Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.Klingers "Die Zeit den Ruhm vernichtend". Wie Plötzlich weckte er irgend eine Ideenassociation in Ich kann mit Worten nicht deutlich schildern, wie Ich nahm nur noch mechanisch an der Unterhaltung Klingers „Die Zeit den Ruhm vernichtend“. Wie Plötzlich weckte er irgend eine Ideenaſſociation in Ich kann mit Worten nicht deutlich ſchildern, wie Ich nahm nur noch mechaniſch an der Unterhaltung <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0121" n="117"/><fw type="pageNum" place="top">— 117 —<lb/></fw>Klingers „Die Zeit den Ruhm vernichtend“. Wie<lb/> manches Mal ſchon hatte ich den gepanzerten Jüngling an¬<lb/> geſchaut, der, eherne Allmacht im Antlitz, dem vor ihm<lb/> niedergeworfenen Weibe erbarmungslos mit dem Fuß in<lb/> die Lende tritt ——.</p><lb/> <p>Plötzlich weckte er irgend eine Ideenaſſociation in<lb/> mir, plötzlich rührte er an irgend etwas, — und eine<lb/> lang, lang vergeſſene, eine tote Senſation meines eignen<lb/> Lebens regte ſich dunkel —.</p><lb/> <p>Ich kann mit Worten nicht deutlich ſchildern, wie<lb/> es war. Ich glaube nicht, daß ich dabei an eine be¬<lb/> ſtimmte Situation gedacht habe, zum Beiſpiel an Bennos<lb/> brutale Löſung unſrer Beziehungen, oder daran, daß ich<lb/> mich damals von ihm „zertreten“ fühlte, oder überhaupt<lb/> an ſeine Perſon, — aber doch hing es mit ihm zuſam¬<lb/> men, als mir ein Schauer über den Rücken ging, —<lb/> ein Schauer von ſo lähmend intenſiver Erſchütterung,<lb/> daß ich unwillkürlich vor dem Bilde die Augen ſchloß.</p><lb/> <p>Ich nahm nur noch mechaniſch an der Unterhaltung<lb/> teil, innerlich blieb ich tief benommen, denn mir war,<lb/> als ſtarrte ich durch meine ganze Umgebung hindurch auf<lb/> etwas, das ſich nur lange verborgen gehalten hatte, aber<lb/> doch immer dageweſen ſein mußte, gleich ſchattenhaftem<lb/> Hintergrund, — oder als ſänke mein ganzes glückliches<lb/> gegenwärtiges Leben langſam zu meinen Füßen nieder,<lb/> wie ein dünner blumengeſtickter Schleier, und dahinter<lb/> ſtände hoch aufgerichtet das Wirkliche, Weſenhafte, —<lb/> — ja was? etwas wie die Silhouette eines gepanzerten<lb/> Mannes? oder Benno ſelbſt, der mich in den Armen<lb/> hielt und mich den erſten Liebesrauſch lehrte, und das<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [117/0121]
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Klingers „Die Zeit den Ruhm vernichtend“. Wie
manches Mal ſchon hatte ich den gepanzerten Jüngling an¬
geſchaut, der, eherne Allmacht im Antlitz, dem vor ihm
niedergeworfenen Weibe erbarmungslos mit dem Fuß in
die Lende tritt ——.
Plötzlich weckte er irgend eine Ideenaſſociation in
mir, plötzlich rührte er an irgend etwas, — und eine
lang, lang vergeſſene, eine tote Senſation meines eignen
Lebens regte ſich dunkel —.
Ich kann mit Worten nicht deutlich ſchildern, wie
es war. Ich glaube nicht, daß ich dabei an eine be¬
ſtimmte Situation gedacht habe, zum Beiſpiel an Bennos
brutale Löſung unſrer Beziehungen, oder daran, daß ich
mich damals von ihm „zertreten“ fühlte, oder überhaupt
an ſeine Perſon, — aber doch hing es mit ihm zuſam¬
men, als mir ein Schauer über den Rücken ging, —
ein Schauer von ſo lähmend intenſiver Erſchütterung,
daß ich unwillkürlich vor dem Bilde die Augen ſchloß.
Ich nahm nur noch mechaniſch an der Unterhaltung
teil, innerlich blieb ich tief benommen, denn mir war,
als ſtarrte ich durch meine ganze Umgebung hindurch auf
etwas, das ſich nur lange verborgen gehalten hatte, aber
doch immer dageweſen ſein mußte, gleich ſchattenhaftem
Hintergrund, — oder als ſänke mein ganzes glückliches
gegenwärtiges Leben langſam zu meinen Füßen nieder,
wie ein dünner blumengeſtickter Schleier, und dahinter
ſtände hoch aufgerichtet das Wirkliche, Weſenhafte, —
— ja was? etwas wie die Silhouette eines gepanzerten
Mannes? oder Benno ſelbſt, der mich in den Armen
hielt und mich den erſten Liebesrauſch lehrte, und das
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