Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

über mich herzufallen, mich zu zergliedern, verurthei¬
len. Ich bin auf Alles gefaßt."

"Ich aber nicht darauf, daß Frau Geheimräthin
Lupinus mich dazu fähig hält."

"Fähig, das weiß ich nicht, ich kenne Sie nicht
genug. Aber aus Klugheit dürfen Sie vielleicht nicht
Compagnieschaft halten. Die gemeinen Seelen müssen,
es ist ihre Natur, Krieg führen gegen alles, was sich
über ihr Niveau erhebt. Und Sie sind in diesem
Kriege. Bleiben Sie in der Defensive, so sind Sie
verloren. -- Ich weiß es nicht, setzte sie nach einer
Weile hinzu, ich kümmere mich nicht darum, ob Sie
den Muth haben, Ihren Feinden ins Lager zu
dringen."

Unwillkürlich war Walters Blick auf seinen Arm
in der Binde gefallen.

"Sie haben den Chevaleresken gespielt, Ihren
Gegner am Leben gelassen. Verspielt, Herr van
Asten! Wer seinen Gegner nicht vernichtet, hat ihn
gestärkt. Hätten Sie Rache genommen, wie die Be¬
leidigung es heischte, ja dann -- aber glauben Sie
nicht, daß man Sie darum für einen Cavalier hält,
weil Sie nach der Mondscheinschrift in dem schwarzen
Buch der Cavalierehre gehandelt. Obsolete Dinge!
Man zückt die Achseln, ein Gelächter rieselt, wenn
die Junkerofficiere von der Affaire erzählen. Der
Andre wird jetzt beklagt, Sie -- Sie, Walter, werden
nicht gefürchtet. Und Sie könnten gefürchtet werden,
es war in Ihre Hand gegeben. Es war die einzige

über mich herzufallen, mich zu zergliedern, verurthei¬
len. Ich bin auf Alles gefaßt.“

„Ich aber nicht darauf, daß Frau Geheimräthin
Lupinus mich dazu fähig hält.“

„Fähig, das weiß ich nicht, ich kenne Sie nicht
genug. Aber aus Klugheit dürfen Sie vielleicht nicht
Compagnieſchaft halten. Die gemeinen Seelen müſſen,
es iſt ihre Natur, Krieg führen gegen alles, was ſich
über ihr Niveau erhebt. Und Sie ſind in dieſem
Kriege. Bleiben Sie in der Defenſive, ſo ſind Sie
verloren. — Ich weiß es nicht, ſetzte ſie nach einer
Weile hinzu, ich kümmere mich nicht darum, ob Sie
den Muth haben, Ihren Feinden ins Lager zu
dringen.“

Unwillkürlich war Walters Blick auf ſeinen Arm
in der Binde gefallen.

„Sie haben den Chevaleresken geſpielt, Ihren
Gegner am Leben gelaſſen. Verſpielt, Herr van
Aſten! Wer ſeinen Gegner nicht vernichtet, hat ihn
geſtärkt. Hätten Sie Rache genommen, wie die Be¬
leidigung es heiſchte, ja dann — aber glauben Sie
nicht, daß man Sie darum für einen Cavalier hält,
weil Sie nach der Mondſcheinſchrift in dem ſchwarzen
Buch der Cavalierehre gehandelt. Obſolete Dinge!
Man zückt die Achſeln, ein Gelächter rieſelt, wenn
die Junkerofficiere von der Affaire erzählen. Der
Andre wird jetzt beklagt, Sie — Sie, Walter, werden
nicht gefürchtet. Und Sie könnten gefürchtet werden,
es war in Ihre Hand gegeben. Es war die einzige

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0073" n="63"/>
über mich herzufallen, mich zu zergliedern, verurthei¬<lb/>
len. Ich bin auf Alles gefaßt.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich aber nicht darauf, daß Frau Geheimräthin<lb/>
Lupinus mich dazu fähig hält.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Fähig, das weiß ich nicht, ich kenne Sie nicht<lb/>
genug. Aber aus Klugheit dürfen Sie vielleicht nicht<lb/>
Compagnie&#x017F;chaft halten. Die gemeinen Seelen mü&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
es i&#x017F;t ihre Natur, Krieg führen gegen alles, was &#x017F;ich<lb/>
über ihr Niveau erhebt. Und Sie &#x017F;ind in die&#x017F;em<lb/>
Kriege. Bleiben Sie in der Defen&#x017F;ive, &#x017F;o &#x017F;ind Sie<lb/>
verloren. &#x2014; Ich weiß es nicht, &#x017F;etzte &#x017F;ie nach einer<lb/>
Weile hinzu, ich kümmere mich nicht darum, ob Sie<lb/>
den Muth haben, Ihren Feinden ins Lager zu<lb/>
dringen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Unwillkürlich war Walters Blick auf &#x017F;einen Arm<lb/>
in der Binde gefallen.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie haben den Chevaleresken ge&#x017F;pielt, Ihren<lb/>
Gegner am Leben gela&#x017F;&#x017F;en. Ver&#x017F;pielt, Herr van<lb/>
A&#x017F;ten! Wer &#x017F;einen Gegner nicht vernichtet, hat ihn<lb/>
ge&#x017F;tärkt. Hätten Sie Rache genommen, wie die Be¬<lb/>
leidigung es hei&#x017F;chte, ja dann &#x2014; aber glauben Sie<lb/>
nicht, daß man Sie darum für einen Cavalier hält,<lb/>
weil Sie nach der Mond&#x017F;chein&#x017F;chrift in dem &#x017F;chwarzen<lb/>
Buch der Cavalierehre gehandelt. Ob&#x017F;olete Dinge!<lb/>
Man zückt die Ach&#x017F;eln, ein Gelächter rie&#x017F;elt, wenn<lb/>
die Junkerofficiere von der Affaire erzählen. Der<lb/>
Andre wird jetzt beklagt, Sie &#x2014; Sie, Walter, werden<lb/>
nicht gefürchtet. Und Sie könnten gefürchtet werden,<lb/>
es war in Ihre Hand gegeben. Es war die einzige<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0073] über mich herzufallen, mich zu zergliedern, verurthei¬ len. Ich bin auf Alles gefaßt.“ „Ich aber nicht darauf, daß Frau Geheimräthin Lupinus mich dazu fähig hält.“ „Fähig, das weiß ich nicht, ich kenne Sie nicht genug. Aber aus Klugheit dürfen Sie vielleicht nicht Compagnieſchaft halten. Die gemeinen Seelen müſſen, es iſt ihre Natur, Krieg führen gegen alles, was ſich über ihr Niveau erhebt. Und Sie ſind in dieſem Kriege. Bleiben Sie in der Defenſive, ſo ſind Sie verloren. — Ich weiß es nicht, ſetzte ſie nach einer Weile hinzu, ich kümmere mich nicht darum, ob Sie den Muth haben, Ihren Feinden ins Lager zu dringen.“ Unwillkürlich war Walters Blick auf ſeinen Arm in der Binde gefallen. „Sie haben den Chevaleresken geſpielt, Ihren Gegner am Leben gelaſſen. Verſpielt, Herr van Aſten! Wer ſeinen Gegner nicht vernichtet, hat ihn geſtärkt. Hätten Sie Rache genommen, wie die Be¬ leidigung es heiſchte, ja dann — aber glauben Sie nicht, daß man Sie darum für einen Cavalier hält, weil Sie nach der Mondſcheinſchrift in dem ſchwarzen Buch der Cavalierehre gehandelt. Obſolete Dinge! Man zückt die Achſeln, ein Gelächter rieſelt, wenn die Junkerofficiere von der Affaire erzählen. Der Andre wird jetzt beklagt, Sie — Sie, Walter, werden nicht gefürchtet. Und Sie könnten gefürchtet werden, es war in Ihre Hand gegeben. Es war die einzige

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/73
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/73>, abgerufen am 18.05.2024.