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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

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Herkommen abhängend, grade aus dem Herzen kä¬
men. Und so waren sie ihr, so dem glücklichen Gat¬
ten entgegengekommen. Das Volk that, wie es be¬
fohlen war, und wir haben nicht den geringsten Zwei¬
fel, daß es nicht von Herzen es gethan.

Louise letzte sich an der Erinnerung. Sie
malte einzelne jener schönen Züge, von denen uns die
Zeitgenossen berichtet. Die Erscheinung des Königs
und der Königin, einer jungen, von Liebreiz und
Güte umflossenen, in Provinzen, wo auch die älte¬
sten Greise sich nicht erinnern können, je eine Köni¬
gin gesehen zu haben, glich der Erscheinung von
Schutzgöttern des Vaterlandes, von erhabenen Ge¬
nien der Gerechtigkeit und Milde, die überall, wo sie
sich zeigen, unüberwindliche Eroberer, jedes Herz ge¬
winnen. Eine Reise war es gewesen fortwährender
Triumphe, nein, eine ununterbrochene Reihe von
Familienfesten. Da brannte die Sonne herab, daß
man die Augen nicht aufthun konnte, und doch
wich Keiner vom Platze, bis er seine Königin
mit Augen gesehen. Da waren neunzehn weiß ge¬
kleidete Mädchen an ihren Wagen gesprungen. Eines
hatte der Königin zugeflüstert: Wir sind eigent¬
lich zwanzig, aber die Eine ist nach Haus geschickt.
-- Warum denn, liebes Kind? -- Weil sie so hä߬
lich ausgesehen. Da hatte Louise nach der armen
Häßlichen geschickt und sprach am längsten und freund¬
lichsten mit ihr. -- Und jener alte Bauer, der sie so
gern sehen wollen, und immer wieder von den An¬

Herkommen abhängend, grade aus dem Herzen kä¬
men. Und ſo waren ſie ihr, ſo dem glücklichen Gat¬
ten entgegengekommen. Das Volk that, wie es be¬
fohlen war, und wir haben nicht den geringſten Zwei¬
fel, daß es nicht von Herzen es gethan.

Louiſe letzte ſich an der Erinnerung. Sie
malte einzelne jener ſchönen Züge, von denen uns die
Zeitgenoſſen berichtet. Die Erſcheinung des Königs
und der Königin, einer jungen, von Liebreiz und
Güte umfloſſenen, in Provinzen, wo auch die älte¬
ſten Greiſe ſich nicht erinnern können, je eine Köni¬
gin geſehen zu haben, glich der Erſcheinung von
Schutzgöttern des Vaterlandes, von erhabenen Ge¬
nien der Gerechtigkeit und Milde, die überall, wo ſie
ſich zeigen, unüberwindliche Eroberer, jedes Herz ge¬
winnen. Eine Reiſe war es geweſen fortwährender
Triumphe, nein, eine ununterbrochene Reihe von
Familienfeſten. Da brannte die Sonne herab, daß
man die Augen nicht aufthun konnte, und doch
wich Keiner vom Platze, bis er ſeine Königin
mit Augen geſehen. Da waren neunzehn weiß ge¬
kleidete Mädchen an ihren Wagen geſprungen. Eines
hatte der Königin zugeflüſtert: Wir ſind eigent¬
lich zwanzig, aber die Eine iſt nach Haus geſchickt.
— Warum denn, liebes Kind? — Weil ſie ſo hä߬
lich ausgeſehen. Da hatte Louiſe nach der armen
Häßlichen geſchickt und ſprach am längſten und freund¬
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[117/0127] Herkommen abhängend, grade aus dem Herzen kä¬ men. Und ſo waren ſie ihr, ſo dem glücklichen Gat¬ ten entgegengekommen. Das Volk that, wie es be¬ fohlen war, und wir haben nicht den geringſten Zwei¬ fel, daß es nicht von Herzen es gethan. Louiſe letzte ſich an der Erinnerung. Sie malte einzelne jener ſchönen Züge, von denen uns die Zeitgenoſſen berichtet. Die Erſcheinung des Königs und der Königin, einer jungen, von Liebreiz und Güte umfloſſenen, in Provinzen, wo auch die älte¬ ſten Greiſe ſich nicht erinnern können, je eine Köni¬ gin geſehen zu haben, glich der Erſcheinung von Schutzgöttern des Vaterlandes, von erhabenen Ge¬ nien der Gerechtigkeit und Milde, die überall, wo ſie ſich zeigen, unüberwindliche Eroberer, jedes Herz ge¬ winnen. Eine Reiſe war es geweſen fortwährender Triumphe, nein, eine ununterbrochene Reihe von Familienfeſten. Da brannte die Sonne herab, daß man die Augen nicht aufthun konnte, und doch wich Keiner vom Platze, bis er ſeine Königin mit Augen geſehen. Da waren neunzehn weiß ge¬ kleidete Mädchen an ihren Wagen geſprungen. Eines hatte der Königin zugeflüſtert: Wir ſind eigent¬ lich zwanzig, aber die Eine iſt nach Haus geſchickt. — Warum denn, liebes Kind? — Weil ſie ſo hä߬ lich ausgeſehen. Da hatte Louiſe nach der armen Häßlichen geſchickt und ſprach am längſten und freund¬ lichſten mit ihr. — Und jener alte Bauer, der ſie ſo gern ſehen wollen, und immer wieder von den An¬

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/127>, abgerufen am 17.05.2024.