Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

zu Hülfe zu rufen. Aber Wandel unterbrach den
schönsten Fluß der Introduction, bei der Fuchsius
ihn nicht einmal gefragt, was ihm die Ehre des Be¬
suches verschafft, indem er den Hut auf die Erde
fallen ließ und, mit beiden Ellenbogen auf den Tisch
sich stützend, die Hände gegen die Stirn drückte:

"Mein Gott, wozu das Alles! -- Sie wissen,
warum ich hier bin. -- Die Arme, Unglückselige! --
Sie sehn mich in unaussprechlicher Angst und Ver¬
wirrung -- ich kann kaum meine Worte fassen --
Verzeihen Sie, wenn ich Ungehöriges rede -- Sie
wissen aus eigner Anschauung, in wie naher Ver¬
bindung ich mit ihr stand --"

"Um so schmerzlicher, kann ich mir denken, ent¬
gegnete Fuchsius, muß die Beschuldigung, welche die
Dame trifft, einen edelgesinnten Freund berühren."

"Ich danke Ihnen für diese schonende Sprache.
Eine Bitte voraus -- wenn sie schuldig ist, ich meine,
nach Ihrer Ansicht, gleichviel, ob es nur Ihre mo¬
ralische Ueberzeugung ist, oder eine, die sich auf Be¬
weise gründet, erlauben Sie mir wenigstens, ihrem
ältesten Freunde, sie in unserm Gespräch als eine
arme, unglückselige Dulderin zu bezeichnen."

"Da der Jurist die Regel gelten läßt: Quilibet
bonus praesumitur, donec contrarium probetur
, ver¬
steht sich dieses Recht für einen so intimen Freund
von selbst."

In Wandels Gesicht blitzte eine Freude auf.
Er reichte seine schön geformte weiße Hand über den

zu Hülfe zu rufen. Aber Wandel unterbrach den
ſchönſten Fluß der Introduction, bei der Fuchſius
ihn nicht einmal gefragt, was ihm die Ehre des Be¬
ſuches verſchafft, indem er den Hut auf die Erde
fallen ließ und, mit beiden Ellenbogen auf den Tiſch
ſich ſtützend, die Hände gegen die Stirn drückte:

„Mein Gott, wozu das Alles! — Sie wiſſen,
warum ich hier bin. — Die Arme, Unglückſelige! —
Sie ſehn mich in unausſprechlicher Angſt und Ver¬
wirrung — ich kann kaum meine Worte faſſen —
Verzeihen Sie, wenn ich Ungehöriges rede — Sie
wiſſen aus eigner Anſchauung, in wie naher Ver¬
bindung ich mit ihr ſtand —“

„Um ſo ſchmerzlicher, kann ich mir denken, ent¬
gegnete Fuchſius, muß die Beſchuldigung, welche die
Dame trifft, einen edelgeſinnten Freund berühren.“

„Ich danke Ihnen für dieſe ſchonende Sprache.
Eine Bitte voraus — wenn ſie ſchuldig iſt, ich meine,
nach Ihrer Anſicht, gleichviel, ob es nur Ihre mo¬
raliſche Ueberzeugung iſt, oder eine, die ſich auf Be¬
weiſe gründet, erlauben Sie mir wenigſtens, ihrem
älteſten Freunde, ſie in unſerm Geſpräch als eine
arme, unglückſelige Dulderin zu bezeichnen.“

„Da der Juriſt die Regel gelten läßt: Quilibet
bonus praesumitur, donec contrarium probetur
, ver¬
ſteht ſich dieſes Recht für einen ſo intimen Freund
von ſelbſt.“

In Wandels Geſicht blitzte eine Freude auf.
Er reichte ſeine ſchön geformte weiße Hand über den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0200" n="190"/>
zu Hülfe zu rufen. Aber Wandel unterbrach den<lb/>
&#x017F;chön&#x017F;ten Fluß der Introduction, bei der Fuch&#x017F;ius<lb/>
ihn nicht einmal gefragt, was ihm die Ehre des Be¬<lb/>
&#x017F;uches ver&#x017F;chafft, indem er den Hut auf die Erde<lb/>
fallen ließ und, mit beiden Ellenbogen auf den Ti&#x017F;ch<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;tützend, die Hände gegen die Stirn drückte:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Mein Gott, wozu das Alles! &#x2014; Sie wi&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
warum ich hier bin. &#x2014; Die Arme, Unglück&#x017F;elige! &#x2014;<lb/>
Sie &#x017F;ehn mich in unaus&#x017F;prechlicher Ang&#x017F;t und Ver¬<lb/>
wirrung &#x2014; ich kann kaum meine Worte fa&#x017F;&#x017F;en &#x2014;<lb/>
Verzeihen Sie, wenn ich Ungehöriges rede &#x2014; Sie<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en aus eigner An&#x017F;chauung, in wie naher Ver¬<lb/>
bindung ich mit ihr &#x017F;tand &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Um &#x017F;o &#x017F;chmerzlicher, kann ich mir denken, ent¬<lb/>
gegnete Fuch&#x017F;ius, muß die Be&#x017F;chuldigung, welche die<lb/>
Dame trifft, einen edelge&#x017F;innten Freund berühren.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich danke Ihnen für die&#x017F;e &#x017F;chonende Sprache.<lb/>
Eine Bitte voraus &#x2014; wenn &#x017F;ie &#x017F;chuldig i&#x017F;t, ich meine,<lb/>
nach Ihrer An&#x017F;icht, gleichviel, ob es nur Ihre mo¬<lb/>
rali&#x017F;che Ueberzeugung i&#x017F;t, oder eine, die &#x017F;ich auf Be¬<lb/>
wei&#x017F;e gründet, erlauben Sie mir wenig&#x017F;tens, ihrem<lb/>
älte&#x017F;ten Freunde, &#x017F;ie in un&#x017F;erm Ge&#x017F;präch als eine<lb/>
arme, unglück&#x017F;elige Dulderin zu bezeichnen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Da der Juri&#x017F;t die Regel gelten läßt: <hi rendition="#aq">Quilibet<lb/>
bonus praesumitur, donec contrarium probetur</hi>, ver¬<lb/>
&#x017F;teht &#x017F;ich die&#x017F;es Recht für einen &#x017F;o intimen Freund<lb/>
von &#x017F;elb&#x017F;t.&#x201C;</p><lb/>
        <p>In Wandels Ge&#x017F;icht blitzte eine Freude auf.<lb/>
Er reichte &#x017F;eine &#x017F;chön geformte weiße Hand über den<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[190/0200] zu Hülfe zu rufen. Aber Wandel unterbrach den ſchönſten Fluß der Introduction, bei der Fuchſius ihn nicht einmal gefragt, was ihm die Ehre des Be¬ ſuches verſchafft, indem er den Hut auf die Erde fallen ließ und, mit beiden Ellenbogen auf den Tiſch ſich ſtützend, die Hände gegen die Stirn drückte: „Mein Gott, wozu das Alles! — Sie wiſſen, warum ich hier bin. — Die Arme, Unglückſelige! — Sie ſehn mich in unausſprechlicher Angſt und Ver¬ wirrung — ich kann kaum meine Worte faſſen — Verzeihen Sie, wenn ich Ungehöriges rede — Sie wiſſen aus eigner Anſchauung, in wie naher Ver¬ bindung ich mit ihr ſtand —“ „Um ſo ſchmerzlicher, kann ich mir denken, ent¬ gegnete Fuchſius, muß die Beſchuldigung, welche die Dame trifft, einen edelgeſinnten Freund berühren.“ „Ich danke Ihnen für dieſe ſchonende Sprache. Eine Bitte voraus — wenn ſie ſchuldig iſt, ich meine, nach Ihrer Anſicht, gleichviel, ob es nur Ihre mo¬ raliſche Ueberzeugung iſt, oder eine, die ſich auf Be¬ weiſe gründet, erlauben Sie mir wenigſtens, ihrem älteſten Freunde, ſie in unſerm Geſpräch als eine arme, unglückſelige Dulderin zu bezeichnen.“ „Da der Juriſt die Regel gelten läßt: Quilibet bonus praesumitur, donec contrarium probetur, ver¬ ſteht ſich dieſes Recht für einen ſo intimen Freund von ſelbſt.“ In Wandels Geſicht blitzte eine Freude auf. Er reichte ſeine ſchön geformte weiße Hand über den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/200
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/200>, abgerufen am 17.05.2024.