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Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.

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"Ich danke dir! ich danke dir!" -- --
-- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- --

Ein Stuhl wurde fortgeschoben. Man vernahm
nichts mehr. Nichts als das Geläute der Glocken, das
lauter und lauter anschwoll und mit seinen feier¬
lichen Klängen wie ein Lobgesang das ganze kleine
Zimmer erfüllte, -- -- und alle Glocken sangen und
klangen:

"Ich danke dir! ich danke dir!"
-- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- --

Sie hatte sich in dieser Stunde für immer von ihm
getrennt, -- getrennt aus einem unerträglichen Zwie¬
spalt heraus, in den sie mit sich selber geraten war, aber
sie dankte ihm, -- sie riß sich los, um entschlossen in eine
ganz andre Existenz zurückzukehren, aber sie dankte ihm,
-- und wenn sie an ihn zurückdachte, vielleicht noch in
ihren spätesten Tagen, würde sie denken wie heute, über
allen Zwiespalt hinaus:

"Ich danke dir! ich danke dir!"
-- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- --

Als es nebenan längst still geworden war, und
Max die Thür öffnete und eintrat, stand Fenia am
Fenster.

Sie wendete ihm den Rücken zu. Mit den Händen
hatte sie in die Vorhänge hineingefaßt und ihr Gesicht
darin verborgen. Er sah nur die gebeugte Rücken¬
linie, und es durchfuhr ihn das Gefühl, als hätte er
dies alles schon einmal erlebt --.

Aber er hatte nur in seiner Phantasie Fenia schon
einmal trauernd und gebeugt gesehen. --

Lou Andreas-Salome, Fenitschka. 7

„Ich danke dir! ich danke dir!“ — —
— — — — — — — — — — — —

Ein Stuhl wurde fortgeſchoben. Man vernahm
nichts mehr. Nichts als das Geläute der Glocken, das
lauter und lauter anſchwoll und mit ſeinen feier¬
lichen Klängen wie ein Lobgeſang das ganze kleine
Zimmer erfüllte, — — und alle Glocken ſangen und
klangen:

„Ich danke dir! ich danke dir!“
— — — — — — — — — — — —

Sie hatte ſich in dieſer Stunde für immer von ihm
getrennt, — getrennt aus einem unerträglichen Zwie¬
ſpalt heraus, in den ſie mit ſich ſelber geraten war, aber
ſie dankte ihm, — ſie riß ſich los, um entſchloſſen in eine
ganz andre Exiſtenz zurückzukehren, aber ſie dankte ihm,
— und wenn ſie an ihn zurückdachte, vielleicht noch in
ihren ſpäteſten Tagen, würde ſie denken wie heute, über
allen Zwieſpalt hinaus:

„Ich danke dir! ich danke dir!“
— — — — — — — — — — — — —

Als es nebenan längſt ſtill geworden war, und
Max die Thür öffnete und eintrat, ſtand Fenia am
Fenſter.

Sie wendete ihm den Rücken zu. Mit den Händen
hatte ſie in die Vorhänge hineingefaßt und ihr Geſicht
darin verborgen. Er ſah nur die gebeugte Rücken¬
linie, und es durchfuhr ihn das Gefühl, als hätte er
dies alles ſchon einmal erlebt —.

Aber er hatte nur in ſeiner Phantaſie Fenia ſchon
einmal trauernd und gebeugt geſehen. —

Lou Andreas-Salomé, Fenitſchka. 7
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[97/0101] — 97 — „Ich danke dir! ich danke dir!“ — — — — — — — — — — — — — — Ein Stuhl wurde fortgeſchoben. Man vernahm nichts mehr. Nichts als das Geläute der Glocken, das lauter und lauter anſchwoll und mit ſeinen feier¬ lichen Klängen wie ein Lobgeſang das ganze kleine Zimmer erfüllte, — — und alle Glocken ſangen und klangen: „Ich danke dir! ich danke dir!“ — — — — — — — — — — — — Sie hatte ſich in dieſer Stunde für immer von ihm getrennt, — getrennt aus einem unerträglichen Zwie¬ ſpalt heraus, in den ſie mit ſich ſelber geraten war, aber ſie dankte ihm, — ſie riß ſich los, um entſchloſſen in eine ganz andre Exiſtenz zurückzukehren, aber ſie dankte ihm, — und wenn ſie an ihn zurückdachte, vielleicht noch in ihren ſpäteſten Tagen, würde ſie denken wie heute, über allen Zwieſpalt hinaus: „Ich danke dir! ich danke dir!“ — — — — — — — — — — — — — Als es nebenan längſt ſtill geworden war, und Max die Thür öffnete und eintrat, ſtand Fenia am Fenſter. Sie wendete ihm den Rücken zu. Mit den Händen hatte ſie in die Vorhänge hineingefaßt und ihr Geſicht darin verborgen. Er ſah nur die gebeugte Rücken¬ linie, und es durchfuhr ihn das Gefühl, als hätte er dies alles ſchon einmal erlebt —. Aber er hatte nur in ſeiner Phantaſie Fenia ſchon einmal trauernd und gebeugt geſehen. — Lou Andreas-Salomé, Fenitſchka. 7

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Zitationshilfe: Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/101>, abgerufen am 21.11.2024.