"Der kleine König von Schweden sperrt ihnen auch die Ostseehäfen, er kapert auch wie die Engländer ihre Schiffe. Man hätte doch nun erwartet, sie würden Schwedisch Pommern nehmen!"
"Man ist befangen im Bewußtsein seines Un¬ rechts, und statt es gut zu machen, indem man es vollendet, verdoppelt man den Fehltritt, indem man ihn halb thut."
"Das ist Ihre Moral, Wandel. Ich im Gegen¬ theil bewundere den Muth dieser Staatsmänner. Mit welchem Gesichte kann der Mann von Schön¬ brunn vor die Prinzen, vor die Bilder seiner alten Könige treten, vor das Land, vor das Preu¬ ßische Heer, vor Friedrichs Armee? Erklären Sie mir den Muth, Wandel, wie er vor diesem stolzen, hochmüthigen Officiercorps es aussprechen darf: Preu¬ ßen fühlt sich zu schwach, mit dem stärksten Bundes¬ genossen an der Seite einen gerechten Krieg zu füh¬ ren. Können Sie's?"
"Gnädigste Frau, vor wem erröthen, wem Re¬ chenschaft geben! -- Wer fordert sie von dem Manne!"
"Und sei es nur vor seinem eigenen Spiegel."
"Der Spiegel, Gnädigste, ist unser Machwerk; man schleift, färbt ihn, wie man will, man stellt sich vor ihn, wie man Lust hat. Die Hand in der Brust, das Kinn aufrecht, die Blicke funkelnd. Oder die Arme gekreuzt auf der Brust, die Augen nieder¬ geschlagen; der Spiegel ist gehorsam, er giebt Alles wieder. Denken Sie ihn sich so, mit verkniffenen
„Der kleine König von Schweden ſperrt ihnen auch die Oſtſeehäfen, er kapert auch wie die Engländer ihre Schiffe. Man hätte doch nun erwartet, ſie würden Schwediſch Pommern nehmen!“
„Man iſt befangen im Bewußtſein ſeines Un¬ rechts, und ſtatt es gut zu machen, indem man es vollendet, verdoppelt man den Fehltritt, indem man ihn halb thut.“
„Das iſt Ihre Moral, Wandel. Ich im Gegen¬ theil bewundere den Muth dieſer Staatsmänner. Mit welchem Geſichte kann der Mann von Schön¬ brunn vor die Prinzen, vor die Bilder ſeiner alten Könige treten, vor das Land, vor das Preu¬ ßiſche Heer, vor Friedrichs Armee? Erklären Sie mir den Muth, Wandel, wie er vor dieſem ſtolzen, hochmüthigen Officiercorps es ausſprechen darf: Preu¬ ßen fühlt ſich zu ſchwach, mit dem ſtärkſten Bundes¬ genoſſen an der Seite einen gerechten Krieg zu füh¬ ren. Können Sie's?“
„Gnädigſte Frau, vor wem erröthen, wem Re¬ chenſchaft geben! — Wer fordert ſie von dem Manne!“
„Und ſei es nur vor ſeinem eigenen Spiegel.“
„Der Spiegel, Gnädigſte, iſt unſer Machwerk; man ſchleift, färbt ihn, wie man will, man ſtellt ſich vor ihn, wie man Luſt hat. Die Hand in der Bruſt, das Kinn aufrecht, die Blicke funkelnd. Oder die Arme gekreuzt auf der Bruſt, die Augen nieder¬ geſchlagen; der Spiegel iſt gehorſam, er giebt Alles wieder. Denken Sie ihn ſich ſo, mit verkniffenen
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0039"n="29"/><p>„Der kleine König von Schweden ſperrt ihnen<lb/>
auch die Oſtſeehäfen, er kapert auch wie die Engländer<lb/>
ihre Schiffe. Man hätte doch nun erwartet, ſie<lb/>
würden Schwediſch Pommern nehmen!“</p><lb/><p>„Man iſt befangen im Bewußtſein ſeines Un¬<lb/>
rechts, und ſtatt es gut zu machen, indem man es<lb/>
vollendet, verdoppelt man den Fehltritt, indem man<lb/>
ihn halb thut.“</p><lb/><p>„Das iſt Ihre Moral, Wandel. Ich im Gegen¬<lb/>
theil bewundere den Muth dieſer Staatsmänner.<lb/>
Mit welchem Geſichte kann der Mann von Schön¬<lb/>
brunn vor die Prinzen, vor die Bilder ſeiner<lb/>
alten Könige treten, vor das Land, vor das Preu¬<lb/>
ßiſche Heer, vor Friedrichs Armee? Erklären Sie<lb/>
mir den Muth, Wandel, wie er vor dieſem ſtolzen,<lb/>
hochmüthigen Officiercorps es ausſprechen darf: Preu¬<lb/>
ßen fühlt ſich zu ſchwach, mit dem ſtärkſten Bundes¬<lb/>
genoſſen an der Seite einen gerechten Krieg zu füh¬<lb/>
ren. Können Sie's?“</p><lb/><p>„Gnädigſte Frau, vor wem erröthen, wem Re¬<lb/>
chenſchaft geben! — Wer fordert ſie von dem Manne!“</p><lb/><p>„Und ſei es nur vor ſeinem eigenen Spiegel.“</p><lb/><p>„Der Spiegel, Gnädigſte, iſt <hirendition="#g">unſer</hi> Machwerk;<lb/>
man ſchleift, färbt ihn, wie man will, man ſtellt ſich<lb/>
vor ihn, wie man Luſt hat. Die Hand in der<lb/>
Bruſt, das Kinn aufrecht, die Blicke funkelnd. Oder<lb/>
die Arme gekreuzt auf der Bruſt, die Augen nieder¬<lb/>
geſchlagen; der Spiegel iſt gehorſam, er giebt Alles<lb/>
wieder. Denken Sie ihn ſich ſo, mit verkniffenen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[29/0039]
„Der kleine König von Schweden ſperrt ihnen
auch die Oſtſeehäfen, er kapert auch wie die Engländer
ihre Schiffe. Man hätte doch nun erwartet, ſie
würden Schwediſch Pommern nehmen!“
„Man iſt befangen im Bewußtſein ſeines Un¬
rechts, und ſtatt es gut zu machen, indem man es
vollendet, verdoppelt man den Fehltritt, indem man
ihn halb thut.“
„Das iſt Ihre Moral, Wandel. Ich im Gegen¬
theil bewundere den Muth dieſer Staatsmänner.
Mit welchem Geſichte kann der Mann von Schön¬
brunn vor die Prinzen, vor die Bilder ſeiner
alten Könige treten, vor das Land, vor das Preu¬
ßiſche Heer, vor Friedrichs Armee? Erklären Sie
mir den Muth, Wandel, wie er vor dieſem ſtolzen,
hochmüthigen Officiercorps es ausſprechen darf: Preu¬
ßen fühlt ſich zu ſchwach, mit dem ſtärkſten Bundes¬
genoſſen an der Seite einen gerechten Krieg zu füh¬
ren. Können Sie's?“
„Gnädigſte Frau, vor wem erröthen, wem Re¬
chenſchaft geben! — Wer fordert ſie von dem Manne!“
„Und ſei es nur vor ſeinem eigenen Spiegel.“
„Der Spiegel, Gnädigſte, iſt unſer Machwerk;
man ſchleift, färbt ihn, wie man will, man ſtellt ſich
vor ihn, wie man Luſt hat. Die Hand in der
Bruſt, das Kinn aufrecht, die Blicke funkelnd. Oder
die Arme gekreuzt auf der Bruſt, die Augen nieder¬
geſchlagen; der Spiegel iſt gehorſam, er giebt Alles
wieder. Denken Sie ihn ſich ſo, mit verkniffenen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/39>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.