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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

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"Lassen wir die Poesie, liebes Mädchen, es han¬
delt sich von ernsten Dingen. Ich will Ihnen glau¬
ben, daß ein besserer Keim in ihm ist, daß große
Talente in ihm schlummerten, daß Characterstärke ihm
von Gott gegeben war, ich will zu Ihrem Besten
Alles zu seinen Gunsten glauben, aber warum gab
er sich keiner geordneten Thätigkeit hin, warum zer¬
splitterte und vergeudete er diese Gaben. Bei seiner
Geburt, dem Einfluß seines Vaters wäre ihm ein
Wirkungskreis leicht geworden."

Adelheid sah die Königin mit einem eigenthüm¬
lichen Blicke an, es lag Frage, Bitte, ein Forschen
darin.

"Darf ich?" Sie hielt die Hände auf der Brust.
Der Augenschlag der Königin winkte Gewährung.

"Ich kenne Jemand, den die Geburt hoch ge¬
stellt, höher steht nur Einer. Sein Herz schlägt für
das Vaterland, sein Blut glüht für seine Ehre. Mit
dem ritterlichen Feuermuth der alten Zeit, schlägt doch
dies Herz weich für das Edle, Schöne, Große, das
alle Zeiten schmückte. Er möchte, er könnte ein
Volk erheben, es glücklich machen, denn seine Gaben
befähigten ihn zu dem Höchsten. Und klar liegt vor
seinem Gesichte die Vergangenheit, sein Auge blickt in
die Zukunft. Warum ist dies Auge trüb? -- Weil
der Horizont trüb ist. Warum sank dieser Feuergeist,
dessen Flügel der Sturm durchschnitt, der der Sonne
entgegenblickte, ohne zu zücken, in den Schlamm
zurück? Weil die Atmosphäre zu schwer ist, sein

„Laſſen wir die Poeſie, liebes Mädchen, es han¬
delt ſich von ernſten Dingen. Ich will Ihnen glau¬
ben, daß ein beſſerer Keim in ihm iſt, daß große
Talente in ihm ſchlummerten, daß Characterſtärke ihm
von Gott gegeben war, ich will zu Ihrem Beſten
Alles zu ſeinen Gunſten glauben, aber warum gab
er ſich keiner geordneten Thätigkeit hin, warum zer¬
ſplitterte und vergeudete er dieſe Gaben. Bei ſeiner
Geburt, dem Einfluß ſeines Vaters wäre ihm ein
Wirkungskreis leicht geworden.“

Adelheid ſah die Königin mit einem eigenthüm¬
lichen Blicke an, es lag Frage, Bitte, ein Forſchen
darin.

„Darf ich?“ Sie hielt die Hände auf der Bruſt.
Der Augenſchlag der Königin winkte Gewährung.

„Ich kenne Jemand, den die Geburt hoch ge¬
ſtellt, höher ſteht nur Einer. Sein Herz ſchlägt für
das Vaterland, ſein Blut glüht für ſeine Ehre. Mit
dem ritterlichen Feuermuth der alten Zeit, ſchlägt doch
dies Herz weich für das Edle, Schöne, Große, das
alle Zeiten ſchmückte. Er möchte, er könnte ein
Volk erheben, es glücklich machen, denn ſeine Gaben
befähigten ihn zu dem Höchſten. Und klar liegt vor
ſeinem Geſichte die Vergangenheit, ſein Auge blickt in
die Zukunft. Warum iſt dies Auge trüb? — Weil
der Horizont trüb iſt. Warum ſank dieſer Feuergeiſt,
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[136/0146] „Laſſen wir die Poeſie, liebes Mädchen, es han¬ delt ſich von ernſten Dingen. Ich will Ihnen glau¬ ben, daß ein beſſerer Keim in ihm iſt, daß große Talente in ihm ſchlummerten, daß Characterſtärke ihm von Gott gegeben war, ich will zu Ihrem Beſten Alles zu ſeinen Gunſten glauben, aber warum gab er ſich keiner geordneten Thätigkeit hin, warum zer¬ ſplitterte und vergeudete er dieſe Gaben. Bei ſeiner Geburt, dem Einfluß ſeines Vaters wäre ihm ein Wirkungskreis leicht geworden.“ Adelheid ſah die Königin mit einem eigenthüm¬ lichen Blicke an, es lag Frage, Bitte, ein Forſchen darin. „Darf ich?“ Sie hielt die Hände auf der Bruſt. Der Augenſchlag der Königin winkte Gewährung. „Ich kenne Jemand, den die Geburt hoch ge¬ ſtellt, höher ſteht nur Einer. Sein Herz ſchlägt für das Vaterland, ſein Blut glüht für ſeine Ehre. Mit dem ritterlichen Feuermuth der alten Zeit, ſchlägt doch dies Herz weich für das Edle, Schöne, Große, das alle Zeiten ſchmückte. Er möchte, er könnte ein Volk erheben, es glücklich machen, denn ſeine Gaben befähigten ihn zu dem Höchſten. Und klar liegt vor ſeinem Geſichte die Vergangenheit, ſein Auge blickt in die Zukunft. Warum iſt dies Auge trüb? — Weil der Horizont trüb iſt. Warum ſank dieſer Feuergeiſt, deſſen Flügel der Sturm durchſchnitt, der der Sonne entgegenblickte, ohne zu zücken, in den Schlamm zurück? Weil die Atmoſphäre zu ſchwer iſt, ſein

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/146>, abgerufen am 23.11.2024.