Andreas-Salomé, Lou: Die Erotik. In: Die Gesellschaft. Sammlung sozialpsychologischer Monographien (Hg. Martin Buber), 33. Band. Frankfurt (Main), 1910.selbsterfundenen Methoden sozusagen, dem mangelhaften Tatbestand abzuhelfen, ihn zu ergänzen suchen muß. Deshalb ist Mutterschaft ein lebenslänglicher Akt, nicht zu Ende mit der Versorgung der Brut des Tierweibchens, sondern ein Versuch, ihre Seele hinzugeben, wie sie den Körper gab. Und deshalb entwickeln sich dann von hier aus die animalen Instinkte zu noch weiterer Geistigkeit, gerade wie es in der sexuellen Liebe zwischen Mann und Weib geschieht: sie gelangen dazu, sich nicht nur selbst daran zu berauschen und zu feiern unter dem Vorwand eines andern, - des andern gleichsam als eines leibhaften Stückes von sich, - sondern in ihn, in sein Eigenleben einzugehn, als in das des wirklich "andern". Nicht um im Kinde selber physisch fortzuleben, nicht einmal mehr um es psychisch zu prägen nach dem Selbstbildnis, gibt sich die Mutter endlich dem von ihr geborenen Menschenleben hin, - sie gewinnt zuletzt jene feinste und letzte Hingebung, die sich gern davon ihrerseits beschenken, bereichern, größer machen lassen möchte. Die ihm als einer Totalität, als einer unantastbaren Ganzheit für sich, Ehre erweist, als etwas, dem man sich nicht mehr einen kann, es sei denn grade infolge der ausgesprochenen Zweiheit, d. h. auf Grund eines ganz neuartigen Bündnisses. Die Krönung der Mutterschaft vollzieht sich erst in dieser bewußten Hinausstellung des Eigensten von sich, als eines Fremden für sich; - in einer letzten schmerzhaften Freiwilligkeit, einem höchsten Selbstloswerden daran, hat sie ihre Frucht erst ganz zur Welt geboren, hat sie von ihren Zweigen sinken lassen, und darf herbsten. Allein dieser Herbst wandelt sich zum Beginn ungezählter Frühlinge für die daran erst ganz mütterlich Gewordene: sie dem Leben einend mit der Wärme dessen, der es nicht nur selbsterfundenen Methoden sozusagen, dem mangelhaften Tatbestand abzuhelfen, ihn zu ergänzen suchen muß. Deshalb ist Mutterschaft ein lebenslänglicher Akt, nicht zu Ende mit der Versorgung der Brut des Tierweibchens, sondern ein Versuch, ihre Seele hinzugeben, wie sie den Körper gab. Und deshalb entwickeln sich dann von hier aus die animalen Instinkte zu noch weiterer Geistigkeit, gerade wie es in der sexuellen Liebe zwischen Mann und Weib geschieht: sie gelangen dazu, sich nicht nur selbst daran zu berauschen und zu feiern unter dem Vorwand eines andern, – des andern gleichsam als eines leibhaften Stückes von sich, – sondern in ihn, in sein Eigenleben einzugehn, als in das des wirklich „andern“. Nicht um im Kinde selber physisch fortzuleben, nicht einmal mehr um es psychisch zu prägen nach dem Selbstbildnis, gibt sich die Mutter endlich dem von ihr geborenen Menschenleben hin, – sie gewinnt zuletzt jene feinste und letzte Hingebung, die sich gern davon ihrerseits beschenken, bereichern, größer machen lassen möchte. Die ihm als einer Totalität, als einer unantastbaren Ganzheit für sich, Ehre erweist, als etwas, dem man sich nicht mehr einen kann, es sei denn grade infolge der ausgesprochenen Zweiheit, d. h. auf Grund eines ganz neuartigen Bündnisses. Die Krönung der Mutterschaft vollzieht sich erst in dieser bewußten Hinausstellung des Eigensten von sich, als eines Fremden für sich; – in einer letzten schmerzhaften Freiwilligkeit, einem höchsten Selbstloswerden daran, hat sie ihre Frucht erst ganz zur Welt geboren, hat sie von ihren Zweigen sinken lassen, und darf herbsten. Allein dieser Herbst wandelt sich zum Beginn ungezählter Frühlinge für die daran erst ganz mütterlich Gewordene: sie dem Leben einend mit der Wärme dessen, der es nicht nur <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0043" n="43"/> selbsterfundenen Methoden sozusagen, dem mangelhaften Tatbestand abzuhelfen, ihn zu ergänzen suchen muß.</p> <p>Deshalb ist Mutterschaft ein lebenslänglicher Akt, nicht zu Ende mit der Versorgung der Brut des Tierweibchens, sondern ein Versuch, ihre Seele hinzugeben, wie sie den Körper gab. Und deshalb entwickeln sich dann von hier aus die animalen Instinkte zu noch weiterer Geistigkeit, gerade wie es in der sexuellen Liebe zwischen Mann und Weib geschieht: sie gelangen dazu, sich nicht nur selbst daran zu berauschen und zu feiern unter dem Vorwand eines andern, – des andern gleichsam als eines leibhaften Stückes von sich, – sondern in ihn, in sein Eigenleben einzugehn, als in das des wirklich „andern“. Nicht um im Kinde selber physisch fortzuleben, nicht einmal mehr um es psychisch zu prägen nach dem Selbstbildnis, gibt sich die Mutter endlich dem von ihr geborenen Menschenleben hin, – sie gewinnt zuletzt jene feinste und letzte Hingebung, die sich gern davon ihrerseits beschenken, bereichern, größer machen lassen möchte. Die ihm als einer Totalität, als einer unantastbaren Ganzheit für sich, Ehre erweist, als etwas, dem man sich nicht mehr einen kann, es sei denn grade infolge der ausgesprochenen Zweiheit, d. h. auf Grund eines ganz neuartigen Bündnisses. Die Krönung der Mutterschaft vollzieht sich erst in dieser bewußten Hinausstellung des Eigensten von sich, als eines Fremden für sich; – in einer letzten schmerzhaften Freiwilligkeit, einem höchsten Selbstloswerden daran, hat sie ihre Frucht erst ganz zur Welt geboren, hat sie von ihren Zweigen sinken lassen, und darf herbsten.</p> <p>Allein dieser Herbst wandelt sich zum Beginn ungezählter Frühlinge für die daran erst ganz mütterlich Gewordene: sie dem Leben einend mit der Wärme dessen, der es nicht nur </p> </div> </body> </text> </TEI> [43/0043]
selbsterfundenen Methoden sozusagen, dem mangelhaften Tatbestand abzuhelfen, ihn zu ergänzen suchen muß.
Deshalb ist Mutterschaft ein lebenslänglicher Akt, nicht zu Ende mit der Versorgung der Brut des Tierweibchens, sondern ein Versuch, ihre Seele hinzugeben, wie sie den Körper gab. Und deshalb entwickeln sich dann von hier aus die animalen Instinkte zu noch weiterer Geistigkeit, gerade wie es in der sexuellen Liebe zwischen Mann und Weib geschieht: sie gelangen dazu, sich nicht nur selbst daran zu berauschen und zu feiern unter dem Vorwand eines andern, – des andern gleichsam als eines leibhaften Stückes von sich, – sondern in ihn, in sein Eigenleben einzugehn, als in das des wirklich „andern“. Nicht um im Kinde selber physisch fortzuleben, nicht einmal mehr um es psychisch zu prägen nach dem Selbstbildnis, gibt sich die Mutter endlich dem von ihr geborenen Menschenleben hin, – sie gewinnt zuletzt jene feinste und letzte Hingebung, die sich gern davon ihrerseits beschenken, bereichern, größer machen lassen möchte. Die ihm als einer Totalität, als einer unantastbaren Ganzheit für sich, Ehre erweist, als etwas, dem man sich nicht mehr einen kann, es sei denn grade infolge der ausgesprochenen Zweiheit, d. h. auf Grund eines ganz neuartigen Bündnisses. Die Krönung der Mutterschaft vollzieht sich erst in dieser bewußten Hinausstellung des Eigensten von sich, als eines Fremden für sich; – in einer letzten schmerzhaften Freiwilligkeit, einem höchsten Selbstloswerden daran, hat sie ihre Frucht erst ganz zur Welt geboren, hat sie von ihren Zweigen sinken lassen, und darf herbsten.
Allein dieser Herbst wandelt sich zum Beginn ungezählter Frühlinge für die daran erst ganz mütterlich Gewordene: sie dem Leben einend mit der Wärme dessen, der es nicht nur
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-08-21T15:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-08-21T15:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |