"Nicht eben. Er steckt ja fast immer bei der Braunbiegler. Auch mit dem Baron Eitelbach hat er viel zu schaffen. Der mag ihn nicht; aber er läßt ihn nicht los. Besonders wenn er in der Fa¬ brik ist, da spricht er in allen Dingen mit. Der Baron sagte: "wenn er mal in den Farbekessel fiele, dann wäre auch nichts verdorben, als die Farbe."
"Eckard!" Der Rath zog ihn in den Winkel, als könnte die Luft hören, was er ihm zu sagen hatte. Er schloß: "Von jetzt ab vigiliren Sie auf ihn, Schritt und Tritt. Sie lassen ihn keinen Moment aus dem Auge, wo er hingeht, an wen er Briefe abschickt, von wo er Briefe empfängt, und wo möglich sehn Sie durch seine Wände. Ist denn durch seine Diener¬ schaft nichts zu ermitteln?"
"Er wechselt oft die Bedienten und sie kommen nie weiter als in seine Wohnzimmer. Die Mädchen im Hause sagen, in der Küche müsse 's wie im Schweine¬ stall aussehen, er läßt keinen Besen rein."
"Was lächeln Sie?"
"Die Mädchen meinen, wenn eine Hintertreppe wäre, so begriffen sie's."
"So fährt der Spiritus familiaris wohl durch den Schlott! sprach Fuchsius für sich. Seltsam, auch er wie sie nachweislich ohne nähern Umgang, ohne einen Vertrauten, ein isolirtes Ungeheuer, das, wie der Schwamm, aus der Luft den Athem saugt."
"Es war schon Einer mal drin, setzte Eckard im Fortgehen hinzu, der sagt aber nichts."
V 21
„Nicht eben. Er ſteckt ja faſt immer bei der Braunbiegler. Auch mit dem Baron Eitelbach hat er viel zu ſchaffen. Der mag ihn nicht; aber er läßt ihn nicht los. Beſonders wenn er in der Fa¬ brik iſt, da ſpricht er in allen Dingen mit. Der Baron ſagte: „wenn er mal in den Farbekeſſel fiele, dann wäre auch nichts verdorben, als die Farbe.“
„Eckard!“ Der Rath zog ihn in den Winkel, als könnte die Luft hören, was er ihm zu ſagen hatte. Er ſchloß: „Von jetzt ab vigiliren Sie auf ihn, Schritt und Tritt. Sie laſſen ihn keinen Moment aus dem Auge, wo er hingeht, an wen er Briefe abſchickt, von wo er Briefe empfängt, und wo möglich ſehn Sie durch ſeine Wände. Iſt denn durch ſeine Diener¬ ſchaft nichts zu ermitteln?“
„Er wechſelt oft die Bedienten und ſie kommen nie weiter als in ſeine Wohnzimmer. Die Mädchen im Hauſe ſagen, in der Küche müſſe 's wie im Schweine¬ ſtall ausſehen, er läßt keinen Beſen rein.“
„Was lächeln Sie?“
„Die Mädchen meinen, wenn eine Hintertreppe wäre, ſo begriffen ſie's.“
„So fährt der Spiritus familiaris wohl durch den Schlott! ſprach Fuchſius für ſich. Seltſam, auch er wie ſie nachweislich ohne nähern Umgang, ohne einen Vertrauten, ein iſolirtes Ungeheuer, das, wie der Schwamm, aus der Luft den Athem ſaugt.“
„Es war ſchon Einer mal drin, ſetzte Eckard im Fortgehen hinzu, der ſagt aber nichts.“
V 21
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„Nicht eben. Er ſteckt ja faſt immer bei der
Braunbiegler. Auch mit dem Baron Eitelbach hat
er viel zu ſchaffen. Der mag ihn nicht; aber er
läßt ihn nicht los. Beſonders wenn er in der Fa¬
brik iſt, da ſpricht er in allen Dingen mit. Der
Baron ſagte: „wenn er mal in den Farbekeſſel fiele,
dann wäre auch nichts verdorben, als die Farbe.“
„Eckard!“ Der Rath zog ihn in den Winkel,
als könnte die Luft hören, was er ihm zu ſagen hatte.
Er ſchloß: „Von jetzt ab vigiliren Sie auf ihn, Schritt
und Tritt. Sie laſſen ihn keinen Moment aus dem
Auge, wo er hingeht, an wen er Briefe abſchickt,
von wo er Briefe empfängt, und wo möglich ſehn
Sie durch ſeine Wände. Iſt denn durch ſeine Diener¬
ſchaft nichts zu ermitteln?“
„Er wechſelt oft die Bedienten und ſie kommen
nie weiter als in ſeine Wohnzimmer. Die Mädchen
im Hauſe ſagen, in der Küche müſſe 's wie im Schweine¬
ſtall ausſehen, er läßt keinen Beſen rein.“
„Was lächeln Sie?“
„Die Mädchen meinen, wenn eine Hintertreppe
wäre, ſo begriffen ſie's.“
„So fährt der Spiritus familiaris wohl durch den
Schlott! ſprach Fuchſius für ſich. Seltſam, auch er
wie ſie nachweislich ohne nähern Umgang, ohne einen
Vertrauten, ein iſolirtes Ungeheuer, das, wie der
Schwamm, aus der Luft den Athem ſaugt.“
„Es war ſchon Einer mal drin, ſetzte Eckard im
Fortgehen hinzu, der ſagt aber nichts.“
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/331>, abgerufen am 22.11.2024.
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