drückte: "Sie sind ein Mann. Er zog ihn etwas bei Seite. Und sie ist eine Frau, die durch Leiden geadelt wird. Ich bin überzeugt, daß dies Unglück den wahren Bund Ihrer Seelen nur fester schlingen wird. Es ist schön, es ist edel -- ich sage nicht groß von Ihnen, daß Sie ihre Empfindungen durch solche Theilnahme ehren." --
"Gehn Sie doch zu ihr, Legationsrath, trösten Sie sie. Sie hört Sie so gern plaudern."
Ein zweiter Händedruck: "Erlassen Sie mir das. Sie werden selbst den besten Trost wissen."
Als noch Jemand an die Gruppe getreten, war der Legationsrath plötzlich fortgesprungen. Fuchsius sah ihm verwundert nach, aber noch verwunderter sah er dem zu, was Wandel begann. Er unterhan¬ delte mit einer Obsthökerin. Er zog die Börse und schien eine ansehnliche Summe ihr in die Hand zu drücken. Dann nahm er plötzlich die Körbe mit Birnen und Pflaumen, den ganzen Vorrath der Händ¬ lerin, und warf ihn in einen der tiefen Rinnsteine, die den ganzen schwimmenden Vorrath alsbald in ein Abzugsloch trieben. Die Straßenjugend jubelte, Andre jubelten nicht, sie schimpften auf den vorneh¬ men Herrn, der so mit Gottes Gabe umgehe; statt armen Leuten sie zu schenken, verderbe er sie. Es gab einen kleinen Auflauf, aus welchem Wandel sich nur mit einiger Mühe losmachte.
Die Herren in der Gruppe hatten zwar mit Verwunderung zugesehen, doch ahnten sie die Auf¬
drückte: „Sie ſind ein Mann. Er zog ihn etwas bei Seite. Und ſie iſt eine Frau, die durch Leiden geadelt wird. Ich bin überzeugt, daß dies Unglück den wahren Bund Ihrer Seelen nur feſter ſchlingen wird. Es iſt ſchön, es iſt edel — ich ſage nicht groß von Ihnen, daß Sie ihre Empfindungen durch ſolche Theilnahme ehren.“ —
„Gehn Sie doch zu ihr, Legationsrath, tröſten Sie ſie. Sie hört Sie ſo gern plaudern.“
Ein zweiter Händedruck: „Erlaſſen Sie mir das. Sie werden ſelbſt den beſten Troſt wiſſen.“
Als noch Jemand an die Gruppe getreten, war der Legationsrath plötzlich fortgeſprungen. Fuchſius ſah ihm verwundert nach, aber noch verwunderter ſah er dem zu, was Wandel begann. Er unterhan¬ delte mit einer Obſthökerin. Er zog die Börſe und ſchien eine anſehnliche Summe ihr in die Hand zu drücken. Dann nahm er plötzlich die Körbe mit Birnen und Pflaumen, den ganzen Vorrath der Händ¬ lerin, und warf ihn in einen der tiefen Rinnſteine, die den ganzen ſchwimmenden Vorrath alsbald in ein Abzugsloch trieben. Die Straßenjugend jubelte, Andre jubelten nicht, ſie ſchimpften auf den vorneh¬ men Herrn, der ſo mit Gottes Gabe umgehe; ſtatt armen Leuten ſie zu ſchenken, verderbe er ſie. Es gab einen kleinen Auflauf, aus welchem Wandel ſich nur mit einiger Mühe losmachte.
Die Herren in der Gruppe hatten zwar mit Verwunderung zugeſehen, doch ahnten ſie die Auf¬
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drückte: „Sie ſind ein Mann. Er zog ihn etwas
bei Seite. Und ſie iſt eine Frau, die durch Leiden
geadelt wird. Ich bin überzeugt, daß dies Unglück
den wahren Bund Ihrer Seelen nur feſter ſchlingen
wird. Es iſt ſchön, es iſt edel — ich ſage nicht groß
von Ihnen, daß Sie ihre Empfindungen durch ſolche
Theilnahme ehren.“ —
„Gehn Sie doch zu ihr, Legationsrath, tröſten
Sie ſie. Sie hört Sie ſo gern plaudern.“
Ein zweiter Händedruck: „Erlaſſen Sie mir
das. Sie werden ſelbſt den beſten Troſt wiſſen.“
Als noch Jemand an die Gruppe getreten, war
der Legationsrath plötzlich fortgeſprungen. Fuchſius
ſah ihm verwundert nach, aber noch verwunderter
ſah er dem zu, was Wandel begann. Er unterhan¬
delte mit einer Obſthökerin. Er zog die Börſe und
ſchien eine anſehnliche Summe ihr in die Hand zu
drücken. Dann nahm er plötzlich die Körbe mit
Birnen und Pflaumen, den ganzen Vorrath der Händ¬
lerin, und warf ihn in einen der tiefen Rinnſteine,
die den ganzen ſchwimmenden Vorrath alsbald in
ein Abzugsloch trieben. Die Straßenjugend jubelte,
Andre jubelten nicht, ſie ſchimpften auf den vorneh¬
men Herrn, der ſo mit Gottes Gabe umgehe; ſtatt
armen Leuten ſie zu ſchenken, verderbe er ſie. Es
gab einen kleinen Auflauf, aus welchem Wandel ſich
nur mit einiger Mühe losmachte.
Die Herren in der Gruppe hatten zwar mit
Verwunderung zugeſehen, doch ahnten ſie die Auf¬
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/339>, abgerufen am 22.11.2024.
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