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Andolt, Ernst [d. i. Bernhard Abeken]: Eine Nacht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–287. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Eines Tages, gegen Ende des Oktobers, saßen wir beim Mittagsmahle, als der Schäfer des Gutes athemlos und leichenblaß ins Zimmer stürzte.

Sie kommen! rief er zitternd, rettet euch, sie sind schon im Dorfe, rauben und morden! das Haus des Schulzen brennt lichterloh!

Wer? die Kosacken? rief der Amtmann entsetzt.

Nein, Franzosen, versetzte der Schäfer und lief aus der Stube.

Eine versprengte Schaar französischer Krieger war in das benachbarte Dorf eingebrochen; vom Fenster aus sah ich eine große Rauchwolke aus demselben aufsteigen.

Der Amtmann war aufgesprungen und in ein Nebenzimmer geeilt. Mit Hut und Stock, in der Hand einen Korb mit silbernen Löffeln, trat er wieder ein.

Lassen Sie das Vieh in den Wald treiben! Schnell! rief er dem Verwalter zu.

Ihr Uebrigen folgt mir! In den Wald!

Er eilte voraus, wir ihm nach. Ich blieb dem Fräulein, welche die meiste Ruhe zeigte und den jüngsten Sohn des Amtmanns am Arm führte, immer zur Seite.

Wir gelangten durch den Garten aus einer Hinterthür ins Freie; wir sahen von dort, wie die Plünderer bereits in das Gehöft drangen.

Sie werden Alles verbrennen! jammerte der Amtmann. Fort! fort! -- Wir eilten durch eine Wiese dem nahen Gehölze zu.

O Gott! das Bild meines Vaters! rief plötzlich Anna erbleichend und die Hand des Knaben fahren lassend, ich muß zurück. --

Unsinn! donnerte der Amtmann, ihren Arm ergreifend.

Ich bring' es Ihnen! rief ich schnell und lief nach dem Garten zurück.

Nein! nein! rief sie mir mit flehender Stimme nach; aber ich hörte nichts mehr, sprang über den Zaun und eilte durch den Garten nach dem Hause zurück;

Eines Tages, gegen Ende des Oktobers, saßen wir beim Mittagsmahle, als der Schäfer des Gutes athemlos und leichenblaß ins Zimmer stürzte.

Sie kommen! rief er zitternd, rettet euch, sie sind schon im Dorfe, rauben und morden! das Haus des Schulzen brennt lichterloh!

Wer? die Kosacken? rief der Amtmann entsetzt.

Nein, Franzosen, versetzte der Schäfer und lief aus der Stube.

Eine versprengte Schaar französischer Krieger war in das benachbarte Dorf eingebrochen; vom Fenster aus sah ich eine große Rauchwolke aus demselben aufsteigen.

Der Amtmann war aufgesprungen und in ein Nebenzimmer geeilt. Mit Hut und Stock, in der Hand einen Korb mit silbernen Löffeln, trat er wieder ein.

Lassen Sie das Vieh in den Wald treiben! Schnell! rief er dem Verwalter zu.

Ihr Uebrigen folgt mir! In den Wald!

Er eilte voraus, wir ihm nach. Ich blieb dem Fräulein, welche die meiste Ruhe zeigte und den jüngsten Sohn des Amtmanns am Arm führte, immer zur Seite.

Wir gelangten durch den Garten aus einer Hinterthür ins Freie; wir sahen von dort, wie die Plünderer bereits in das Gehöft drangen.

Sie werden Alles verbrennen! jammerte der Amtmann. Fort! fort! — Wir eilten durch eine Wiese dem nahen Gehölze zu.

O Gott! das Bild meines Vaters! rief plötzlich Anna erbleichend und die Hand des Knaben fahren lassend, ich muß zurück. —

Unsinn! donnerte der Amtmann, ihren Arm ergreifend.

Ich bring' es Ihnen! rief ich schnell und lief nach dem Garten zurück.

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Zitationshilfe: Andolt, Ernst [d. i. Bernhard Abeken]: Eine Nacht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–287. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andolt_nacht_1910/57>, abgerufen am 24.11.2024.