klärung. Wahrscheinlich war das Obst unreif, oder der Legationsrath hielt es dafür. Er hatte schon an mehren Orten von der unverzeihlichen Nachlässigkeit der Polizei gesprochen, daß sie solchen Verkauf zu¬ lasse, wo die Ruhr in der Stadt grassire; man wisse ja nicht, was noch daraus entstehe.
"Ihre Intention in Ehren, sagte Jemand zu dem Zurückkehrenden, in dieser allgemeinen Calami¬ tät ist es aber nicht recht, Anlaß zum Scandal zu geben. Das Volk ist ohnedem aufsässig."
"Und was helfen zwei Körbe weniger!"
"Sie haben vollkommen Recht, meine Herren, sagte Wandel, doch wer ist Herr über seine Impulse! Zudem sehe ich ein Gespenst, welches mir fürchterli¬ cher dünkt als alle Kriegscalamitäten, die uns noch drohen mögen."
Man sah ihn verwundert an, auch auf die Sonne, die eben hell durch die Nebel brach, eine Scenerie, die gar nicht zu Gespenstererscheinungen paßte. Aber Wandels Gesicht hatte den Ausdruck:
"Wissen Sie, meine Herren, welches Unglück uns droht? Noch ist es nicht hier, aber es wogt aus dem fernen Asien herüber, eine Pest, gegen die der schwarze Tod, das gelbe Fieber, und was sonst den Namen führte, unbedeutend erscheinen werden. Eine Krankheit, die ganze Ortschaften, Landstriche hinrafft, entwickelt sich in dem brittischen Indien. Die englischen Aerzte geben entsetzliche Schilderun¬ gen und behaupten, daß sie ihren Siegerzug durch
klärung. Wahrſcheinlich war das Obſt unreif, oder der Legationsrath hielt es dafür. Er hatte ſchon an mehren Orten von der unverzeihlichen Nachläſſigkeit der Polizei geſprochen, daß ſie ſolchen Verkauf zu¬ laſſe, wo die Ruhr in der Stadt graſſire; man wiſſe ja nicht, was noch daraus entſtehe.
„Ihre Intention in Ehren, ſagte Jemand zu dem Zurückkehrenden, in dieſer allgemeinen Calami¬ tät iſt es aber nicht recht, Anlaß zum Scandal zu geben. Das Volk iſt ohnedem aufſäſſig.“
„Und was helfen zwei Körbe weniger!“
„Sie haben vollkommen Recht, meine Herren, ſagte Wandel, doch wer iſt Herr über ſeine Impulſe! Zudem ſehe ich ein Geſpenſt, welches mir fürchterli¬ cher dünkt als alle Kriegscalamitäten, die uns noch drohen mögen.“
Man ſah ihn verwundert an, auch auf die Sonne, die eben hell durch die Nebel brach, eine Scenerie, die gar nicht zu Geſpenſtererſcheinungen paßte. Aber Wandels Geſicht hatte den Ausdruck:
„Wiſſen Sie, meine Herren, welches Unglück uns droht? Noch iſt es nicht hier, aber es wogt aus dem fernen Aſien herüber, eine Peſt, gegen die der ſchwarze Tod, das gelbe Fieber, und was ſonſt den Namen führte, unbedeutend erſcheinen werden. Eine Krankheit, die ganze Ortſchaften, Landſtriche hinrafft, entwickelt ſich in dem brittiſchen Indien. Die engliſchen Aerzte geben entſetzliche Schilderun¬ gen und behaupten, daß ſie ihren Siegerzug durch
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klärung. Wahrſcheinlich war das Obſt unreif, oder
der Legationsrath hielt es dafür. Er hatte ſchon an
mehren Orten von der unverzeihlichen Nachläſſigkeit
der Polizei geſprochen, daß ſie ſolchen Verkauf zu¬
laſſe, wo die Ruhr in der Stadt graſſire; man wiſſe
ja nicht, was noch daraus entſtehe.
„Ihre Intention in Ehren, ſagte Jemand zu
dem Zurückkehrenden, in dieſer allgemeinen Calami¬
tät iſt es aber nicht recht, Anlaß zum Scandal zu
geben. Das Volk iſt ohnedem aufſäſſig.“
„Und was helfen zwei Körbe weniger!“
„Sie haben vollkommen Recht, meine Herren,
ſagte Wandel, doch wer iſt Herr über ſeine Impulſe!
Zudem ſehe ich ein Geſpenſt, welches mir fürchterli¬
cher dünkt als alle Kriegscalamitäten, die uns noch
drohen mögen.“
Man ſah ihn verwundert an, auch auf die
Sonne, die eben hell durch die Nebel brach, eine
Scenerie, die gar nicht zu Geſpenſtererſcheinungen
paßte. Aber Wandels Geſicht hatte den Ausdruck:
„Wiſſen Sie, meine Herren, welches Unglück
uns droht? Noch iſt es nicht hier, aber es wogt
aus dem fernen Aſien herüber, eine Peſt, gegen die
der ſchwarze Tod, das gelbe Fieber, und was ſonſt
den Namen führte, unbedeutend erſcheinen werden.
Eine Krankheit, die ganze Ortſchaften, Landſtriche
hinrafft, entwickelt ſich in dem brittiſchen Indien.
Die engliſchen Aerzte geben entſetzliche Schilderun¬
gen und behaupten, daß ſie ihren Siegerzug durch
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/340>, abgerufen am 22.11.2024.
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