Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

Käthchen sind, die wimmern: ,mein hoher Herr!' sondern
daß wir unser eigner Herr geworden sind? -- kurz, daß
wir mit den alten knechtischen Vorstellungen aufräu¬
men --."

"Ach, thun wir das wirklich?" fragte ich ganz er¬
staunt, "nein, denke nur! wer thut denn das eigentlich?"

"Das weißt du nicht? Adine, du scherzest wohl!
Du, die so weit herumgekommen ist, du, die sich so frei
entwickelt hat, -- ja, was hast du denn die ganze Zeit
gethan?!"

"Ich? ich habe ja gemalt!" sagte ich ganz betreten.

"Nun ja, gemalt! Aber während man malt, denkt
man doch an etwas! Hast du denn dabei nie über
Liebe und Ehe nachgedacht, und wie die sich zu unsern
persönlichen Rechten verhält? Das ist sehr unrecht von
dir. Und dir lag das doch nah genug: denn eigentlich
ist doch deine Verlobung daran gescheitert. Nur daran:
denn wenn irgend ein Mann dazu imstande gewesen ist,
sich in diesem Punkt vernünftig erziehen zu lassen, so ist
es jedenfalls Doktor Frensdorff."

Ich schüttelte verwundert den Kopf.

"Darin irrst du dich, Gabriele. Seine zauberhafteste
Wirkung war seine Tyrannei. Und so ist es wohl meistens."

Gabriele warf einen forschenden Blick auf mich.

"Du redest wie deine eigne Urgroßmutter!" be¬
merkte sie kurz.

"Unsre armen Urgroßmütter!" sagte ich lächelnd,
"die wußten freilich rein gar nichts von solchen Neuerungen.
Die einzige Form ihrer Liebe war wohl Unterordnung,
-- in dies Gefäß schütteten sie alle ihre Zärtlichkeit.

Käthchen ſind, die wimmern: ‚mein hoher Herr!’ ſondern
daß wir unſer eigner Herr geworden ſind? — kurz, daß
wir mit den alten knechtiſchen Vorſtellungen aufräu¬
men —.“

„Ach, thun wir das wirklich?“ fragte ich ganz er¬
ſtaunt, „nein, denke nur! wer thut denn das eigentlich?“

„Das weißt du nicht? Adine, du ſcherzeſt wohl!
Du, die ſo weit herumgekommen iſt, du, die ſich ſo frei
entwickelt hat, — ja, was haſt du denn die ganze Zeit
gethan?!“

„Ich? ich habe ja gemalt!“ ſagte ich ganz betreten.

„Nun ja, gemalt! Aber während man malt, denkt
man doch an etwas! Haſt du denn dabei nie über
Liebe und Ehe nachgedacht, und wie die ſich zu unſern
perſönlichen Rechten verhält? Das iſt ſehr unrecht von
dir. Und dir lag das doch nah genug: denn eigentlich
iſt doch deine Verlobung daran geſcheitert. Nur daran:
denn wenn irgend ein Mann dazu imſtande geweſen iſt,
ſich in dieſem Punkt vernünftig erziehen zu laſſen, ſo iſt
es jedenfalls Doktor Frensdorff.“

Ich ſchüttelte verwundert den Kopf.

„Darin irrſt du dich, Gabriele. Seine zauberhafteſte
Wirkung war ſeine Tyrannei. Und ſo iſt es wohl meiſtens.“

Gabriele warf einen forſchenden Blick auf mich.

„Du redeſt wie deine eigne Urgroßmutter!“ be¬
merkte ſie kurz.

„Unſre armen Urgroßmütter!“ ſagte ich lächelnd,
„die wußten freilich rein gar nichts von ſolchen Neuerungen.
Die einzige Form ihrer Liebe war wohl Unterordnung,
— in dies Gefäß ſchütteten ſie alle ihre Zärtlichkeit.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0143" n="139"/><fw type="pageNum" place="top">&#x2014; 139 &#x2014;<lb/></fw>Käthchen &#x017F;ind, die wimmern: &#x201A;mein hoher Herr!&#x2019; &#x017F;ondern<lb/>
daß wir un&#x017F;er eigner Herr geworden &#x017F;ind? &#x2014; kurz, daß<lb/>
wir mit den alten knechti&#x017F;chen Vor&#x017F;tellungen aufräu¬<lb/>
men &#x2014;.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ach, thun wir das wirklich?&#x201C; fragte ich ganz er¬<lb/>
&#x017F;taunt, &#x201E;nein, denke nur! wer thut denn das eigentlich?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das weißt du nicht? Adine, du &#x017F;cherze&#x017F;t wohl!<lb/>
Du, die &#x017F;o weit herumgekommen i&#x017F;t, du, die &#x017F;ich &#x017F;o frei<lb/>
entwickelt hat, &#x2014; ja, was ha&#x017F;t du denn die ganze Zeit<lb/>
gethan?!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich? ich habe ja gemalt!&#x201C; &#x017F;agte ich ganz betreten.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nun ja, gemalt! Aber während man malt, denkt<lb/>
man doch an etwas! Ha&#x017F;t du denn dabei nie über<lb/>
Liebe und Ehe nachgedacht, und wie die &#x017F;ich zu un&#x017F;ern<lb/>
per&#x017F;önlichen Rechten verhält? Das i&#x017F;t &#x017F;ehr unrecht von<lb/>
dir. Und dir lag das doch nah genug: denn eigentlich<lb/>
i&#x017F;t doch deine Verlobung daran ge&#x017F;cheitert. Nur daran:<lb/>
denn wenn irgend ein Mann dazu im&#x017F;tande gewe&#x017F;en i&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;ich in die&#x017F;em Punkt vernünftig erziehen zu la&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
es jedenfalls Doktor Frensdorff.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Ich &#x017F;chüttelte verwundert den Kopf.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Darin irr&#x017F;t du dich, Gabriele. Seine zauberhafte&#x017F;te<lb/>
Wirkung war &#x017F;eine Tyrannei. Und &#x017F;o i&#x017F;t es wohl mei&#x017F;tens.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Gabriele warf einen for&#x017F;chenden Blick auf mich.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Du rede&#x017F;t wie deine eigne Urgroßmutter!&#x201C; be¬<lb/>
merkte &#x017F;ie kurz.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Un&#x017F;re armen Urgroßmütter!&#x201C; &#x017F;agte ich lächelnd,<lb/>
&#x201E;die wußten freilich rein gar nichts von &#x017F;olchen Neuerungen.<lb/>
Die einzige Form ihrer Liebe war wohl Unterordnung,<lb/>
&#x2014; in dies Gefäß &#x017F;chütteten &#x017F;ie alle ihre Zärtlichkeit.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[139/0143] — 139 — Käthchen ſind, die wimmern: ‚mein hoher Herr!’ ſondern daß wir unſer eigner Herr geworden ſind? — kurz, daß wir mit den alten knechtiſchen Vorſtellungen aufräu¬ men —.“ „Ach, thun wir das wirklich?“ fragte ich ganz er¬ ſtaunt, „nein, denke nur! wer thut denn das eigentlich?“ „Das weißt du nicht? Adine, du ſcherzeſt wohl! Du, die ſo weit herumgekommen iſt, du, die ſich ſo frei entwickelt hat, — ja, was haſt du denn die ganze Zeit gethan?!“ „Ich? ich habe ja gemalt!“ ſagte ich ganz betreten. „Nun ja, gemalt! Aber während man malt, denkt man doch an etwas! Haſt du denn dabei nie über Liebe und Ehe nachgedacht, und wie die ſich zu unſern perſönlichen Rechten verhält? Das iſt ſehr unrecht von dir. Und dir lag das doch nah genug: denn eigentlich iſt doch deine Verlobung daran geſcheitert. Nur daran: denn wenn irgend ein Mann dazu imſtande geweſen iſt, ſich in dieſem Punkt vernünftig erziehen zu laſſen, ſo iſt es jedenfalls Doktor Frensdorff.“ Ich ſchüttelte verwundert den Kopf. „Darin irrſt du dich, Gabriele. Seine zauberhafteſte Wirkung war ſeine Tyrannei. Und ſo iſt es wohl meiſtens.“ Gabriele warf einen forſchenden Blick auf mich. „Du redeſt wie deine eigne Urgroßmutter!“ be¬ merkte ſie kurz. „Unſre armen Urgroßmütter!“ ſagte ich lächelnd, „die wußten freilich rein gar nichts von ſolchen Neuerungen. Die einzige Form ihrer Liebe war wohl Unterordnung, — in dies Gefäß ſchütteten ſie alle ihre Zärtlichkeit.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/143
Zitationshilfe: Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/143>, abgerufen am 14.05.2024.