"Ihre Majestät verzeihen, wenn ein schlichtes Bürgermädchen diesen Stolz auch empfindet. Jean Paul's Frauen kommen mir oft vor wie aus Monden¬ schein und Sonnenstrahlen gewebt. Wenn man sich an sie hielte, zerflössen sie --"
"Das dürfen Sie in Berlin nicht laut aussprechen, sonst verketzern sie uns, fiel die Fürstin noch im sel¬ ben Ton ein. -- "Nein, alle Admiration dem herr¬ lichen Manne, aber Sie haben wohl Recht, unsere Zeit fordert Männer, auch Frauen, welche den Din¬ gen und Verhältnissen in's Gesicht zu sehn verstehen, und vor einer rauhen Berührung nicht zurückschrecken. Sie fordert, daß wir unsre Empfindungen beherrschen. Es ist schwer, mein liebes Kind, schwer für einen Jeden, die schlechten Menschen nicht merken zu lassen, daß man sie haßt, verachtet, was mehr für uns Fürsten! Das ist unsere gepriesene hohe Freiheit, wir müssen sogar freundlich scheinen gegen unsre Feinde, denen die Hand drücken, von denen wir wissen, daß sie in der Tasche den Dolch gegen uns versteckt hal¬ ten. Das kostet etwas -- eine Resignation, die oft unsre schwache Kraft übersteigt. -- Wir träumen zu¬ viel von dem Guten und Bessern. Das ist schön, aber wir dürfen nicht mehr träumen, wir Alle nicht. Jede muß ihre ganze Kraft anrufen, um gerüstet dem gegenüber zu stehen, was Gott zu unserer Prü¬ fung schickt. Wir müssen uns bezwingen, entsagen können, auch dem, was uns das Theuerste, Liebste ist!"
Der Ton ihrer Sprache hatte sich mit ihrer
„Ihre Majeſtät verzeihen, wenn ein ſchlichtes Bürgermädchen dieſen Stolz auch empfindet. Jean Paul's Frauen kommen mir oft vor wie aus Monden¬ ſchein und Sonnenſtrahlen gewebt. Wenn man ſich an ſie hielte, zerflöſſen ſie —“
„Das dürfen Sie in Berlin nicht laut ausſprechen, ſonſt verketzern ſie uns, fiel die Fürſtin noch im ſel¬ ben Ton ein. — „Nein, alle Admiration dem herr¬ lichen Manne, aber Sie haben wohl Recht, unſere Zeit fordert Männer, auch Frauen, welche den Din¬ gen und Verhältniſſen in's Geſicht zu ſehn verſtehen, und vor einer rauhen Berührung nicht zurückſchrecken. Sie fordert, daß wir unſre Empfindungen beherrſchen. Es iſt ſchwer, mein liebes Kind, ſchwer für einen Jeden, die ſchlechten Menſchen nicht merken zu laſſen, daß man ſie haßt, verachtet, was mehr für uns Fürſten! Das iſt unſere geprieſene hohe Freiheit, wir müſſen ſogar freundlich ſcheinen gegen unſre Feinde, denen die Hand drücken, von denen wir wiſſen, daß ſie in der Taſche den Dolch gegen uns verſteckt hal¬ ten. Das koſtet etwas — eine Reſignation, die oft unſre ſchwache Kraft überſteigt. — Wir träumen zu¬ viel von dem Guten und Beſſern. Das iſt ſchön, aber wir dürfen nicht mehr träumen, wir Alle nicht. Jede muß ihre ganze Kraft anrufen, um gerüſtet dem gegenüber zu ſtehen, was Gott zu unſerer Prü¬ fung ſchickt. Wir müſſen uns bezwingen, entſagen können, auch dem, was uns das Theuerſte, Liebſte iſt!“
Der Ton ihrer Sprache hatte ſich mit ihrer
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0134"n="124"/><p>„Ihre Majeſtät verzeihen, wenn ein ſchlichtes<lb/>
Bürgermädchen dieſen Stolz auch empfindet. Jean<lb/>
Paul's Frauen kommen mir oft vor wie aus Monden¬<lb/>ſchein und Sonnenſtrahlen gewebt. Wenn man ſich<lb/>
an ſie hielte, zerflöſſen ſie —“</p><lb/><p>„Das dürfen Sie in Berlin nicht laut ausſprechen,<lb/>ſonſt verketzern ſie uns, fiel die Fürſtin noch im ſel¬<lb/>
ben Ton ein. —„Nein, alle Admiration dem herr¬<lb/>
lichen Manne, aber Sie haben wohl Recht, unſere<lb/>
Zeit fordert Männer, auch Frauen, welche den Din¬<lb/>
gen und Verhältniſſen in's Geſicht zu ſehn verſtehen,<lb/>
und vor einer rauhen Berührung nicht zurückſchrecken.<lb/>
Sie fordert, daß wir unſre Empfindungen beherrſchen.<lb/>
Es iſt ſchwer, mein liebes Kind, ſchwer für einen<lb/>
Jeden, die ſchlechten Menſchen nicht merken zu laſſen,<lb/>
daß man ſie haßt, verachtet, was mehr für uns<lb/>
Fürſten! Das iſt unſere geprieſene hohe Freiheit, wir<lb/>
müſſen ſogar freundlich ſcheinen gegen unſre Feinde,<lb/>
denen die Hand drücken, von denen wir wiſſen, daß<lb/>ſie in der Taſche den Dolch gegen uns verſteckt hal¬<lb/>
ten. Das koſtet etwas — eine Reſignation, die oft<lb/>
unſre ſchwache Kraft überſteigt. — Wir träumen zu¬<lb/>
viel von dem Guten und Beſſern. Das iſt ſchön,<lb/>
aber wir dürfen nicht mehr träumen, wir Alle nicht.<lb/>
Jede muß ihre ganze Kraft anrufen, um gerüſtet<lb/>
dem gegenüber zu ſtehen, was Gott zu unſerer Prü¬<lb/>
fung ſchickt. Wir müſſen uns bezwingen, entſagen<lb/>
können, auch dem, was uns das Theuerſte, Liebſte iſt!“</p><lb/><p>Der Ton ihrer Sprache hatte ſich mit ihrer<lb/></p></div></body></text></TEI>
[124/0134]
„Ihre Majeſtät verzeihen, wenn ein ſchlichtes
Bürgermädchen dieſen Stolz auch empfindet. Jean
Paul's Frauen kommen mir oft vor wie aus Monden¬
ſchein und Sonnenſtrahlen gewebt. Wenn man ſich
an ſie hielte, zerflöſſen ſie —“
„Das dürfen Sie in Berlin nicht laut ausſprechen,
ſonſt verketzern ſie uns, fiel die Fürſtin noch im ſel¬
ben Ton ein. — „Nein, alle Admiration dem herr¬
lichen Manne, aber Sie haben wohl Recht, unſere
Zeit fordert Männer, auch Frauen, welche den Din¬
gen und Verhältniſſen in's Geſicht zu ſehn verſtehen,
und vor einer rauhen Berührung nicht zurückſchrecken.
Sie fordert, daß wir unſre Empfindungen beherrſchen.
Es iſt ſchwer, mein liebes Kind, ſchwer für einen
Jeden, die ſchlechten Menſchen nicht merken zu laſſen,
daß man ſie haßt, verachtet, was mehr für uns
Fürſten! Das iſt unſere geprieſene hohe Freiheit, wir
müſſen ſogar freundlich ſcheinen gegen unſre Feinde,
denen die Hand drücken, von denen wir wiſſen, daß
ſie in der Taſche den Dolch gegen uns verſteckt hal¬
ten. Das koſtet etwas — eine Reſignation, die oft
unſre ſchwache Kraft überſteigt. — Wir träumen zu¬
viel von dem Guten und Beſſern. Das iſt ſchön,
aber wir dürfen nicht mehr träumen, wir Alle nicht.
Jede muß ihre ganze Kraft anrufen, um gerüſtet
dem gegenüber zu ſtehen, was Gott zu unſerer Prü¬
fung ſchickt. Wir müſſen uns bezwingen, entſagen
können, auch dem, was uns das Theuerſte, Liebſte iſt!“
Der Ton ihrer Sprache hatte ſich mit ihrer
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/134>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.