Lippen davor, und er lispelt: er war stark und wir schwach, er entschlossen, und wir wissen nie heut, was wir morgen thun sollen, er hat ein kriegsgewöhntes, siegreiches Heer und wir eines, was den Krieg ver¬ lernt hat. Ein Krieg kostet Blut, viele Menschen, er ruinirt noch mehr Bürger, seine Nachwehen sind furchtbarer als seine Verwüstungen. Alles das sind Realitäten, die Ehre aber ist ein Wahn. Mein Kö¬ nig hat einen Abscheu vor Blutvergießen und ich liebe es nicht. Alle gute Menschen lieben es nicht. Gott auch nicht, er hat den Frieden geboten und Na¬ poleon bietet ihn uns auch. Sind das nicht eben so viele Winke des Himmels! Wofür sollen wir uns schlagen? Für uns doch nicht. Er will uns ja mehr geben, als wir hatten. Für Oestreich etwa, das ver¬ loren hat? Wir sind doch nicht Don Quixoten, um für einen Rivalen uns zu opfern? Oder für das thö¬ rige Gebrause, was man jetzt öffentliche Meinung nennt? Wiegt meines Königs unausgesprochener Wunsch nicht schwerer? Die öffentliche Meinung macht mich nicht zum Minister, sie möchte mich stür¬ zen. Aber sie kann's nicht. Mein König kann mich halten, und er wird es."
"Von Advocaten des Teufels hab' ich wohl ge¬ hört, sagte die Fürstin, ihn fixirend, nur weiß ich nicht, wer sie bezahlt."
"Ich halte Excellenz für einen sehr honetten und zuweilen sehr heiligen Mann, der, wenn er den Feind citirt, es gewiß nur thut, um ihn zu beschwö¬
Lippen davor, und er lispelt: er war ſtark und wir ſchwach, er entſchloſſen, und wir wiſſen nie heut, was wir morgen thun ſollen, er hat ein kriegsgewöhntes, ſiegreiches Heer und wir eines, was den Krieg ver¬ lernt hat. Ein Krieg koſtet Blut, viele Menſchen, er ruinirt noch mehr Bürger, ſeine Nachwehen ſind furchtbarer als ſeine Verwüſtungen. Alles das ſind Realitäten, die Ehre aber iſt ein Wahn. Mein Kö¬ nig hat einen Abſcheu vor Blutvergießen und ich liebe es nicht. Alle gute Menſchen lieben es nicht. Gott auch nicht, er hat den Frieden geboten und Na¬ poleon bietet ihn uns auch. Sind das nicht eben ſo viele Winke des Himmels! Wofür ſollen wir uns ſchlagen? Für uns doch nicht. Er will uns ja mehr geben, als wir hatten. Für Oeſtreich etwa, das ver¬ loren hat? Wir ſind doch nicht Don Quixoten, um für einen Rivalen uns zu opfern? Oder für das thö¬ rige Gebrauſe, was man jetzt öffentliche Meinung nennt? Wiegt meines Königs unausgeſprochener Wunſch nicht ſchwerer? Die öffentliche Meinung macht mich nicht zum Miniſter, ſie möchte mich ſtür¬ zen. Aber ſie kann's nicht. Mein König kann mich halten, und er wird es.“
„Von Advocaten des Teufels hab' ich wohl ge¬ hört, ſagte die Fürſtin, ihn fixirend, nur weiß ich nicht, wer ſie bezahlt.“
„Ich halte Excellenz für einen ſehr honetten und zuweilen ſehr heiligen Mann, der, wenn er den Feind citirt, es gewiß nur thut, um ihn zu beſchwö¬
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Lippen davor, und er lispelt: er war ſtark und wir
ſchwach, er entſchloſſen, und wir wiſſen nie heut, was
wir morgen thun ſollen, er hat ein kriegsgewöhntes,
ſiegreiches Heer und wir eines, was den Krieg ver¬
lernt hat. Ein Krieg koſtet Blut, viele Menſchen,
er ruinirt noch mehr Bürger, ſeine Nachwehen ſind
furchtbarer als ſeine Verwüſtungen. Alles das ſind
Realitäten, die Ehre aber iſt ein Wahn. Mein Kö¬
nig hat einen Abſcheu vor Blutvergießen und ich
liebe es nicht. Alle gute Menſchen lieben es nicht.
Gott auch nicht, er hat den Frieden geboten und Na¬
poleon bietet ihn uns auch. Sind das nicht eben ſo
viele Winke des Himmels! Wofür ſollen wir uns
ſchlagen? Für uns doch nicht. Er will uns ja mehr
geben, als wir hatten. Für Oeſtreich etwa, das ver¬
loren hat? Wir ſind doch nicht Don Quixoten, um
für einen Rivalen uns zu opfern? Oder für das thö¬
rige Gebrauſe, was man jetzt öffentliche Meinung
nennt? Wiegt meines Königs unausgeſprochener
Wunſch nicht ſchwerer? Die öffentliche Meinung
macht mich nicht zum Miniſter, ſie möchte mich ſtür¬
zen. Aber ſie kann's nicht. Mein König kann
mich halten, und er wird es.“
„Von Advocaten des Teufels hab' ich wohl ge¬
hört, ſagte die Fürſtin, ihn fixirend, nur weiß ich
nicht, wer ſie bezahlt.“
„Ich halte Excellenz für einen ſehr honetten
und zuweilen ſehr heiligen Mann, der, wenn er den
Feind citirt, es gewiß nur thut, um ihn zu beſchwö¬
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/40>, abgerufen am 21.11.2024.
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