte Frau, ſagte er mit Nachdruck.
Ich habe es mir oft überlegt. Hätten Sie einen
Vortheil davon gehabt, daß ſie ſtarben, wäre eine
Erbſchaft im Spiel geweſen, dann war es anders.
Was jetzt die Leute ſagen, darauf kommt es nicht an.“
Sie ſchielte, innerlich bebend, zu ihm hinüber,
wagte aber die Frage: „was ſagen denn die Leute?“
nicht über die Lippe zu bringen.
„Die Geſchichte der Medea halte ich für eine
unglücklich erfundene Fabel, fuhr er in derſelben
Ruhe fort. Eine Mutter ihre Kinder ſchlachten, um
ihren Geliebten zu retten! Das wäre eine Verirrung
der Natur. — Ja, wer über dieſe Empfindungen
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/346>, abgerufen am 24.11.2024.
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