den festen Boden unterspült, die Wurzeln vom Erd¬ reich löst, wir fühlen das Annahen des Sturmes. Und noch wäre Rettung möglich, aber die phleg¬ matische Masse schließt noch die Augen, trunken schreien Einige in die Lüfte, aber sie helfen nicht, nur dem Feinde geben sie ein Zeichen, wie es steht. Die zu Wächtern bestellt sind, zu Baumeistern und Steuerleuten, singen uns Schlaflieder zu. Sie zittern nicht vor der Gefahr draußen, nur vor der Aufregung, welche die Furcht davor im eignen Lager verursacht. Wo nun Einer mit dem besten Willen kommt, wo soll er anklopfen, wo, wenn er sein Gut und Blut hineinwerfen möchte, ist die Büchse, um es aufzunehmen? Das ist die Frage."
"Was hilft's Dir, wenn Du die rechte Ein¬ gangsthür in ein verrottet Haus findest, wo drinnen nichts mehr zu retten ist."
"Es ist", fuhr Walter auf. "Wie hätte dieser Staat so lange bestehen können und leuchten in der Geschichte. Es ist etwas nie da gewesenes, wie dies Regentengeschlecht persönlich auf das Volk einge¬ wirkt hat. Das leugnest Du Dir nicht fort, vom Anbeginn bis heute. Es hat alles, was sein eigen war, Gedanken, Geist, Intelligenz, Thatkraft, Muth, Entschlossenheit, Ausdauer, ausgesprützt in die Adern der rohen, verwilderten Stämme, die es vorfand, die es später mit seinen starken Armen umklammerte, bis sie unter dem warmen schirmenden Druck zu
den feſten Boden unterſpült, die Wurzeln vom Erd¬ reich löſt, wir fühlen das Annahen des Sturmes. Und noch wäre Rettung möglich, aber die phleg¬ matiſche Maſſe ſchließt noch die Augen, trunken ſchreien Einige in die Lüfte, aber ſie helfen nicht, nur dem Feinde geben ſie ein Zeichen, wie es ſteht. Die zu Wächtern beſtellt ſind, zu Baumeiſtern und Steuerleuten, ſingen uns Schlaflieder zu. Sie zittern nicht vor der Gefahr draußen, nur vor der Aufregung, welche die Furcht davor im eignen Lager verurſacht. Wo nun Einer mit dem beſten Willen kommt, wo ſoll er anklopfen, wo, wenn er ſein Gut und Blut hineinwerfen möchte, iſt die Büchſe, um es aufzunehmen? Das iſt die Frage.“
„Was hilft's Dir, wenn Du die rechte Ein¬ gangsthür in ein verrottet Haus findeſt, wo drinnen nichts mehr zu retten iſt.“
„Es iſt“, fuhr Walter auf. „Wie hätte dieſer Staat ſo lange beſtehen können und leuchten in der Geſchichte. Es iſt etwas nie da geweſenes, wie dies Regentengeſchlecht perſönlich auf das Volk einge¬ wirkt hat. Das leugneſt Du Dir nicht fort, vom Anbeginn bis heute. Es hat alles, was ſein eigen war, Gedanken, Geiſt, Intelligenz, Thatkraft, Muth, Entſchloſſenheit, Ausdauer, ausgeſprützt in die Adern der rohen, verwilderten Stämme, die es vorfand, die es ſpäter mit ſeinen ſtarken Armen umklammerte, bis ſie unter dem warmen ſchirmenden Druck zu
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0056"n="46"/>
den feſten Boden unterſpült, die Wurzeln vom Erd¬<lb/>
reich löſt, wir fühlen das Annahen des Sturmes.<lb/>
Und noch wäre Rettung möglich, aber die phleg¬<lb/>
matiſche Maſſe ſchließt noch die Augen, trunken<lb/>ſchreien Einige in die Lüfte, aber ſie helfen nicht,<lb/>
nur dem Feinde geben ſie ein Zeichen, wie es<lb/>ſteht. Die zu Wächtern beſtellt ſind, zu Baumeiſtern<lb/>
und Steuerleuten, ſingen uns Schlaflieder zu.<lb/>
Sie zittern nicht vor der Gefahr draußen, nur<lb/>
vor der Aufregung, welche die Furcht davor im<lb/>
eignen Lager verurſacht. Wo nun Einer mit dem<lb/>
beſten Willen kommt, wo ſoll er anklopfen, wo,<lb/>
wenn er ſein Gut und Blut hineinwerfen möchte,<lb/>
iſt die Büchſe, um es aufzunehmen? Das iſt die<lb/>
Frage.“</p><lb/><p>„Was hilft's Dir, wenn Du die rechte Ein¬<lb/>
gangsthür in ein verrottet Haus findeſt, wo drinnen<lb/>
nichts mehr zu retten iſt.“</p><lb/><p>„Es iſt“, fuhr Walter auf. „Wie hätte dieſer<lb/>
Staat ſo lange beſtehen können und leuchten in der<lb/>
Geſchichte. Es iſt etwas nie da geweſenes, wie dies<lb/>
Regentengeſchlecht perſönlich auf das Volk einge¬<lb/>
wirkt hat. Das leugneſt Du Dir nicht fort, vom<lb/>
Anbeginn bis heute. Es hat alles, was ſein eigen<lb/>
war, Gedanken, Geiſt, Intelligenz, Thatkraft, Muth,<lb/>
Entſchloſſenheit, Ausdauer, ausgeſprützt in die Adern<lb/>
der rohen, verwilderten Stämme, die es vorfand,<lb/>
die es ſpäter mit ſeinen ſtarken Armen umklammerte,<lb/>
bis ſie unter dem warmen ſchirmenden Druck zu<lb/></p></div></body></text></TEI>
[46/0056]
den feſten Boden unterſpült, die Wurzeln vom Erd¬
reich löſt, wir fühlen das Annahen des Sturmes.
Und noch wäre Rettung möglich, aber die phleg¬
matiſche Maſſe ſchließt noch die Augen, trunken
ſchreien Einige in die Lüfte, aber ſie helfen nicht,
nur dem Feinde geben ſie ein Zeichen, wie es
ſteht. Die zu Wächtern beſtellt ſind, zu Baumeiſtern
und Steuerleuten, ſingen uns Schlaflieder zu.
Sie zittern nicht vor der Gefahr draußen, nur
vor der Aufregung, welche die Furcht davor im
eignen Lager verurſacht. Wo nun Einer mit dem
beſten Willen kommt, wo ſoll er anklopfen, wo,
wenn er ſein Gut und Blut hineinwerfen möchte,
iſt die Büchſe, um es aufzunehmen? Das iſt die
Frage.“
„Was hilft's Dir, wenn Du die rechte Ein¬
gangsthür in ein verrottet Haus findeſt, wo drinnen
nichts mehr zu retten iſt.“
„Es iſt“, fuhr Walter auf. „Wie hätte dieſer
Staat ſo lange beſtehen können und leuchten in der
Geſchichte. Es iſt etwas nie da geweſenes, wie dies
Regentengeſchlecht perſönlich auf das Volk einge¬
wirkt hat. Das leugneſt Du Dir nicht fort, vom
Anbeginn bis heute. Es hat alles, was ſein eigen
war, Gedanken, Geiſt, Intelligenz, Thatkraft, Muth,
Entſchloſſenheit, Ausdauer, ausgeſprützt in die Adern
der rohen, verwilderten Stämme, die es vorfand,
die es ſpäter mit ſeinen ſtarken Armen umklammerte,
bis ſie unter dem warmen ſchirmenden Druck zu
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/56>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.