Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Louise hätte sie dann in ihre Arme geschlossen und
vielleicht gesprochen: "Nun sind Sie mir doppelt ge¬
wonnen!"

Aber Adelheid sank nicht auf die Knie, sie preßte
nicht die königliche Hand an die Lippen und verbarg
auch nicht ihr Gesicht. Sie blickte so klar und ohne
Trug, wie die Fürstin es verlangt, diese an und sprach:

"Erlauben mir Ihre Majestät, daß ich antworte,
ganz wie ich fühle?"

"Das erwarte ich," sagte Louise, ohne ihr Be¬
fremden verbergen zu können.

"Ihre Majestät verlangen drei Punkte von mir:
Gehorsam, Einsicht und Entsagung. Man ist ein
schlechter Advokat in eigner Sache, habe ich immer
gehört, möchten Sie, gnädigste Frau, daher Nachsicht
mit einer Armen haben, die, angeklagt vor einem so
hohen Richterstuhl, sich zum ersten Mal vertheidigen
soll."

Die Vertheidigung, was den ersten Punkt be¬
traf, führte Adelheid mit einer Ruhe und klaren Aus¬
einanderlegung der Thatsachen, daß man doch glau¬
ben können, es sei nicht das erste Mal, daß sie, des
Ungehorsams gegen ihre Eltern angeklagt, vor Gericht
stehe: Noch gehöre ihr Herz und ihre volle Dank¬
barkeit den Theuren, aber nicht mehr ihr Schicksal,
das Vater und Mutter ja längst in andere Hände
gelegt. Wenn sie von denen sich frei gemacht, ge¬
höre diese Freiheit ihr, die sie errungen. Wisse ein
Vater, auch der beste, liebevollste, immer am besten,

V. 9

Louiſe hätte ſie dann in ihre Arme geſchloſſen und
vielleicht geſprochen: „Nun ſind Sie mir doppelt ge¬
wonnen!“

Aber Adelheid ſank nicht auf die Knie, ſie preßte
nicht die königliche Hand an die Lippen und verbarg
auch nicht ihr Geſicht. Sie blickte ſo klar und ohne
Trug, wie die Fürſtin es verlangt, dieſe an und ſprach:

„Erlauben mir Ihre Majeſtät, daß ich antworte,
ganz wie ich fühle?“

„Das erwarte ich,“ ſagte Louiſe, ohne ihr Be¬
fremden verbergen zu können.

„Ihre Majeſtät verlangen drei Punkte von mir:
Gehorſam, Einſicht und Entſagung. Man iſt ein
ſchlechter Advokat in eigner Sache, habe ich immer
gehört, möchten Sie, gnädigſte Frau, daher Nachſicht
mit einer Armen haben, die, angeklagt vor einem ſo
hohen Richterſtuhl, ſich zum erſten Mal vertheidigen
ſoll.“

Die Vertheidigung, was den erſten Punkt be¬
traf, führte Adelheid mit einer Ruhe und klaren Aus¬
einanderlegung der Thatſachen, daß man doch glau¬
ben können, es ſei nicht das erſte Mal, daß ſie, des
Ungehorſams gegen ihre Eltern angeklagt, vor Gericht
ſtehe: Noch gehöre ihr Herz und ihre volle Dank¬
barkeit den Theuren, aber nicht mehr ihr Schickſal,
das Vater und Mutter ja längſt in andere Hände
gelegt. Wenn ſie von denen ſich frei gemacht, ge¬
höre dieſe Freiheit ihr, die ſie errungen. Wiſſe ein
Vater, auch der beſte, liebevollſte, immer am beſten,

V. 9
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0139" n="129"/>
Loui&#x017F;e hätte &#x017F;ie dann in ihre Arme ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en und<lb/>
vielleicht ge&#x017F;prochen: &#x201E;Nun &#x017F;ind Sie mir doppelt ge¬<lb/>
wonnen!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Aber Adelheid &#x017F;ank nicht auf die Knie, &#x017F;ie preßte<lb/>
nicht die königliche Hand an die Lippen und verbarg<lb/>
auch nicht ihr Ge&#x017F;icht. Sie blickte &#x017F;o klar und ohne<lb/>
Trug, wie die Für&#x017F;tin es verlangt, die&#x017F;e an und &#x017F;prach:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Erlauben mir Ihre Maje&#x017F;tät, daß ich antworte,<lb/>
ganz wie ich fühle?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das erwarte ich,&#x201C; &#x017F;agte Loui&#x017F;e, ohne ihr Be¬<lb/>
fremden verbergen zu können.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ihre Maje&#x017F;tät verlangen drei Punkte von mir:<lb/>
Gehor&#x017F;am, Ein&#x017F;icht und Ent&#x017F;agung. Man i&#x017F;t ein<lb/>
&#x017F;chlechter Advokat in eigner Sache, habe ich immer<lb/>
gehört, möchten Sie, gnädig&#x017F;te Frau, daher Nach&#x017F;icht<lb/>
mit einer Armen haben, die, angeklagt vor einem &#x017F;o<lb/>
hohen Richter&#x017F;tuhl, &#x017F;ich zum er&#x017F;ten Mal vertheidigen<lb/>
&#x017F;oll.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Die Vertheidigung, was den er&#x017F;ten Punkt be¬<lb/>
traf, führte Adelheid mit einer Ruhe und klaren Aus¬<lb/>
einanderlegung der That&#x017F;achen, daß man doch glau¬<lb/>
ben können, es &#x017F;ei nicht das er&#x017F;te Mal, daß &#x017F;ie, des<lb/>
Ungehor&#x017F;ams gegen ihre Eltern angeklagt, vor Gericht<lb/>
&#x017F;tehe: Noch gehöre ihr Herz und ihre volle Dank¬<lb/>
barkeit den Theuren, aber nicht mehr ihr Schick&#x017F;al,<lb/>
das Vater und Mutter ja läng&#x017F;t in andere Hände<lb/>
gelegt. Wenn &#x017F;ie von denen &#x017F;ich frei gemacht, ge¬<lb/>
höre die&#x017F;e Freiheit ihr, die &#x017F;ie errungen. Wi&#x017F;&#x017F;e ein<lb/>
Vater, auch der be&#x017F;te, liebevoll&#x017F;te, immer am be&#x017F;ten,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">V</hi>. 9<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[129/0139] Louiſe hätte ſie dann in ihre Arme geſchloſſen und vielleicht geſprochen: „Nun ſind Sie mir doppelt ge¬ wonnen!“ Aber Adelheid ſank nicht auf die Knie, ſie preßte nicht die königliche Hand an die Lippen und verbarg auch nicht ihr Geſicht. Sie blickte ſo klar und ohne Trug, wie die Fürſtin es verlangt, dieſe an und ſprach: „Erlauben mir Ihre Majeſtät, daß ich antworte, ganz wie ich fühle?“ „Das erwarte ich,“ ſagte Louiſe, ohne ihr Be¬ fremden verbergen zu können. „Ihre Majeſtät verlangen drei Punkte von mir: Gehorſam, Einſicht und Entſagung. Man iſt ein ſchlechter Advokat in eigner Sache, habe ich immer gehört, möchten Sie, gnädigſte Frau, daher Nachſicht mit einer Armen haben, die, angeklagt vor einem ſo hohen Richterſtuhl, ſich zum erſten Mal vertheidigen ſoll.“ Die Vertheidigung, was den erſten Punkt be¬ traf, führte Adelheid mit einer Ruhe und klaren Aus¬ einanderlegung der Thatſachen, daß man doch glau¬ ben können, es ſei nicht das erſte Mal, daß ſie, des Ungehorſams gegen ihre Eltern angeklagt, vor Gericht ſtehe: Noch gehöre ihr Herz und ihre volle Dank¬ barkeit den Theuren, aber nicht mehr ihr Schickſal, das Vater und Mutter ja längſt in andere Hände gelegt. Wenn ſie von denen ſich frei gemacht, ge¬ höre dieſe Freiheit ihr, die ſie errungen. Wiſſe ein Vater, auch der beſte, liebevollſte, immer am beſten, V. 9

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/139
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/139>, abgerufen am 17.05.2024.