Tisch dem Rath: "Dank, tausend Dank!" Sie er¬ quicken mein Herz. Und wenn es nur Täuschung, ja Selbsttäuschung wäre, es ist wenigstens ein schö¬ ner Augenblick. Das erlauben Sie mir, ohne Schmei¬ chelei, hinzuzusetzen: die Geheimräthin hat den Trost, keinem gewöhnlichen Criminalisten in die Hände ge¬ fallen zu sein. Still -- still -- ich weiß, welchen Werth es für einen Angeschuldigten hat, einen Unter¬ suchungsrichter von Weltbildung, wahrer Humanität zu haben, der zugleich ein Psycholog ist, einen Mann, der nicht, wie die meisten rohen Empiriker, aus dem Dunstkreis der Verbrecherhöhlen und Straf¬ anstalten seine Menschenkenntniß geschöpft hat, und nicht die holde Röthe der Scham, die Blutröthe des Schreckes und der Entrüstung für ein Schuldbekennt¬ niß hält."
Fuchsius hatte seine Pfeife gestopft, ohne für nöthig zu halten, auf das Compliment zu ant¬ worten; seine Hand hatte er nur zaudernd und wie scherzend von der des Legationsrathes erfassen las¬ sen. "Ist Ihnen das so bekannt?" entgegnete er, scheinbar nur mit dem Luftzug der Pfeife beschäftigt.
"Ja, sagte Wandel mit fester Stimme. Und nun, ohne Umschweife, wie es sich unter Männern ziemt: was haben Sie über mich disponirt?"
"Sie vergessen, daß ich mit der Diplomatie nichts mehr zu thun habe."
"Mein Gott, wozu die Komödie! Bin ich ein fugae suspectus? Haben Sie mich nicht in Ihrem
Tiſch dem Rath: „Dank, tauſend Dank!“ Sie er¬ quicken mein Herz. Und wenn es nur Täuſchung, ja Selbſttäuſchung wäre, es iſt wenigſtens ein ſchö¬ ner Augenblick. Das erlauben Sie mir, ohne Schmei¬ chelei, hinzuzuſetzen: die Geheimräthin hat den Troſt, keinem gewöhnlichen Criminaliſten in die Hände ge¬ fallen zu ſein. Still — ſtill — ich weiß, welchen Werth es für einen Angeſchuldigten hat, einen Unter¬ ſuchungsrichter von Weltbildung, wahrer Humanität zu haben, der zugleich ein Pſycholog iſt, einen Mann, der nicht, wie die meiſten rohen Empiriker, aus dem Dunſtkreis der Verbrecherhöhlen und Straf¬ anſtalten ſeine Menſchenkenntniß geſchöpft hat, und nicht die holde Röthe der Scham, die Blutröthe des Schreckes und der Entrüſtung für ein Schuldbekennt¬ niß hält.“
Fuchſius hatte ſeine Pfeife geſtopft, ohne für nöthig zu halten, auf das Compliment zu ant¬ worten; ſeine Hand hatte er nur zaudernd und wie ſcherzend von der des Legationsrathes erfaſſen laſ¬ ſen. „Iſt Ihnen das ſo bekannt?“ entgegnete er, ſcheinbar nur mit dem Luftzug der Pfeife beſchäftigt.
„Ja, ſagte Wandel mit feſter Stimme. Und nun, ohne Umſchweife, wie es ſich unter Männern ziemt: was haben Sie über mich disponirt?“
„Sie vergeſſen, daß ich mit der Diplomatie nichts mehr zu thun habe.“
„Mein Gott, wozu die Komödie! Bin ich ein fugae suspectus? Haben Sie mich nicht in Ihrem
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Tiſch dem Rath: „Dank, tauſend Dank!“ Sie er¬
quicken mein Herz. Und wenn es nur Täuſchung,
ja Selbſttäuſchung wäre, es iſt wenigſtens ein ſchö¬
ner Augenblick. Das erlauben Sie mir, ohne Schmei¬
chelei, hinzuzuſetzen: die Geheimräthin hat den Troſt,
keinem gewöhnlichen Criminaliſten in die Hände ge¬
fallen zu ſein. Still — ſtill — ich weiß, welchen
Werth es für einen Angeſchuldigten hat, einen Unter¬
ſuchungsrichter von Weltbildung, wahrer Humanität
zu haben, der zugleich ein Pſycholog iſt, einen Mann,
der nicht, wie die meiſten rohen Empiriker, aus
dem Dunſtkreis der Verbrecherhöhlen und Straf¬
anſtalten ſeine Menſchenkenntniß geſchöpft hat, und
nicht die holde Röthe der Scham, die Blutröthe des
Schreckes und der Entrüſtung für ein Schuldbekennt¬
niß hält.“
Fuchſius hatte ſeine Pfeife geſtopft, ohne für
nöthig zu halten, auf das Compliment zu ant¬
worten; ſeine Hand hatte er nur zaudernd und wie
ſcherzend von der des Legationsrathes erfaſſen laſ¬
ſen. „Iſt Ihnen das ſo bekannt?“ entgegnete er,
ſcheinbar nur mit dem Luftzug der Pfeife beſchäftigt.
„Ja, ſagte Wandel mit feſter Stimme. Und
nun, ohne Umſchweife, wie es ſich unter Männern
ziemt: was haben Sie über mich disponirt?“
„Sie vergeſſen, daß ich mit der Diplomatie
nichts mehr zu thun habe.“
„Mein Gott, wozu die Komödie! Bin ich ein
fugae suspectus? Haben Sie mich nicht in Ihrem
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/201>, abgerufen am 21.11.2024.
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