risäer. Werfen sich in die Brust, denn was sie vor sich sehen, ist ja ein treuer Diener ihres Königs. Das ist der rechte bequeme Bettelmantel für diese Menschen. Wenn sie etwas Dummes und Schlech¬ tes gemacht, was sie vor Gott und Menschen und sich selbst nicht rechtfertigen können, haben sie es nur als treue Diener ihres Herrn gethan. Alles für ihren König! Mag Land und Volk darüber untergehen, wenn sie nur hinter der Decke der treuen Dienerschaft salvirt sind. Scham in diesen Laquaienseelen! Die sich nicht schämen, ihre eigenen Fehler und Sünden dem aufzupacken, als dessen Götzendiener sie sich an¬ stellen! Der, den sie als das strahlende Abbild gött¬ licher Majestät anpreisen, als Kratzbürste zu brauchen, an der ihr Schmutz kleben bleibt! -- O dies Gezücht schämt sich auch nicht, wenn es umschlägt, die Achseln zu zücken und mit den Augen zu zwin¬ kern: Er wollte ja nicht anders, wir konnten nichts thun! Wer seine eigene Menschenwürde opfert, dem ist nichts heilig, er opfert Alles, zuletzt den Götzen selbst, wenn ein mächtigerer da ist."
Walter sagte nach einer Pause: "Sind Eure Excellenz überzeugt, daß Haugwitz auf seiner Reise ohne Instructionen gehandelt hat?"
Der Minister faßte leicht seinen Rockzipfel: "Ein König, mein Lieber, ist ein Mensch, und ein Mensch noch nicht ein Chamäleon, wenn die Meinungen in ihm schwanken. Die Friedrich und Joseph, die Lud¬ wig und Karle der Vorzeit sind Ausnahmen. Die
riſäer. Werfen ſich in die Bruſt, denn was ſie vor ſich ſehen, iſt ja ein treuer Diener ihres Königs. Das iſt der rechte bequeme Bettelmantel für dieſe Menſchen. Wenn ſie etwas Dummes und Schlech¬ tes gemacht, was ſie vor Gott und Menſchen und ſich ſelbſt nicht rechtfertigen können, haben ſie es nur als treue Diener ihres Herrn gethan. Alles für ihren König! Mag Land und Volk darüber untergehen, wenn ſie nur hinter der Decke der treuen Dienerſchaft ſalvirt ſind. Scham in dieſen Laquaienſeelen! Die ſich nicht ſchämen, ihre eigenen Fehler und Sünden dem aufzupacken, als deſſen Götzendiener ſie ſich an¬ ſtellen! Der, den ſie als das ſtrahlende Abbild gött¬ licher Majeſtät anpreiſen, als Kratzbürſte zu brauchen, an der ihr Schmutz kleben bleibt! — O dies Gezücht ſchämt ſich auch nicht, wenn es umſchlägt, die Achſeln zu zücken und mit den Augen zu zwin¬ kern: Er wollte ja nicht anders, wir konnten nichts thun! Wer ſeine eigene Menſchenwürde opfert, dem iſt nichts heilig, er opfert Alles, zuletzt den Götzen ſelbſt, wenn ein mächtigerer da iſt.“
Walter ſagte nach einer Pauſe: „Sind Eure Excellenz überzeugt, daß Haugwitz auf ſeiner Reiſe ohne Inſtructionen gehandelt hat?“
Der Miniſter faßte leicht ſeinen Rockzipfel: „Ein König, mein Lieber, iſt ein Menſch, und ein Menſch noch nicht ein Chamäleon, wenn die Meinungen in ihm ſchwanken. Die Friedrich und Joſeph, die Lud¬ wig und Karle der Vorzeit ſind Ausnahmen. Die
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riſäer. Werfen ſich in die Bruſt, denn was ſie vor
ſich ſehen, iſt ja ein treuer Diener ihres Königs.
Das iſt der rechte bequeme Bettelmantel für dieſe
Menſchen. Wenn ſie etwas Dummes und Schlech¬
tes gemacht, was ſie vor Gott und Menſchen und
ſich ſelbſt nicht rechtfertigen können, haben ſie es nur
als treue Diener ihres Herrn gethan. Alles für ihren
König! Mag Land und Volk darüber untergehen,
wenn ſie nur hinter der Decke der treuen Dienerſchaft
ſalvirt ſind. Scham in dieſen Laquaienſeelen! Die
ſich nicht ſchämen, ihre eigenen Fehler und Sünden
dem aufzupacken, als deſſen Götzendiener ſie ſich an¬
ſtellen! Der, den ſie als das ſtrahlende Abbild gött¬
licher Majeſtät anpreiſen, als Kratzbürſte zu brauchen,
an der ihr Schmutz kleben bleibt! — O dies
Gezücht ſchämt ſich auch nicht, wenn es umſchlägt,
die Achſeln zu zücken und mit den Augen zu zwin¬
kern: Er wollte ja nicht anders, wir konnten nichts
thun! Wer ſeine eigene Menſchenwürde opfert, dem
iſt nichts heilig, er opfert Alles, zuletzt den Götzen
ſelbſt, wenn ein mächtigerer da iſt.“
Walter ſagte nach einer Pauſe: „Sind Eure
Excellenz überzeugt, daß Haugwitz auf ſeiner Reiſe
ohne Inſtructionen gehandelt hat?“
Der Miniſter faßte leicht ſeinen Rockzipfel: „Ein
König, mein Lieber, iſt ein Menſch, und ein Menſch
noch nicht ein Chamäleon, wenn die Meinungen in
ihm ſchwanken. Die Friedrich und Joſeph, die Lud¬
wig und Karle der Vorzeit ſind Ausnahmen. Die
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/58>, abgerufen am 23.11.2024.
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