um Einlaß gepocht zur unerläßlichen That, jetzt von dem Troß zurückgestoßen waren, und den Spott hinnehmen mußten, sie seien nicht zur rechten Zeit entschlossen.
Noch lag ein officieller Schleier über der nächsten Zukunft, aber er war so durchlöchert, daß wer nur das Auge aufriß, durchsah. In Paris war der Rhein¬ bund gestiftet und Preußen war nicht dazu geladen, ja es hatte noch nichts davon erfahren. Die Fürsten, welche an der Leimruthe saßen, auffliegen konnten sie nicht mehr, aber frei mit ihren Flügeln flattern, und der Großmüthige hatte sie dafür entschädigt mit den Beutestücken in seinem Netze, mit den freien Städten, den Gütern der Stifter, Klöster, der Reichsritterschaft, mit der Souveränität im eignen Lande. Frei, von Niemand behindert, durften sie mit den Flügeln die schlagen, die darunter ein Recht hatten auf Schutz. Ihre Rechte, die besiegelt stan¬ den in alten Verträgen, waren durch einen Federstrich ausgelöscht. Und die duftende Zeitungsphrase des Moniteurs sagte: "Des Kaisers Absichten hätten sich hier wie immer mit den wahren Interessen Deutsch¬ lands übereinstimmend gezeigt." -- Und wohin sollten sie schreien, wohin Hülfe flehend die Arme strecken? Der Kaiser hatte die römische Kaiserwürde niedergelegt, "da er außer Stande sei, seine beschworenen Pflichten ge¬ gen das Reich zu erfüllen." Wo war das Reich, wo das deutsche Volk! Oestreich, des langen, ehrenwerthen Kampfes müde, hatte sich in sein Schneckenhaus ge¬
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um Einlaß gepocht zur unerläßlichen That, jetzt von dem Troß zurückgeſtoßen waren, und den Spott hinnehmen mußten, ſie ſeien nicht zur rechten Zeit entſchloſſen.
Noch lag ein officieller Schleier über der nächſten Zukunft, aber er war ſo durchlöchert, daß wer nur das Auge aufriß, durchſah. In Paris war der Rhein¬ bund geſtiftet und Preußen war nicht dazu geladen, ja es hatte noch nichts davon erfahren. Die Fürſten, welche an der Leimruthe ſaßen, auffliegen konnten ſie nicht mehr, aber frei mit ihren Flügeln flattern, und der Großmüthige hatte ſie dafür entſchädigt mit den Beuteſtücken in ſeinem Netze, mit den freien Städten, den Gütern der Stifter, Klöſter, der Reichsritterſchaft, mit der Souveränität im eignen Lande. Frei, von Niemand behindert, durften ſie mit den Flügeln die ſchlagen, die darunter ein Recht hatten auf Schutz. Ihre Rechte, die beſiegelt ſtan¬ den in alten Verträgen, waren durch einen Federſtrich ausgelöſcht. Und die duftende Zeitungsphraſe des Moniteurs ſagte: „Des Kaiſers Abſichten hätten ſich hier wie immer mit den wahren Intereſſen Deutſch¬ lands übereinſtimmend gezeigt.“ — Und wohin ſollten ſie ſchreien, wohin Hülfe flehend die Arme ſtrecken? Der Kaiſer hatte die römiſche Kaiſerwürde niedergelegt, „da er außer Stande ſei, ſeine beſchworenen Pflichten ge¬ gen das Reich zu erfüllen.“ Wo war das Reich, wo das deutſche Volk! Oeſtreich, des langen, ehrenwerthen Kampfes müde, hatte ſich in ſein Schneckenhaus ge¬
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um Einlaß gepocht zur unerläßlichen That, jetzt von
dem Troß zurückgeſtoßen waren, und den Spott
hinnehmen mußten, ſie ſeien nicht zur rechten Zeit
entſchloſſen.
Noch lag ein officieller Schleier über der nächſten
Zukunft, aber er war ſo durchlöchert, daß wer nur
das Auge aufriß, durchſah. In Paris war der Rhein¬
bund geſtiftet und Preußen war nicht dazu geladen,
ja es hatte noch nichts davon erfahren. Die Fürſten,
welche an der Leimruthe ſaßen, auffliegen konnten
ſie nicht mehr, aber frei mit ihren Flügeln flattern,
und der Großmüthige hatte ſie dafür entſchädigt
mit den Beuteſtücken in ſeinem Netze, mit den
freien Städten, den Gütern der Stifter, Klöſter, der
Reichsritterſchaft, mit der Souveränität im eignen
Lande. Frei, von Niemand behindert, durften ſie mit
den Flügeln die ſchlagen, die darunter ein Recht
hatten auf Schutz. Ihre Rechte, die beſiegelt ſtan¬
den in alten Verträgen, waren durch einen Federſtrich
ausgelöſcht. Und die duftende Zeitungsphraſe des
Moniteurs ſagte: „Des Kaiſers Abſichten hätten ſich
hier wie immer mit den wahren Intereſſen Deutſch¬
lands übereinſtimmend gezeigt.“ — Und wohin ſollten
ſie ſchreien, wohin Hülfe flehend die Arme ſtrecken? Der
Kaiſer hatte die römiſche Kaiſerwürde niedergelegt, „da
er außer Stande ſei, ſeine beſchworenen Pflichten ge¬
gen das Reich zu erfüllen.“ Wo war das Reich, wo
das deutſche Volk! Oeſtreich, des langen, ehrenwerthen
Kampfes müde, hatte ſich in ſein Schneckenhaus ge¬
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/13>, abgerufen am 03.12.2024.
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