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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

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"Ihre Majestät verzeihen, wenn ein schlichtes
Bürgermädchen diesen Stolz auch empfindet. Jean
Paul's Frauen kommen mir oft vor wie aus Monden¬
schein und Sonnenstrahlen gewebt. Wenn man sich
an sie hielte, zerflössen sie --"

"Das dürfen Sie in Berlin nicht laut aussprechen,
sonst verketzern sie uns, fiel die Fürstin noch im sel¬
ben Ton ein. -- "Nein, alle Admiration dem herr¬
lichen Manne, aber Sie haben wohl Recht, unsere
Zeit fordert Männer, auch Frauen, welche den Din¬
gen und Verhältnissen in's Gesicht zu sehn verstehen,
und vor einer rauhen Berührung nicht zurückschrecken.
Sie fordert, daß wir unsre Empfindungen beherrschen.
Es ist schwer, mein liebes Kind, schwer für einen
Jeden, die schlechten Menschen nicht merken zu lassen,
daß man sie haßt, verachtet, was mehr für uns
Fürsten! Das ist unsere gepriesene hohe Freiheit, wir
müssen sogar freundlich scheinen gegen unsre Feinde,
denen die Hand drücken, von denen wir wissen, daß
sie in der Tasche den Dolch gegen uns versteckt hal¬
ten. Das kostet etwas -- eine Resignation, die oft
unsre schwache Kraft übersteigt. -- Wir träumen zu¬
viel von dem Guten und Bessern. Das ist schön,
aber wir dürfen nicht mehr träumen, wir Alle nicht.
Jede muß ihre ganze Kraft anrufen, um gerüstet
dem gegenüber zu stehen, was Gott zu unserer Prü¬
fung schickt. Wir müssen uns bezwingen, entsagen
können, auch dem, was uns das Theuerste, Liebste ist!"

Der Ton ihrer Sprache hatte sich mit ihrer

„Ihre Majeſtät verzeihen, wenn ein ſchlichtes
Bürgermädchen dieſen Stolz auch empfindet. Jean
Paul's Frauen kommen mir oft vor wie aus Monden¬
ſchein und Sonnenſtrahlen gewebt. Wenn man ſich
an ſie hielte, zerflöſſen ſie —“

„Das dürfen Sie in Berlin nicht laut ausſprechen,
ſonſt verketzern ſie uns, fiel die Fürſtin noch im ſel¬
ben Ton ein. — „Nein, alle Admiration dem herr¬
lichen Manne, aber Sie haben wohl Recht, unſere
Zeit fordert Männer, auch Frauen, welche den Din¬
gen und Verhältniſſen in's Geſicht zu ſehn verſtehen,
und vor einer rauhen Berührung nicht zurückſchrecken.
Sie fordert, daß wir unſre Empfindungen beherrſchen.
Es iſt ſchwer, mein liebes Kind, ſchwer für einen
Jeden, die ſchlechten Menſchen nicht merken zu laſſen,
daß man ſie haßt, verachtet, was mehr für uns
Fürſten! Das iſt unſere geprieſene hohe Freiheit, wir
müſſen ſogar freundlich ſcheinen gegen unſre Feinde,
denen die Hand drücken, von denen wir wiſſen, daß
ſie in der Taſche den Dolch gegen uns verſteckt hal¬
ten. Das koſtet etwas — eine Reſignation, die oft
unſre ſchwache Kraft überſteigt. — Wir träumen zu¬
viel von dem Guten und Beſſern. Das iſt ſchön,
aber wir dürfen nicht mehr träumen, wir Alle nicht.
Jede muß ihre ganze Kraft anrufen, um gerüſtet
dem gegenüber zu ſtehen, was Gott zu unſerer Prü¬
fung ſchickt. Wir müſſen uns bezwingen, entſagen
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[124/0134] „Ihre Majeſtät verzeihen, wenn ein ſchlichtes Bürgermädchen dieſen Stolz auch empfindet. Jean Paul's Frauen kommen mir oft vor wie aus Monden¬ ſchein und Sonnenſtrahlen gewebt. Wenn man ſich an ſie hielte, zerflöſſen ſie —“ „Das dürfen Sie in Berlin nicht laut ausſprechen, ſonſt verketzern ſie uns, fiel die Fürſtin noch im ſel¬ ben Ton ein. — „Nein, alle Admiration dem herr¬ lichen Manne, aber Sie haben wohl Recht, unſere Zeit fordert Männer, auch Frauen, welche den Din¬ gen und Verhältniſſen in's Geſicht zu ſehn verſtehen, und vor einer rauhen Berührung nicht zurückſchrecken. Sie fordert, daß wir unſre Empfindungen beherrſchen. Es iſt ſchwer, mein liebes Kind, ſchwer für einen Jeden, die ſchlechten Menſchen nicht merken zu laſſen, daß man ſie haßt, verachtet, was mehr für uns Fürſten! Das iſt unſere geprieſene hohe Freiheit, wir müſſen ſogar freundlich ſcheinen gegen unſre Feinde, denen die Hand drücken, von denen wir wiſſen, daß ſie in der Taſche den Dolch gegen uns verſteckt hal¬ ten. Das koſtet etwas — eine Reſignation, die oft unſre ſchwache Kraft überſteigt. — Wir träumen zu¬ viel von dem Guten und Beſſern. Das iſt ſchön, aber wir dürfen nicht mehr träumen, wir Alle nicht. Jede muß ihre ganze Kraft anrufen, um gerüſtet dem gegenüber zu ſtehen, was Gott zu unſerer Prü¬ fung ſchickt. Wir müſſen uns bezwingen, entſagen können, auch dem, was uns das Theuerſte, Liebſte iſt!“ Der Ton ihrer Sprache hatte ſich mit ihrer

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/134>, abgerufen am 23.11.2024.