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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

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leresque und von exemplarischer Conduite. Aber, offen¬
herzig, es ist mir heute doch lieb, daß er nicht bei uns
blieb. Wir wären auf manche Vorschläge eingegangen,
wir hätten vieles geändert. Vielleicht zum Guten -- wer
weiß es, wer hat die Probe gemacht! Heute gereicht
es mir nun zur Genugthuung, daß auch nichts in
unserm Armeewesen geändert ist. Wenn der große
König aus den Wolken blickte, sähe er seine Armee,
wie er sie verließ, kein Knopf an den Kamaschen
mehr oder weniger. Und so soll und wird sie Bo¬
naparte sehn. Meine Herren, Attention! Das ist
etwas, was wir nicht zu gering anschlagen dürfen.
Er muß bei dem Anblick gleichsam fühlen, daß er
mit dem Genius des vorigen Jahrhunderts sich schla¬
gen soll. Und da er ein Mann von einem gewissen
Sentiment ist, muß dies einen moralischen Eindruck
auf ihn machen. In seinem Moniteur läßt er uns
Don Quixoten nennen. Nun, wir wollen doch ab¬
warten, wer Mühlenflügel und wer Geister gesehen hat!"

Man konnte aber jetzt kaum mehr etwas sehen
und noch weniger hören. Der Staub war unerträg¬
lich geworden, zu Wolken aufwirbelnd fiel er als
trockener Regen nieder. Dazu war ein Toben, Peit¬
schengeknall, ein Gewieher der Pferde und ein Ge¬
kreisch der Troßknechte, daß die Commandoworte nicht
mehr durch das Gewirr drangen. Was halfen die
Flüche und Klingen der Officiere, die auf die Rücken
der Säumigen fuchtelten, wo Alles stockte! Drei
Batterieen hatten, nachdem die Dragonerregimenter

leresque und von exemplariſcher Conduite. Aber, offen¬
herzig, es iſt mir heute doch lieb, daß er nicht bei uns
blieb. Wir wären auf manche Vorſchläge eingegangen,
wir hätten vieles geändert. Vielleicht zum Guten — wer
weiß es, wer hat die Probe gemacht! Heute gereicht
es mir nun zur Genugthuung, daß auch nichts in
unſerm Armeeweſen geändert iſt. Wenn der große
König aus den Wolken blickte, ſähe er ſeine Armee,
wie er ſie verließ, kein Knopf an den Kamaſchen
mehr oder weniger. Und ſo ſoll und wird ſie Bo¬
naparte ſehn. Meine Herren, Attention! Das iſt
etwas, was wir nicht zu gering anſchlagen dürfen.
Er muß bei dem Anblick gleichſam fühlen, daß er
mit dem Genius des vorigen Jahrhunderts ſich ſchla¬
gen ſoll. Und da er ein Mann von einem gewiſſen
Sentiment iſt, muß dies einen moraliſchen Eindruck
auf ihn machen. In ſeinem Moniteur läßt er uns
Don Quixoten nennen. Nun, wir wollen doch ab¬
warten, wer Mühlenflügel und wer Geiſter geſehen hat!“

Man konnte aber jetzt kaum mehr etwas ſehen
und noch weniger hören. Der Staub war unerträg¬
lich geworden, zu Wolken aufwirbelnd fiel er als
trockener Regen nieder. Dazu war ein Toben, Peit¬
ſchengeknall, ein Gewieher der Pferde und ein Ge¬
kreiſch der Troßknechte, daß die Commandoworte nicht
mehr durch das Gewirr drangen. Was halfen die
Flüche und Klingen der Officiere, die auf die Rücken
der Säumigen fuchtelten, wo Alles ſtockte! Drei
Batterieen hatten, nachdem die Dragonerregimenter

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[236/0246] leresque und von exemplariſcher Conduite. Aber, offen¬ herzig, es iſt mir heute doch lieb, daß er nicht bei uns blieb. Wir wären auf manche Vorſchläge eingegangen, wir hätten vieles geändert. Vielleicht zum Guten — wer weiß es, wer hat die Probe gemacht! Heute gereicht es mir nun zur Genugthuung, daß auch nichts in unſerm Armeeweſen geändert iſt. Wenn der große König aus den Wolken blickte, ſähe er ſeine Armee, wie er ſie verließ, kein Knopf an den Kamaſchen mehr oder weniger. Und ſo ſoll und wird ſie Bo¬ naparte ſehn. Meine Herren, Attention! Das iſt etwas, was wir nicht zu gering anſchlagen dürfen. Er muß bei dem Anblick gleichſam fühlen, daß er mit dem Genius des vorigen Jahrhunderts ſich ſchla¬ gen ſoll. Und da er ein Mann von einem gewiſſen Sentiment iſt, muß dies einen moraliſchen Eindruck auf ihn machen. In ſeinem Moniteur läßt er uns Don Quixoten nennen. Nun, wir wollen doch ab¬ warten, wer Mühlenflügel und wer Geiſter geſehen hat!“ Man konnte aber jetzt kaum mehr etwas ſehen und noch weniger hören. Der Staub war unerträg¬ lich geworden, zu Wolken aufwirbelnd fiel er als trockener Regen nieder. Dazu war ein Toben, Peit¬ ſchengeknall, ein Gewieher der Pferde und ein Ge¬ kreiſch der Troßknechte, daß die Commandoworte nicht mehr durch das Gewirr drangen. Was halfen die Flüche und Klingen der Officiere, die auf die Rücken der Säumigen fuchtelten, wo Alles ſtockte! Drei Batterieen hatten, nachdem die Dragonerregimenter

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/246>, abgerufen am 17.05.2024.