auch sie sind ein falscher Trost, sie müssen erst über¬ wunden sein, bis wir schauen -- den unsichtbaren Staat, die unsichtbare Kirche, bis die unsichtbare Weltordnung so klar vor uns liegt, wie dort der ge¬ stirnte Himmel über uns. Es ist nur Stückwerk, Adelheid, wohin unser Auge dringt, aber athmet nicht Deine Brust froher auf? Die Sterne irren nicht, aber sie wandeln. Wir wandeln auch, aber wir sind glücklicher als jene, die, wenn der Wandellauf sich erfüllt, Wunder sehen, hier Abgründe, dort flammende Berge. Wir lassen uns nicht erschrecken, wir ver¬ gehen nicht in Jubel; wir wußten, es mußte so kommen, und stehen gerüstet für das, was darauf folgt. -- Es wird noch viel Schlimmes folgen, Du wirst gerüstet sein, Du wirst ihm klar in's Auge blicken."
"Lebe wohl, Walter!" wiederholte sie und drückte, sich auf den Zehen hebend, einen Kuß auf seine Stirn; dann schwebte sie in den Wagen, er rollte fort.
In einem andern Pavillon des Gartens war eine militairische Gesellschaft versammelt, ihr Mittel¬ punkt der General, den wir vorhin auf der Estrade sahen. Es giebt Momente, wo auch ein Feldherr genöthigt ist, ein Auge zuzudrücken. Solch ein Mo¬ ment war's, als der General es gerathen fand, das tölpelhafte Betragen der Trainknechte nicht zu sehen. Er hatte mit den Andern -- des Staubes wegen, der nichts mehr zu sehen erlaubte, den Balcon verlassen.
Jetzt nahm die Erzählung eines jungen Offi¬
auch ſie ſind ein falſcher Troſt, ſie müſſen erſt über¬ wunden ſein, bis wir ſchauen — den unſichtbaren Staat, die unſichtbare Kirche, bis die unſichtbare Weltordnung ſo klar vor uns liegt, wie dort der ge¬ ſtirnte Himmel über uns. Es iſt nur Stückwerk, Adelheid, wohin unſer Auge dringt, aber athmet nicht Deine Bruſt froher auf? Die Sterne irren nicht, aber ſie wandeln. Wir wandeln auch, aber wir ſind glücklicher als jene, die, wenn der Wandellauf ſich erfüllt, Wunder ſehen, hier Abgründe, dort flammende Berge. Wir laſſen uns nicht erſchrecken, wir ver¬ gehen nicht in Jubel; wir wußten, es mußte ſo kommen, und ſtehen gerüſtet für das, was darauf folgt. — Es wird noch viel Schlimmes folgen, Du wirſt gerüſtet ſein, Du wirſt ihm klar in's Auge blicken.“
„Lebe wohl, Walter!“ wiederholte ſie und drückte, ſich auf den Zehen hebend, einen Kuß auf ſeine Stirn; dann ſchwebte ſie in den Wagen, er rollte fort.
In einem andern Pavillon des Gartens war eine militairiſche Geſellſchaft verſammelt, ihr Mittel¬ punkt der General, den wir vorhin auf der Eſtrade ſahen. Es giebt Momente, wo auch ein Feldherr genöthigt iſt, ein Auge zuzudrücken. Solch ein Mo¬ ment war's, als der General es gerathen fand, das tölpelhafte Betragen der Trainknechte nicht zu ſehen. Er hatte mit den Andern — des Staubes wegen, der nichts mehr zu ſehen erlaubte, den Balcon verlaſſen.
Jetzt nahm die Erzählung eines jungen Offi¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0273"n="263"/>
auch ſie ſind ein falſcher Troſt, ſie müſſen erſt über¬<lb/>
wunden ſein, bis wir ſchauen — den unſichtbaren<lb/>
Staat, die unſichtbare Kirche, bis die unſichtbare<lb/>
Weltordnung ſo klar vor uns liegt, wie dort der ge¬<lb/>ſtirnte Himmel über uns. Es iſt nur Stückwerk,<lb/>
Adelheid, wohin unſer Auge dringt, aber athmet nicht<lb/>
Deine Bruſt froher auf? Die Sterne irren nicht,<lb/>
aber ſie wandeln. Wir wandeln auch, aber wir ſind<lb/>
glücklicher als jene, die, wenn der Wandellauf ſich<lb/>
erfüllt, Wunder ſehen, hier Abgründe, dort flammende<lb/>
Berge. Wir laſſen uns nicht erſchrecken, wir ver¬<lb/>
gehen nicht in Jubel; wir wußten, es mußte ſo<lb/>
kommen, und ſtehen gerüſtet für das, was darauf<lb/>
folgt. — Es wird noch viel Schlimmes folgen,<lb/>
Du wirſt gerüſtet ſein, Du wirſt ihm klar in's Auge<lb/>
blicken.“</p><lb/><p>„Lebe wohl, Walter!“ wiederholte ſie und drückte,<lb/>ſich auf den Zehen hebend, einen Kuß auf ſeine<lb/>
Stirn; dann ſchwebte ſie in den Wagen, er rollte fort.</p><lb/><p>In einem andern Pavillon des Gartens war<lb/>
eine militairiſche Geſellſchaft verſammelt, ihr Mittel¬<lb/>
punkt der General, den wir vorhin auf der Eſtrade<lb/>ſahen. Es giebt Momente, wo auch ein Feldherr<lb/>
genöthigt iſt, ein Auge zuzudrücken. Solch ein Mo¬<lb/>
ment war's, als der General es gerathen fand, das<lb/>
tölpelhafte Betragen der Trainknechte nicht zu ſehen.<lb/>
Er hatte mit den Andern — des Staubes wegen, der<lb/>
nichts mehr zu ſehen erlaubte, den Balcon verlaſſen.</p><lb/><p>Jetzt nahm die Erzählung eines jungen Offi¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[263/0273]
auch ſie ſind ein falſcher Troſt, ſie müſſen erſt über¬
wunden ſein, bis wir ſchauen — den unſichtbaren
Staat, die unſichtbare Kirche, bis die unſichtbare
Weltordnung ſo klar vor uns liegt, wie dort der ge¬
ſtirnte Himmel über uns. Es iſt nur Stückwerk,
Adelheid, wohin unſer Auge dringt, aber athmet nicht
Deine Bruſt froher auf? Die Sterne irren nicht,
aber ſie wandeln. Wir wandeln auch, aber wir ſind
glücklicher als jene, die, wenn der Wandellauf ſich
erfüllt, Wunder ſehen, hier Abgründe, dort flammende
Berge. Wir laſſen uns nicht erſchrecken, wir ver¬
gehen nicht in Jubel; wir wußten, es mußte ſo
kommen, und ſtehen gerüſtet für das, was darauf
folgt. — Es wird noch viel Schlimmes folgen,
Du wirſt gerüſtet ſein, Du wirſt ihm klar in's Auge
blicken.“
„Lebe wohl, Walter!“ wiederholte ſie und drückte,
ſich auf den Zehen hebend, einen Kuß auf ſeine
Stirn; dann ſchwebte ſie in den Wagen, er rollte fort.
In einem andern Pavillon des Gartens war
eine militairiſche Geſellſchaft verſammelt, ihr Mittel¬
punkt der General, den wir vorhin auf der Eſtrade
ſahen. Es giebt Momente, wo auch ein Feldherr
genöthigt iſt, ein Auge zuzudrücken. Solch ein Mo¬
ment war's, als der General es gerathen fand, das
tölpelhafte Betragen der Trainknechte nicht zu ſehen.
Er hatte mit den Andern — des Staubes wegen, der
nichts mehr zu ſehen erlaubte, den Balcon verlaſſen.
Jetzt nahm die Erzählung eines jungen Offi¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/273>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.