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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

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dern und den Gensdarmen zurückgedrängt war, die
Königin hatte ihn wohl gesehn und heranrufen las¬
sen, und noch sah sie ihn, wie der Greis sein Haupt
entblößte und stumm, aber unverwandten Blickes,
die Landesmutter anschaute. In dessen Herzen,
wußte sie, lebte ihr Bild ewig fort! Und wie in
einem andern Dorfe in Pommern die Bauernschaft
den Wagen umringt hatte, und die Bauern in ihrem
Plattdeutsch durchaus darauf bestanden, daß sie aus¬
steigen müsse und sich "tractiren" lasse, damit die
Städter nicht dächten, sie hätten das Vorrecht allein.
Und die Königin war lächelnd ausgestiegen und in
das Bauernhaus getreten, und hatte von dem gro¬
ßen ihr aufgetragenen Eierkuchen ein Stück gegessen,
und versichert, daß er sehr schmackhaft sei. Und wie
der König im Zelt an der Weichsel, wo er als Gast
der Elbinger tafelte, zu dem Landmann, der mit
einer Bittschrift sich auf die Knie geworfen, in edlem
Unwillen gerufen: "Nur vor Gott knien! Ein Mensch
muß nicht vor einem andern Menschen knien!"

"Da habe ich Blicke gethan auf den Heerd mei¬
nes Volkes, schloß die Königin, und weiß, wo die
Zufriedenheit und Seelenruhe wohnt. -- Sie frösteln,
liebes Kind, Sie schaudern sogar --"

"Ach, Ihre Majestät, es waren Gedanken --"

Die Fürstin hatte sie gelesen: "Freilich weiß ich,
nicht überall stehen Hütten von Philemon und Bau¬
cis, aber die Immoralität hat da keinen dauernden
Wohnsitz, wo bewährte Tugenden, Patriotismus und

dern und den Gensdarmen zurückgedrängt war, die
Königin hatte ihn wohl geſehn und heranrufen laſ¬
ſen, und noch ſah ſie ihn, wie der Greis ſein Haupt
entblößte und ſtumm, aber unverwandten Blickes,
die Landesmutter anſchaute. In deſſen Herzen,
wußte ſie, lebte ihr Bild ewig fort! Und wie in
einem andern Dorfe in Pommern die Bauernſchaft
den Wagen umringt hatte, und die Bauern in ihrem
Plattdeutſch durchaus darauf beſtanden, daß ſie aus¬
ſteigen müſſe und ſich „tractiren“ laſſe, damit die
Städter nicht dächten, ſie hätten das Vorrecht allein.
Und die Königin war lächelnd ausgeſtiegen und in
das Bauernhaus getreten, und hatte von dem gro¬
ßen ihr aufgetragenen Eierkuchen ein Stück gegeſſen,
und verſichert, daß er ſehr ſchmackhaft ſei. Und wie
der König im Zelt an der Weichſel, wo er als Gaſt
der Elbinger tafelte, zu dem Landmann, der mit
einer Bittſchrift ſich auf die Knie geworfen, in edlem
Unwillen gerufen: „Nur vor Gott knien! Ein Menſch
muß nicht vor einem andern Menſchen knien!“

„Da habe ich Blicke gethan auf den Heerd mei¬
nes Volkes, ſchloß die Königin, und weiß, wo die
Zufriedenheit und Seelenruhe wohnt. — Sie fröſteln,
liebes Kind, Sie ſchaudern ſogar —“

„Ach, Ihre Majeſtät, es waren Gedanken —“

Die Fürſtin hatte ſie geleſen: „Freilich weiß ich,
nicht überall ſtehen Hütten von Philemon und Bau¬
cis, aber die Immoralität hat da keinen dauernden
Wohnſitz, wo bewährte Tugenden, Patriotismus und

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[118/0128] dern und den Gensdarmen zurückgedrängt war, die Königin hatte ihn wohl geſehn und heranrufen laſ¬ ſen, und noch ſah ſie ihn, wie der Greis ſein Haupt entblößte und ſtumm, aber unverwandten Blickes, die Landesmutter anſchaute. In deſſen Herzen, wußte ſie, lebte ihr Bild ewig fort! Und wie in einem andern Dorfe in Pommern die Bauernſchaft den Wagen umringt hatte, und die Bauern in ihrem Plattdeutſch durchaus darauf beſtanden, daß ſie aus¬ ſteigen müſſe und ſich „tractiren“ laſſe, damit die Städter nicht dächten, ſie hätten das Vorrecht allein. Und die Königin war lächelnd ausgeſtiegen und in das Bauernhaus getreten, und hatte von dem gro¬ ßen ihr aufgetragenen Eierkuchen ein Stück gegeſſen, und verſichert, daß er ſehr ſchmackhaft ſei. Und wie der König im Zelt an der Weichſel, wo er als Gaſt der Elbinger tafelte, zu dem Landmann, der mit einer Bittſchrift ſich auf die Knie geworfen, in edlem Unwillen gerufen: „Nur vor Gott knien! Ein Menſch muß nicht vor einem andern Menſchen knien!“ „Da habe ich Blicke gethan auf den Heerd mei¬ nes Volkes, ſchloß die Königin, und weiß, wo die Zufriedenheit und Seelenruhe wohnt. — Sie fröſteln, liebes Kind, Sie ſchaudern ſogar —“ „Ach, Ihre Majeſtät, es waren Gedanken —“ Die Fürſtin hatte ſie geleſen: „Freilich weiß ich, nicht überall ſtehen Hütten von Philemon und Bau¬ cis, aber die Immoralität hat da keinen dauernden Wohnſitz, wo bewährte Tugenden, Patriotismus und

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/128>, abgerufen am 23.11.2024.