müther in frivole Ruhe, in läppischen Dünkel auf die Thaten ihrer Väter eingewiegt hat, wenn da diese Mächte wieder ihre Netze spinnen! -- Nun, junger Freund, denken Sie sich dann diese von heut, so gedankenlos wirthschaftend mit dem Gut des Va¬ terlandes, so die Traditionen vergeudend, den Staat von Ehr und Ansehen, durch Jahrhunderte von den großen Hohenzollern gesammelt, großsprecherisch und kleinkrämerisch, mit einem Fassungsvermögen, das nicht über heut hinausgeht, und denken Sie diese Verwalter noch den Mantel der Tugend und Reli¬ giosität sich umhängend, und dann fragen Sie sich selbst, ob es nicht noch schlimmer werden kann, als es ist?"
"Es ist Geisterstunde!"
"Und Sie meinen, ich sähe Gespenster. Möglich. Aber Rom vergißt nie die Fesseln, die es der Welt geschmiedet, und zweimal wurden sie von Deutschland aus gebrochen. Auf dieser Sandscholle ruht eine wunderbare Mission -- Genug davon! -- Wenn ich ihn weniger haßte, ich könnte ihn lieben, diesen Na¬ poleon. Ein fürchterlicher Arzt, treibt er die Krank¬ heit mit Skorpionengeißeln zur Krisis -- Aber was dann kommt -- die Genesung, wie sie ausschlägt --!"
""Man muß auf die großen Beispiele der Ge¬ schichte zurückblicken, und Vertrauen auf die Vor¬ sehung haben,"" schrieben Excellenz neulich an den Freiherrn von Vincke."
"Was hielte uns sonst aufrecht! -- Aber diese
müther in frivole Ruhe, in läppiſchen Dünkel auf die Thaten ihrer Väter eingewiegt hat, wenn da dieſe Mächte wieder ihre Netze ſpinnen! — Nun, junger Freund, denken Sie ſich dann dieſe von heut, ſo gedankenlos wirthſchaftend mit dem Gut des Va¬ terlandes, ſo die Traditionen vergeudend, den Staat von Ehr und Anſehen, durch Jahrhunderte von den großen Hohenzollern geſammelt, großſprecheriſch und kleinkrämeriſch, mit einem Faſſungsvermögen, das nicht über heut hinausgeht, und denken Sie dieſe Verwalter noch den Mantel der Tugend und Reli¬ gioſität ſich umhängend, und dann fragen Sie ſich ſelbſt, ob es nicht noch ſchlimmer werden kann, als es iſt?“
„Es iſt Geiſterſtunde!“
„Und Sie meinen, ich ſähe Geſpenſter. Möglich. Aber Rom vergißt nie die Feſſeln, die es der Welt geſchmiedet, und zweimal wurden ſie von Deutſchland aus gebrochen. Auf dieſer Sandſcholle ruht eine wunderbare Miſſion — Genug davon! — Wenn ich ihn weniger haßte, ich könnte ihn lieben, dieſen Na¬ poleon. Ein fürchterlicher Arzt, treibt er die Krank¬ heit mit Skorpionengeißeln zur Kriſis — Aber was dann kommt — die Geneſung, wie ſie ausſchlägt —!“
„„Man muß auf die großen Beiſpiele der Ge¬ ſchichte zurückblicken, und Vertrauen auf die Vor¬ ſehung haben,““ ſchrieben Excellenz neulich an den Freiherrn von Vincke.“
„Was hielte uns ſonſt aufrecht! — Aber dieſe
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0094"n="84"/>
müther in frivole Ruhe, in läppiſchen Dünkel auf<lb/>
die Thaten ihrer Väter eingewiegt hat, wenn da<lb/>
dieſe Mächte wieder ihre Netze ſpinnen! — Nun,<lb/>
junger Freund, denken Sie ſich dann dieſe von heut,<lb/>ſo gedankenlos wirthſchaftend mit dem Gut des Va¬<lb/>
terlandes, ſo die Traditionen vergeudend, den Staat<lb/>
von Ehr und Anſehen, durch Jahrhunderte von den<lb/>
großen Hohenzollern geſammelt, großſprecheriſch und<lb/>
kleinkrämeriſch, mit einem Faſſungsvermögen, das<lb/>
nicht über heut hinausgeht, und denken Sie dieſe<lb/>
Verwalter noch den Mantel der Tugend und Reli¬<lb/>
gioſität ſich umhängend, und dann fragen Sie ſich<lb/>ſelbſt, ob es nicht noch ſchlimmer werden kann, als<lb/>
es iſt?“</p><lb/><p>„Es iſt Geiſterſtunde!“</p><lb/><p>„Und Sie meinen, ich ſähe Geſpenſter. Möglich.<lb/>
Aber Rom vergißt nie die Feſſeln, die es der Welt<lb/>
geſchmiedet, und zweimal wurden ſie von Deutſchland<lb/>
aus gebrochen. Auf dieſer Sandſcholle ruht eine<lb/>
wunderbare Miſſion — Genug davon! — Wenn ich<lb/>
ihn weniger haßte, ich könnte ihn lieben, dieſen Na¬<lb/>
poleon. Ein fürchterlicher Arzt, treibt er die Krank¬<lb/>
heit mit Skorpionengeißeln zur Kriſis — Aber was<lb/>
dann kommt — die Geneſung, wie ſie ausſchlägt —!“</p><lb/><p>„„Man muß auf die großen Beiſpiele der Ge¬<lb/>ſchichte zurückblicken, und Vertrauen auf die Vor¬<lb/>ſehung haben,““ſchrieben Excellenz neulich an den<lb/>
Freiherrn von Vincke.“</p><lb/><p>„Was hielte uns ſonſt aufrecht! — Aber dieſe<lb/></p></div></body></text></TEI>
[84/0094]
müther in frivole Ruhe, in läppiſchen Dünkel auf
die Thaten ihrer Väter eingewiegt hat, wenn da
dieſe Mächte wieder ihre Netze ſpinnen! — Nun,
junger Freund, denken Sie ſich dann dieſe von heut,
ſo gedankenlos wirthſchaftend mit dem Gut des Va¬
terlandes, ſo die Traditionen vergeudend, den Staat
von Ehr und Anſehen, durch Jahrhunderte von den
großen Hohenzollern geſammelt, großſprecheriſch und
kleinkrämeriſch, mit einem Faſſungsvermögen, das
nicht über heut hinausgeht, und denken Sie dieſe
Verwalter noch den Mantel der Tugend und Reli¬
gioſität ſich umhängend, und dann fragen Sie ſich
ſelbſt, ob es nicht noch ſchlimmer werden kann, als
es iſt?“
„Es iſt Geiſterſtunde!“
„Und Sie meinen, ich ſähe Geſpenſter. Möglich.
Aber Rom vergißt nie die Feſſeln, die es der Welt
geſchmiedet, und zweimal wurden ſie von Deutſchland
aus gebrochen. Auf dieſer Sandſcholle ruht eine
wunderbare Miſſion — Genug davon! — Wenn ich
ihn weniger haßte, ich könnte ihn lieben, dieſen Na¬
poleon. Ein fürchterlicher Arzt, treibt er die Krank¬
heit mit Skorpionengeißeln zur Kriſis — Aber was
dann kommt — die Geneſung, wie ſie ausſchlägt —!“
„„Man muß auf die großen Beiſpiele der Ge¬
ſchichte zurückblicken, und Vertrauen auf die Vor¬
ſehung haben,““ ſchrieben Excellenz neulich an den
Freiherrn von Vincke.“
„Was hielte uns ſonſt aufrecht! — Aber dieſe
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/94>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.