Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Kaiser fragen: wer in aller Welt gab denn Preu¬
ßen die Vollmacht für die deutsche Nation? Denn
in Wien, Petersburg und Paris weiß man, daß
Phrasen tönender Wind sind. Nicht wahr? Aber
ein wenig Achtung giebt man doch, wenn die Kinder
in Phrasen zu sprechen anfangen, die sie freilich ge¬
lernt haben, aber man fragt doch: von wem?"

Der französische Gesandte, Herr von Laforest,
war längst in seinem Wagen fortgerollt.

"Und doch betrügt er mich nur! war das Ende
eines langen Selbstgespräches, aus dem die Fürstin
bei diesen Worten zu erwachen schien. Aber man
läßt sich zuweilen gern betrügen."

Sie setzte sich an ihren Secretair, und schrieb
hastig. Das Billet auf Rosapapier mit der Auf¬
schrift: "An den Legationsrath, Herrn von Wandel,"
ward einem Diener übergeben, mit dem Befehl, auf
der Stelle dahin zu fliegen und Antwort zu bringen.

Die Antwort ließ doch eine Stunde auf sich
warten, welche für die Prinzessin in sichtlicher Span¬
nung verging. Mehrmals hatte sie sich wieder zum
Schreiben niedergesetzt, aber Alles, was sie angefan¬
gen, gefiel ihr nicht, sie zerriß es wieder. "Es geht
nicht schriftlich, sprach sie. Solche Botschaft kann
nur mündlich an Buxhövden gebracht werden."

Endlich kam Wandels Antwort. Sie lautete:

""Die ehrenvolle Mission, welche Fürstin Gar¬
gazin mir zugedacht, wie sie auch laute, ist mir der
sicherste Beweis für das, was mein Herz mir sagte,

V. 15

Kaiſer fragen: wer in aller Welt gab denn Preu¬
ßen die Vollmacht für die deutſche Nation? Denn
in Wien, Petersburg und Paris weiß man, daß
Phraſen tönender Wind ſind. Nicht wahr? Aber
ein wenig Achtung giebt man doch, wenn die Kinder
in Phraſen zu ſprechen anfangen, die ſie freilich ge¬
lernt haben, aber man fragt doch: von wem?“

Der franzöſiſche Geſandte, Herr von Laforeſt,
war längſt in ſeinem Wagen fortgerollt.

„Und doch betrügt er mich nur! war das Ende
eines langen Selbſtgeſpräches, aus dem die Fürſtin
bei dieſen Worten zu erwachen ſchien. Aber man
läßt ſich zuweilen gern betrügen.“

Sie ſetzte ſich an ihren Secretair, und ſchrieb
haſtig. Das Billet auf Roſapapier mit der Auf¬
ſchrift: „An den Legationsrath, Herrn von Wandel,“
ward einem Diener übergeben, mit dem Befehl, auf
der Stelle dahin zu fliegen und Antwort zu bringen.

Die Antwort ließ doch eine Stunde auf ſich
warten, welche für die Prinzeſſin in ſichtlicher Span¬
nung verging. Mehrmals hatte ſie ſich wieder zum
Schreiben niedergeſetzt, aber Alles, was ſie angefan¬
gen, gefiel ihr nicht, ſie zerriß es wieder. „Es geht
nicht ſchriftlich, ſprach ſie. Solche Botſchaft kann
nur mündlich an Buxhövden gebracht werden.“

Endlich kam Wandels Antwort. Sie lautete:

„„Die ehrenvolle Miſſion, welche Fürſtin Gar¬
gazin mir zugedacht, wie ſie auch laute, iſt mir der
ſicherſte Beweis für das, was mein Herz mir ſagte,

V. 15
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0235" n="225"/>
Kai&#x017F;er fragen: wer in aller Welt gab denn Preu¬<lb/>
ßen die Vollmacht für die deut&#x017F;che Nation? Denn<lb/>
in Wien, Petersburg und Paris weiß man, daß<lb/>
Phra&#x017F;en tönender Wind &#x017F;ind. Nicht wahr? Aber<lb/>
ein wenig Achtung giebt man doch, wenn die Kinder<lb/>
in Phra&#x017F;en zu &#x017F;prechen anfangen, die &#x017F;ie freilich ge¬<lb/>
lernt haben, aber man fragt doch: von wem?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der franzö&#x017F;i&#x017F;che Ge&#x017F;andte, Herr von Lafore&#x017F;t,<lb/>
war läng&#x017F;t in &#x017F;einem Wagen fortgerollt.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und doch betrügt er mich nur! war das Ende<lb/>
eines langen Selb&#x017F;tge&#x017F;präches, aus dem die Für&#x017F;tin<lb/>
bei die&#x017F;en Worten zu erwachen &#x017F;chien. Aber man<lb/>
läßt &#x017F;ich zuweilen gern betrügen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Sie &#x017F;etzte &#x017F;ich an ihren Secretair, und &#x017F;chrieb<lb/>
ha&#x017F;tig. Das Billet auf Ro&#x017F;apapier mit der Auf¬<lb/>
&#x017F;chrift: &#x201E;An den Legationsrath, Herrn von Wandel,&#x201C;<lb/>
ward einem Diener übergeben, mit dem Befehl, auf<lb/>
der Stelle dahin zu fliegen und Antwort zu bringen.</p><lb/>
        <p>Die Antwort ließ doch eine Stunde auf &#x017F;ich<lb/>
warten, welche für die Prinze&#x017F;&#x017F;in in &#x017F;ichtlicher Span¬<lb/>
nung verging. Mehrmals hatte &#x017F;ie &#x017F;ich wieder zum<lb/>
Schreiben niederge&#x017F;etzt, aber Alles, was &#x017F;ie angefan¬<lb/>
gen, gefiel ihr nicht, &#x017F;ie zerriß es wieder. &#x201E;Es geht<lb/>
nicht &#x017F;chriftlich, &#x017F;prach &#x017F;ie. Solche Bot&#x017F;chaft kann<lb/>
nur mündlich an Buxhövden gebracht werden.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Endlich kam Wandels Antwort. Sie lautete:</p><lb/>
        <p>&#x201E;&#x201E;Die ehrenvolle Mi&#x017F;&#x017F;ion, welche Für&#x017F;tin Gar¬<lb/>
gazin mir zugedacht, wie &#x017F;ie auch laute, i&#x017F;t mir der<lb/>
&#x017F;icher&#x017F;te Beweis für das, was mein Herz mir &#x017F;agte,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">V</hi>. 15<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[225/0235] Kaiſer fragen: wer in aller Welt gab denn Preu¬ ßen die Vollmacht für die deutſche Nation? Denn in Wien, Petersburg und Paris weiß man, daß Phraſen tönender Wind ſind. Nicht wahr? Aber ein wenig Achtung giebt man doch, wenn die Kinder in Phraſen zu ſprechen anfangen, die ſie freilich ge¬ lernt haben, aber man fragt doch: von wem?“ Der franzöſiſche Geſandte, Herr von Laforeſt, war längſt in ſeinem Wagen fortgerollt. „Und doch betrügt er mich nur! war das Ende eines langen Selbſtgeſpräches, aus dem die Fürſtin bei dieſen Worten zu erwachen ſchien. Aber man läßt ſich zuweilen gern betrügen.“ Sie ſetzte ſich an ihren Secretair, und ſchrieb haſtig. Das Billet auf Roſapapier mit der Auf¬ ſchrift: „An den Legationsrath, Herrn von Wandel,“ ward einem Diener übergeben, mit dem Befehl, auf der Stelle dahin zu fliegen und Antwort zu bringen. Die Antwort ließ doch eine Stunde auf ſich warten, welche für die Prinzeſſin in ſichtlicher Span¬ nung verging. Mehrmals hatte ſie ſich wieder zum Schreiben niedergeſetzt, aber Alles, was ſie angefan¬ gen, gefiel ihr nicht, ſie zerriß es wieder. „Es geht nicht ſchriftlich, ſprach ſie. Solche Botſchaft kann nur mündlich an Buxhövden gebracht werden.“ Endlich kam Wandels Antwort. Sie lautete: „„Die ehrenvolle Miſſion, welche Fürſtin Gar¬ gazin mir zugedacht, wie ſie auch laute, iſt mir der ſicherſte Beweis für das, was mein Herz mir ſagte, V. 15

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/235
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/235>, abgerufen am 24.11.2024.