Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.genug kam ich ja wieder in mein eignes Leben draußen Mein Blick fiel auf das liebe faltige Gesicht im Ich glitt geräuschlos aus dem Bett, kam auf nackten "Mama, meine liebe Mama! wie bin ich froh, bei Meine Mutter streichelte mich beschwichtigend über genug kam ich ja wieder in mein eignes Leben draußen Mein Blick fiel auf das liebe faltige Geſicht im Ich glitt geräuſchlos aus dem Bett, kam auf nackten „Mama, meine liebe Mama! wie bin ich froh, bei Meine Mutter ſtreichelte mich beſchwichtigend über <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0128" n="124"/><fw type="pageNum" place="top">— 124 —<lb/></fw>genug kam ich ja wieder in mein eignes Leben draußen<lb/> zurück, in mein eignes Schaffen und Genießen.</p><lb/> <p>Mein Blick fiel auf das liebe faltige Geſicht im<lb/> weißen Nachthäubchen, das über der verblaßten grün¬<lb/> ſeidenen Steppdecke herausſchaute. Ohne dieſe gute Mutter<lb/> mit ihren bereitwilligen Liebesopfern hätt ich mir nie<lb/> meine freie, glückliche Künſtlerexiſtenz erringen können.<lb/> Damit mir das gelingen möchte, ſaß ſie nun hier ſo ge¬<lb/> duldig und einſam ohne Tochter, und mühte ſich heim¬<lb/> lich damit ab, ſich für Malerei zu intereſſieren, was doch<lb/> ſo ganz hoffnungslos war. Der Offizierskreis in Brieg,<lb/> ihr einſtiger alter Geſellſchaftskreis, äußerte ſich ziemlich<lb/> tadelnd über dieſe fernlebende Tochter, und ich wußte<lb/> wohl, daß meine Mutter mich dann verteidigte wie eine<lb/> Löwin ihr Junges, und daß die Leute ſich des Todes ver¬<lb/> wunderten, bis zu welchen modernen Anſchauungen ſie<lb/> ſich dabei zuweilen verſtieg. Aber in Wirklichkeit war<lb/> ſie weder eine Löwin noch ein moderner Bahnbrecher,<lb/> ſondern ganz einfach eine einſame alte Frau, deren<lb/> Lebensauffaſſung himmelweit von der ihres Kindes ent¬<lb/> fernt war —.</p><lb/> <p>Ich glitt geräuſchlos aus dem Bett, kam auf nackten<lb/> Sohlen zur Halbſchlummernden und umhalſte ſie ſtürmiſch.</p><lb/> <p>„Mama, meine liebe Mama! wie bin ich froh, bei<lb/> dir zu ſein, und wie dank ich dir für alle dieſe ſchönen<lb/> — ſchönen Jahre! Jetzt auf einmal fällt es mir aufs<lb/> Herz, wie viel du mir geſchenkt haſt, — immerfort ge¬<lb/> ſchenkt, und nichts dafür bekommen, du liebſte aller Müt¬<lb/> ter du!“</p><lb/> <p>Meine Mutter ſtreichelte mich beſchwichtigend über<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [124/0128]
— 124 —
genug kam ich ja wieder in mein eignes Leben draußen
zurück, in mein eignes Schaffen und Genießen.
Mein Blick fiel auf das liebe faltige Geſicht im
weißen Nachthäubchen, das über der verblaßten grün¬
ſeidenen Steppdecke herausſchaute. Ohne dieſe gute Mutter
mit ihren bereitwilligen Liebesopfern hätt ich mir nie
meine freie, glückliche Künſtlerexiſtenz erringen können.
Damit mir das gelingen möchte, ſaß ſie nun hier ſo ge¬
duldig und einſam ohne Tochter, und mühte ſich heim¬
lich damit ab, ſich für Malerei zu intereſſieren, was doch
ſo ganz hoffnungslos war. Der Offizierskreis in Brieg,
ihr einſtiger alter Geſellſchaftskreis, äußerte ſich ziemlich
tadelnd über dieſe fernlebende Tochter, und ich wußte
wohl, daß meine Mutter mich dann verteidigte wie eine
Löwin ihr Junges, und daß die Leute ſich des Todes ver¬
wunderten, bis zu welchen modernen Anſchauungen ſie
ſich dabei zuweilen verſtieg. Aber in Wirklichkeit war
ſie weder eine Löwin noch ein moderner Bahnbrecher,
ſondern ganz einfach eine einſame alte Frau, deren
Lebensauffaſſung himmelweit von der ihres Kindes ent¬
fernt war —.
Ich glitt geräuſchlos aus dem Bett, kam auf nackten
Sohlen zur Halbſchlummernden und umhalſte ſie ſtürmiſch.
„Mama, meine liebe Mama! wie bin ich froh, bei
dir zu ſein, und wie dank ich dir für alle dieſe ſchönen
— ſchönen Jahre! Jetzt auf einmal fällt es mir aufs
Herz, wie viel du mir geſchenkt haſt, — immerfort ge¬
ſchenkt, und nichts dafür bekommen, du liebſte aller Müt¬
ter du!“
Meine Mutter ſtreichelte mich beſchwichtigend über
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |