Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

bis nicht ein Komet an diese alte Erde stößt, der
Weltenbrand Alles verzehrt, wird dies unglückliche,
verzauberte Wasser doch aller Wahrscheinlichkeit nach
nicht erlöst."

"So glauben Sie doch an den Weltenbrand?"

"Ich glaube an Alles, was außerhalb des Krei¬
ses meiner Thätigkeit liegt. Warum sollte ich das
nicht aus Gefälligkeit für die Gläubigen! Es geht
mich ja nichts an. Nur fordere ich als Gegenge¬
fälligkeit, daß sie innerhalb jenes Kreises gar keinen
Glauben von mir fordern. Da glaube ich nicht ein¬
mal, was ich vor mir sehe, fühle, rieche, nur was ich
hinter mir habe, den Wein, den ich geschlürft, den
Kuß von süßen Lippen, den Busen, an dem ich ge¬
ruht; daran glaube ich, und schwöre auf die Selig¬
keit, außerdem aber nur an das mathematische Ein¬
maleins, und -- noch an Etwas. Da coincidirt ja
unser Glaube. Der Panurg streute uns aus seinem
Würfelbecher auf die Erde, wie wir sind, Starke und
Schwache, Erwählte und Verdammte. Jeder geht
auf seine Grasung. Wenn Jener sauren Klee liebt,
so wäre ich ja ein Thor, ihn fortzureißen, daß er auf
mein süßes Kleefeld kommt. Er gab uns verschiedenen
Geschmack, und das ist seine nicht genug zu bewundernde
Weisheit, sonst fräßen wir Einer den Andern auf."

"Der Weltenbrand!" rief plötzlich die Fürstin auf,
und ihr Gesicht glühte. Nicht die Wärme von innen,
es war eine Purpurgluth, die von außen daran schlug.
Die Sonne war aufgegangen, die Wolken zerrissen,

bis nicht ein Komet an dieſe alte Erde ſtößt, der
Weltenbrand Alles verzehrt, wird dies unglückliche,
verzauberte Waſſer doch aller Wahrſcheinlichkeit nach
nicht erlöſt.“

„So glauben Sie doch an den Weltenbrand?“

„Ich glaube an Alles, was außerhalb des Krei¬
ſes meiner Thätigkeit liegt. Warum ſollte ich das
nicht aus Gefälligkeit für die Gläubigen! Es geht
mich ja nichts an. Nur fordere ich als Gegenge¬
fälligkeit, daß ſie innerhalb jenes Kreiſes gar keinen
Glauben von mir fordern. Da glaube ich nicht ein¬
mal, was ich vor mir ſehe, fühle, rieche, nur was ich
hinter mir habe, den Wein, den ich geſchlürft, den
Kuß von ſüßen Lippen, den Buſen, an dem ich ge¬
ruht; daran glaube ich, und ſchwöre auf die Selig¬
keit, außerdem aber nur an das mathematiſche Ein¬
maleins, und — noch an Etwas. Da coincidirt ja
unſer Glaube. Der Panurg ſtreute uns aus ſeinem
Würfelbecher auf die Erde, wie wir ſind, Starke und
Schwache, Erwählte und Verdammte. Jeder geht
auf ſeine Graſung. Wenn Jener ſauren Klee liebt,
ſo wäre ich ja ein Thor, ihn fortzureißen, daß er auf
mein ſüßes Kleefeld kommt. Er gab uns verſchiedenen
Geſchmack, und das iſt ſeine nicht genug zu bewundernde
Weisheit, ſonſt fräßen wir Einer den Andern auf.“

„Der Weltenbrand!“ rief plötzlich die Fürſtin auf,
und ihr Geſicht glühte. Nicht die Wärme von innen,
es war eine Purpurgluth, die von außen daran ſchlug.
Die Sonne war aufgegangen, die Wolken zerriſſen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0185" n="175"/>
bis nicht ein Komet an die&#x017F;e alte Erde &#x017F;tößt, der<lb/>
Weltenbrand Alles verzehrt, wird dies unglückliche,<lb/>
verzauberte Wa&#x017F;&#x017F;er doch aller Wahr&#x017F;cheinlichkeit nach<lb/>
nicht erlö&#x017F;t.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;So glauben Sie doch an den Weltenbrand?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich glaube an Alles, was außerhalb des Krei¬<lb/>
&#x017F;es meiner Thätigkeit liegt. Warum &#x017F;ollte ich das<lb/>
nicht aus Gefälligkeit für die Gläubigen! Es geht<lb/>
mich ja nichts an. Nur fordere ich als Gegenge¬<lb/>
fälligkeit, daß &#x017F;ie innerhalb jenes Krei&#x017F;es gar keinen<lb/>
Glauben von mir fordern. Da glaube ich nicht ein¬<lb/>
mal, was ich vor mir &#x017F;ehe, fühle, rieche, nur was ich<lb/>
hinter mir habe, den Wein, den ich ge&#x017F;chlürft, den<lb/>
Kuß von &#x017F;üßen Lippen, den Bu&#x017F;en, an dem ich ge¬<lb/>
ruht; daran glaube ich, und &#x017F;chwöre auf die Selig¬<lb/>
keit, außerdem aber nur an das mathemati&#x017F;che Ein¬<lb/>
maleins, und &#x2014; noch an Etwas. Da coincidirt ja<lb/>
un&#x017F;er Glaube. Der Panurg &#x017F;treute uns aus &#x017F;einem<lb/>
Würfelbecher auf die Erde, wie wir &#x017F;ind, Starke und<lb/>
Schwache, Erwählte und Verdammte. Jeder geht<lb/>
auf &#x017F;eine Gra&#x017F;ung. Wenn Jener &#x017F;auren Klee liebt,<lb/>
&#x017F;o wäre ich ja ein Thor, ihn fortzureißen, daß er auf<lb/>
mein &#x017F;üßes Kleefeld kommt. Er gab uns ver&#x017F;chiedenen<lb/>
Ge&#x017F;chmack, und das i&#x017F;t &#x017F;eine nicht genug zu bewundernde<lb/>
Weisheit, &#x017F;on&#x017F;t fräßen wir Einer den Andern auf.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Der Weltenbrand!&#x201C; rief plötzlich die Für&#x017F;tin auf,<lb/>
und ihr Ge&#x017F;icht glühte. Nicht die Wärme von innen,<lb/>
es war eine Purpurgluth, die von außen daran &#x017F;chlug.<lb/>
Die Sonne war aufgegangen, die Wolken zerri&#x017F;&#x017F;en,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[175/0185] bis nicht ein Komet an dieſe alte Erde ſtößt, der Weltenbrand Alles verzehrt, wird dies unglückliche, verzauberte Waſſer doch aller Wahrſcheinlichkeit nach nicht erlöſt.“ „So glauben Sie doch an den Weltenbrand?“ „Ich glaube an Alles, was außerhalb des Krei¬ ſes meiner Thätigkeit liegt. Warum ſollte ich das nicht aus Gefälligkeit für die Gläubigen! Es geht mich ja nichts an. Nur fordere ich als Gegenge¬ fälligkeit, daß ſie innerhalb jenes Kreiſes gar keinen Glauben von mir fordern. Da glaube ich nicht ein¬ mal, was ich vor mir ſehe, fühle, rieche, nur was ich hinter mir habe, den Wein, den ich geſchlürft, den Kuß von ſüßen Lippen, den Buſen, an dem ich ge¬ ruht; daran glaube ich, und ſchwöre auf die Selig¬ keit, außerdem aber nur an das mathematiſche Ein¬ maleins, und — noch an Etwas. Da coincidirt ja unſer Glaube. Der Panurg ſtreute uns aus ſeinem Würfelbecher auf die Erde, wie wir ſind, Starke und Schwache, Erwählte und Verdammte. Jeder geht auf ſeine Graſung. Wenn Jener ſauren Klee liebt, ſo wäre ich ja ein Thor, ihn fortzureißen, daß er auf mein ſüßes Kleefeld kommt. Er gab uns verſchiedenen Geſchmack, und das iſt ſeine nicht genug zu bewundernde Weisheit, ſonſt fräßen wir Einer den Andern auf.“ „Der Weltenbrand!“ rief plötzlich die Fürſtin auf, und ihr Geſicht glühte. Nicht die Wärme von innen, es war eine Purpurgluth, die von außen daran ſchlug. Die Sonne war aufgegangen, die Wolken zerriſſen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/185
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/185>, abgerufen am 24.11.2024.