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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

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"Wer?"

"Der alte van Asten."

"Wie kam der hinein?"

"Sie sagen, er hätte die Thür aufgelassen.
Seitdem läßt er die Thür nicht mehr auf."

"Haben Sie Verdacht gegen den alten van Asten?"

Der junge Vigilant schüttelte den Kopf: "Wenn
er auch die tausend Stückfässer in Stettin auf den
Buckel laden könnte, wo sollte er damit hin? Er ist
ein ruinirter Mann, rein in Rothwein. Durch 'nen
Pfuschmakler hat er schon unter der Hand zum hal¬
ben Preis ausgeboten. Wer will's jetzt! Gewinnen
die Franzosen, so trinken die's aus und zahlen nicht,
gewinnen wir, so finden Unsre über'm Rhein den
Wein wohlfeiler. Vielleicht, setzte er mit schlauer
Miene hinzu, soll ihm der Herr von Wandel den
Medoc in was Andres verwandeln, was Käufer fin¬
det. Er ist ja ein Tausendkünstler."

"Vigiliren Sie!" schloß der Rath die Unter¬
redung.

Ja, wenn die Wände, die des Legationsraths
Wohnung umschlossen, vor ihm niedergefallen wären,
und er hätte einen Blick frei gehabt!

Auch der Legationsrath konnte in der Nacht
nicht schlafen, auch er hörte den Kanonendonner,
auch unter ihm zitterte das Bette, der Himmel leuch¬
tete, er sah die Bataillelinien hin und her schwanken
und war aufgesprungen, um Herr zu werden seiner
Sinne.

„Wer?“

„Der alte van Aſten.“

„Wie kam der hinein?“

„Sie ſagen, er hätte die Thür aufgelaſſen.
Seitdem läßt er die Thür nicht mehr auf.“

„Haben Sie Verdacht gegen den alten van Aſten?“

Der junge Vigilant ſchüttelte den Kopf: „Wenn
er auch die tauſend Stückfäſſer in Stettin auf den
Buckel laden könnte, wo ſollte er damit hin? Er iſt
ein ruinirter Mann, rein in Rothwein. Durch 'nen
Pfuſchmakler hat er ſchon unter der Hand zum hal¬
ben Preis ausgeboten. Wer will's jetzt! Gewinnen
die Franzoſen, ſo trinken die's aus und zahlen nicht,
gewinnen wir, ſo finden Unſre über'm Rhein den
Wein wohlfeiler. Vielleicht, ſetzte er mit ſchlauer
Miene hinzu, ſoll ihm der Herr von Wandel den
Medoc in was Andres verwandeln, was Käufer fin¬
det. Er iſt ja ein Tauſendkünſtler.“

„Vigiliren Sie!“ ſchloß der Rath die Unter¬
redung.

Ja, wenn die Wände, die des Legationsraths
Wohnung umſchloſſen, vor ihm niedergefallen wären,
und er hätte einen Blick frei gehabt!

Auch der Legationsrath konnte in der Nacht
nicht ſchlafen, auch er hörte den Kanonendonner,
auch unter ihm zitterte das Bette, der Himmel leuch¬
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[322/0332] „Wer?“ „Der alte van Aſten.“ „Wie kam der hinein?“ „Sie ſagen, er hätte die Thür aufgelaſſen. Seitdem läßt er die Thür nicht mehr auf.“ „Haben Sie Verdacht gegen den alten van Aſten?“ Der junge Vigilant ſchüttelte den Kopf: „Wenn er auch die tauſend Stückfäſſer in Stettin auf den Buckel laden könnte, wo ſollte er damit hin? Er iſt ein ruinirter Mann, rein in Rothwein. Durch 'nen Pfuſchmakler hat er ſchon unter der Hand zum hal¬ ben Preis ausgeboten. Wer will's jetzt! Gewinnen die Franzoſen, ſo trinken die's aus und zahlen nicht, gewinnen wir, ſo finden Unſre über'm Rhein den Wein wohlfeiler. Vielleicht, ſetzte er mit ſchlauer Miene hinzu, ſoll ihm der Herr von Wandel den Medoc in was Andres verwandeln, was Käufer fin¬ det. Er iſt ja ein Tauſendkünſtler.“ „Vigiliren Sie!“ ſchloß der Rath die Unter¬ redung. Ja, wenn die Wände, die des Legationsraths Wohnung umſchloſſen, vor ihm niedergefallen wären, und er hätte einen Blick frei gehabt! Auch der Legationsrath konnte in der Nacht nicht ſchlafen, auch er hörte den Kanonendonner, auch unter ihm zitterte das Bette, der Himmel leuch¬ tete, er ſah die Bataillelinien hin und her ſchwanken und war aufgeſprungen, um Herr zu werden ſeiner Sinne.

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/332>, abgerufen am 21.11.2024.