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Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.

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Hause. Es ist ja nur ein Zufall, aber grade darum
ist's schön."

Die Thür fiel ins Schloß. Einen Augenblick lang
schien Benno draußen noch still zu stehn, wie wenn er
lauschte, -- dann knisterte der Schnee unter den lang¬
sam sich entfernenden Schritten.

Auch ich, drinnen im schwach erhellten Hausflur,
stand noch und horchte, -- ich horchte noch auf die bei¬
den verklungenen Stimmen im Dunkeln, als ob sie mir
ein langes Märchen erzählten, und eigentlich ein neues
Märchen, -- meine frohe, fast übermütige Stimme,
die weit heller als die seine, und dann seine gedämpfte,
zögernde Stimme, aus der so vieles -- so seltsam
vieles unter den alltäglichen Worten hervorsprach, und
die Worte förmlich leer und sinnlos machte durch diesen
Unterklang --.
-- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- --

Am nächsten Tage wurde ich durch einen lang¬
gezogenen schrillen Glockenton geweckt, der aus einem der
Arbeitshöfe des Zuchthauses herüberschallte.

Meine Mutter, im großen Ehebett an der gegen¬
überliegenden Längswand, schlief noch, oder that so, um
mich nicht zu stören. Durch das Fenster schimmerte hell¬
grau das Morgenlicht über die ausgeblichenen Cretonne¬
vorhänge mit ihren lustigen grünen Blumen und Vögeln,
und jedes einzelne der alten Möbelstücke sah mich vertraut
und grüßend an.

Ich dehnte mich voll Behagen in meinen Kissen. In
dieser süßen Indolenz der Stimmung war es herrlich,
sich hier ein wenig pflegen und verziehen zu lassen. Bald

Hauſe. Es iſt ja nur ein Zufall, aber grade darum
iſt's ſchön.“

Die Thür fiel ins Schloß. Einen Augenblick lang
ſchien Benno draußen noch ſtill zu ſtehn, wie wenn er
lauſchte, — dann kniſterte der Schnee unter den lang¬
ſam ſich entfernenden Schritten.

Auch ich, drinnen im ſchwach erhellten Hausflur,
ſtand noch und horchte, — ich horchte noch auf die bei¬
den verklungenen Stimmen im Dunkeln, als ob ſie mir
ein langes Märchen erzählten, und eigentlich ein neues
Märchen, — meine frohe, faſt übermütige Stimme,
die weit heller als die ſeine, und dann ſeine gedämpfte,
zögernde Stimme, aus der ſo vieles — ſo ſeltſam
vieles unter den alltäglichen Worten hervorſprach, und
die Worte förmlich leer und ſinnlos machte durch dieſen
Unterklang —.
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Am nächſten Tage wurde ich durch einen lang¬
gezogenen ſchrillen Glockenton geweckt, der aus einem der
Arbeitshöfe des Zuchthauſes herüberſchallte.

Meine Mutter, im großen Ehebett an der gegen¬
überliegenden Längswand, ſchlief noch, oder that ſo, um
mich nicht zu ſtören. Durch das Fenſter ſchimmerte hell¬
grau das Morgenlicht über die ausgeblichenen Cretonne¬
vorhänge mit ihren luſtigen grünen Blumen und Vögeln,
und jedes einzelne der alten Möbelſtücke ſah mich vertraut
und grüßend an.

Ich dehnte mich voll Behagen in meinen Kiſſen. In
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[123/0127] — 123 — Hauſe. Es iſt ja nur ein Zufall, aber grade darum iſt's ſchön.“ Die Thür fiel ins Schloß. Einen Augenblick lang ſchien Benno draußen noch ſtill zu ſtehn, wie wenn er lauſchte, — dann kniſterte der Schnee unter den lang¬ ſam ſich entfernenden Schritten. Auch ich, drinnen im ſchwach erhellten Hausflur, ſtand noch und horchte, — ich horchte noch auf die bei¬ den verklungenen Stimmen im Dunkeln, als ob ſie mir ein langes Märchen erzählten, und eigentlich ein neues Märchen, — meine frohe, faſt übermütige Stimme, die weit heller als die ſeine, und dann ſeine gedämpfte, zögernde Stimme, aus der ſo vieles — ſo ſeltſam vieles unter den alltäglichen Worten hervorſprach, und die Worte förmlich leer und ſinnlos machte durch dieſen Unterklang —. — — — — — — — — — — — — Am nächſten Tage wurde ich durch einen lang¬ gezogenen ſchrillen Glockenton geweckt, der aus einem der Arbeitshöfe des Zuchthauſes herüberſchallte. Meine Mutter, im großen Ehebett an der gegen¬ überliegenden Längswand, ſchlief noch, oder that ſo, um mich nicht zu ſtören. Durch das Fenſter ſchimmerte hell¬ grau das Morgenlicht über die ausgeblichenen Cretonne¬ vorhänge mit ihren luſtigen grünen Blumen und Vögeln, und jedes einzelne der alten Möbelſtücke ſah mich vertraut und grüßend an. Ich dehnte mich voll Behagen in meinen Kiſſen. In dieſer ſüßen Indolenz der Stimmung war es herrlich, ſich hier ein wenig pflegen und verziehen zu laſſen. Bald

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Zitationshilfe: Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/127>, abgerufen am 24.11.2024.