nicht zurück, wogegen alles Mineralische ein Residuum, einen Satz, einen Ausschlag zurückläßt. In wie ver¬ änderter Form es auch sei, die Wissenschaft findet ihn. Wenn wir doch diese wohlthätige Weisung der Natur nie aus dem Auge ließen! Das Lebendige im Pflanzen- und animalischen Leben ist bestimmt, zu blühen, reifen, um sich dann zu verflüchtigen, damit es, im Aether scheinbar verschwimmend, irgend wo wieder ansetzt zu neuem Leben. Diese Aussicht kann uns angenehm berühren, zu welchen Träumen giebt sie nicht Stoff! Aber erschrecken kann es uns nicht. Dagegen repräsentirt der Stein, das Metall die irdische, niederdrückende Schwere. Wir mögen den Stein noch so hoch in die Luft schleudern, er kehrt wieder zurück. Er kann uns auf die Brust fal¬ len, unser Fuß stolpert daran, und wenn wir ihn zerreiben zu Pulver, Staub, er fällt wieder auf die Lunge, und bei der Section findet ihn der Arzt."
Die Geheimräthin hatte sich jetzt aufgerafft; mit beiden Händen an die Sophalehne sich haltend, sah sie über die Schultern auf den Sprecher zurück:
"Welche Verständigung, -- was wollen Sie?"
"Ich, für mein Theil, meine Gönnerin, was kann ich wollen! Was könnte ich bezeugen? Gar nichts! -- Daß ich bei Herrn Flittner auf Ihren Wunsch eine Hausapotheke entnahm! Das ist Alles dort in die Bücher eingetragen. Eine exacte Apo¬ theke. -- Und wer sagt denn, daß das Physikat zu einer Obduction zu schreiten sich veranlaßt finden
nicht zurück, wogegen alles Mineraliſche ein Reſiduum, einen Satz, einen Ausſchlag zurückläßt. In wie ver¬ änderter Form es auch ſei, die Wiſſenſchaft findet ihn. Wenn wir doch dieſe wohlthätige Weiſung der Natur nie aus dem Auge ließen! Das Lebendige im Pflanzen- und animaliſchen Leben iſt beſtimmt, zu blühen, reifen, um ſich dann zu verflüchtigen, damit es, im Aether ſcheinbar verſchwimmend, irgend wo wieder anſetzt zu neuem Leben. Dieſe Ausſicht kann uns angenehm berühren, zu welchen Träumen giebt ſie nicht Stoff! Aber erſchrecken kann es uns nicht. Dagegen repräſentirt der Stein, das Metall die irdiſche, niederdrückende Schwere. Wir mögen den Stein noch ſo hoch in die Luft ſchleudern, er kehrt wieder zurück. Er kann uns auf die Bruſt fal¬ len, unſer Fuß ſtolpert daran, und wenn wir ihn zerreiben zu Pulver, Staub, er fällt wieder auf die Lunge, und bei der Section findet ihn der Arzt.“
Die Geheimräthin hatte ſich jetzt aufgerafft; mit beiden Händen an die Sophalehne ſich haltend, ſah ſie über die Schultern auf den Sprecher zurück:
„Welche Verſtändigung, — was wollen Sie?“
„Ich, für mein Theil, meine Gönnerin, was kann ich wollen! Was könnte ich bezeugen? Gar nichts! — Daß ich bei Herrn Flittner auf Ihren Wunſch eine Hausapotheke entnahm! Das iſt Alles dort in die Bücher eingetragen. Eine exacte Apo¬ theke. — Und wer ſagt denn, daß das Phyſikat zu einer Obduction zu ſchreiten ſich veranlaßt finden
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nicht zurück, wogegen alles Mineraliſche ein Reſiduum,
einen Satz, einen Ausſchlag zurückläßt. In wie ver¬
änderter Form es auch ſei, die Wiſſenſchaft findet
ihn. Wenn wir doch dieſe wohlthätige Weiſung der
Natur nie aus dem Auge ließen! Das Lebendige
im Pflanzen- und animaliſchen Leben iſt beſtimmt,
zu blühen, reifen, um ſich dann zu verflüchtigen,
damit es, im Aether ſcheinbar verſchwimmend, irgend
wo wieder anſetzt zu neuem Leben. Dieſe Ausſicht
kann uns angenehm berühren, zu welchen Träumen
giebt ſie nicht Stoff! Aber erſchrecken kann es uns
nicht. Dagegen repräſentirt der Stein, das Metall
die irdiſche, niederdrückende Schwere. Wir mögen
den Stein noch ſo hoch in die Luft ſchleudern, er
kehrt wieder zurück. Er kann uns auf die Bruſt fal¬
len, unſer Fuß ſtolpert daran, und wenn wir ihn
zerreiben zu Pulver, Staub, er fällt wieder auf die
Lunge, und bei der Section findet ihn der Arzt.“
Die Geheimräthin hatte ſich jetzt aufgerafft; mit
beiden Händen an die Sophalehne ſich haltend, ſah
ſie über die Schultern auf den Sprecher zurück:
„Welche Verſtändigung, — was wollen Sie?“
„Ich, für mein Theil, meine Gönnerin, was
kann ich wollen! Was könnte ich bezeugen? Gar
nichts! — Daß ich bei Herrn Flittner auf Ihren
Wunſch eine Hausapotheke entnahm! Das iſt Alles
dort in die Bücher eingetragen. Eine exacte Apo¬
theke. — Und wer ſagt denn, daß das Phyſikat zu
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/352>, abgerufen am 23.11.2024.
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