Meinung der Welt zu stürzen, um sie in sicherer Ab¬ hängigkeit von sich zu erhalten, das ist nicht das Krite¬ rium einer großen Seele, nicht Heroendrang, kein pro¬ metheischer Funke, es ist nur der Abglanz der ewigen Gemeinheit, an der die Menschheit krank ist -- todt¬ krank -- und diese Krankheit grassirt -- furchtbar --"
"Was thut's! warf der Franzos ein. Die Welt will er besser machen, mit den Menschen überläßt er die Prozedur den Thoren."
"Und wie kann sie besser werden, wenn die Menschen den Bodensatz, die Schlacken nicht von sich werfen? Der edle Prinz, den ich bei Saalfeld stür¬ zen sah, war ein Bewunderer Ihres Kaisers. Einst rief er aus: ""Ich erlaube ihm ja, uns zu vernich¬ ten, aber moralisch zu meuchelmorden, das empört.""
"Eine seltsame Conversation, Kamerad! Der zum Tode Verurtheilte richtet seinen Richter. Ich hätte gewünscht, daß Sie heute wenigstens noch sein Bewunderer wären, daß man ihn drauf aufmerksam machen könnte --"
"Und daß er vor der Schlacht einen Komödien¬ akt spielen, großmüthig mit einer Tirade aus Ra¬ cine oder Corneille mich begnadigen könnte!"
"Was kümmerte Sie die Posse, wenn sie den ernsten Schluß hätte, daß Sie mit dem Leben davon kämen, vielleicht gar mit der Freiheit. Nachher könnten Sie darüber lachen, so viel Sie wollten. -- Nun, im Ernst gesprochen -- man weiß in seiner Suite, wer Sie sind --"
Meinung der Welt zu ſtürzen, um ſie in ſicherer Ab¬ hängigkeit von ſich zu erhalten, das iſt nicht das Krite¬ rium einer großen Seele, nicht Heroendrang, kein pro¬ metheiſcher Funke, es iſt nur der Abglanz der ewigen Gemeinheit, an der die Menſchheit krank iſt — todt¬ krank — und dieſe Krankheit graſſirt — furchtbar —“
„Was thut's! warf der Franzos ein. Die Welt will er beſſer machen, mit den Menſchen überläßt er die Prozedur den Thoren.“
„Und wie kann ſie beſſer werden, wenn die Menſchen den Bodenſatz, die Schlacken nicht von ſich werfen? Der edle Prinz, den ich bei Saalfeld ſtür¬ zen ſah, war ein Bewunderer Ihres Kaiſers. Einſt rief er aus: „„Ich erlaube ihm ja, uns zu vernich¬ ten, aber moraliſch zu meuchelmorden, das empört.““
„Eine ſeltſame Converſation, Kamerad! Der zum Tode Verurtheilte richtet ſeinen Richter. Ich hätte gewünſcht, daß Sie heute wenigſtens noch ſein Bewunderer wären, daß man ihn drauf aufmerkſam machen könnte —“
„Und daß er vor der Schlacht einen Komödien¬ akt ſpielen, großmüthig mit einer Tirade aus Ra¬ cine oder Corneille mich begnadigen könnte!“
„Was kümmerte Sie die Poſſe, wenn ſie den ernſten Schluß hätte, daß Sie mit dem Leben davon kämen, vielleicht gar mit der Freiheit. Nachher könnten Sie darüber lachen, ſo viel Sie wollten. — Nun, im Ernſt geſprochen — man weiß in ſeiner Suite, wer Sie ſind —“
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Meinung der Welt zu ſtürzen, um ſie in ſicherer Ab¬
hängigkeit von ſich zu erhalten, das iſt nicht das Krite¬
rium einer großen Seele, nicht Heroendrang, kein pro¬
metheiſcher Funke, es iſt nur der Abglanz der ewigen
Gemeinheit, an der die Menſchheit krank iſt — todt¬
krank — und dieſe Krankheit graſſirt — furchtbar —“
„Was thut's! warf der Franzos ein. Die Welt
will er beſſer machen, mit den Menſchen überläßt er
die Prozedur den Thoren.“
„Und wie kann ſie beſſer werden, wenn die
Menſchen den Bodenſatz, die Schlacken nicht von ſich
werfen? Der edle Prinz, den ich bei Saalfeld ſtür¬
zen ſah, war ein Bewunderer Ihres Kaiſers. Einſt
rief er aus: „„Ich erlaube ihm ja, uns zu vernich¬
ten, aber moraliſch zu meuchelmorden, das empört.““
„Eine ſeltſame Converſation, Kamerad! Der
zum Tode Verurtheilte richtet ſeinen Richter. Ich
hätte gewünſcht, daß Sie heute wenigſtens noch ſein
Bewunderer wären, daß man ihn drauf aufmerkſam
machen könnte —“
„Und daß er vor der Schlacht einen Komödien¬
akt ſpielen, großmüthig mit einer Tirade aus Ra¬
cine oder Corneille mich begnadigen könnte!“
„Was kümmerte Sie die Poſſe, wenn ſie den
ernſten Schluß hätte, daß Sie mit dem Leben davon
kämen, vielleicht gar mit der Freiheit. Nachher
könnten Sie darüber lachen, ſo viel Sie wollten. —
Nun, im Ernſt geſprochen — man weiß in ſeiner
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/291>, abgerufen am 23.11.2024.
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