Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.Käthchen sind, die wimmern: ,mein hoher Herr!' sondern "Ach, thun wir das wirklich?" fragte ich ganz er¬ "Das weißt du nicht? Adine, du scherzest wohl! "Ich? ich habe ja gemalt!" sagte ich ganz betreten. "Nun ja, gemalt! Aber während man malt, denkt Ich schüttelte verwundert den Kopf. "Darin irrst du dich, Gabriele. Seine zauberhafteste Gabriele warf einen forschenden Blick auf mich. "Du redest wie deine eigne Urgroßmutter!" be¬ "Unsre armen Urgroßmütter!" sagte ich lächelnd, Käthchen ſind, die wimmern: ‚mein hoher Herr!’ ſondern „Ach, thun wir das wirklich?“ fragte ich ganz er¬ „Das weißt du nicht? Adine, du ſcherzeſt wohl! „Ich? ich habe ja gemalt!“ ſagte ich ganz betreten. „Nun ja, gemalt! Aber während man malt, denkt Ich ſchüttelte verwundert den Kopf. „Darin irrſt du dich, Gabriele. Seine zauberhafteſte Gabriele warf einen forſchenden Blick auf mich. „Du redeſt wie deine eigne Urgroßmutter!“ be¬ „Unſre armen Urgroßmütter!“ ſagte ich lächelnd, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0143" n="139"/><fw type="pageNum" place="top">— 139 —<lb/></fw>Käthchen ſind, die wimmern: ‚mein hoher Herr!’ ſondern<lb/> daß wir unſer eigner Herr geworden ſind? — kurz, daß<lb/> wir mit den alten knechtiſchen Vorſtellungen aufräu¬<lb/> men —.“</p><lb/> <p>„Ach, thun wir das wirklich?“ fragte ich ganz er¬<lb/> ſtaunt, „nein, denke nur! wer thut denn das eigentlich?“</p><lb/> <p>„Das weißt du nicht? Adine, du ſcherzeſt wohl!<lb/> Du, die ſo weit herumgekommen iſt, du, die ſich ſo frei<lb/> entwickelt hat, — ja, was haſt du denn die ganze Zeit<lb/> gethan?!“</p><lb/> <p>„Ich? ich habe ja gemalt!“ ſagte ich ganz betreten.</p><lb/> <p>„Nun ja, gemalt! Aber während man malt, denkt<lb/> man doch an etwas! Haſt du denn dabei nie über<lb/> Liebe und Ehe nachgedacht, und wie die ſich zu unſern<lb/> perſönlichen Rechten verhält? Das iſt ſehr unrecht von<lb/> dir. Und dir lag das doch nah genug: denn eigentlich<lb/> iſt doch deine Verlobung daran geſcheitert. Nur daran:<lb/> denn wenn irgend ein Mann dazu imſtande geweſen iſt,<lb/> ſich in dieſem Punkt vernünftig erziehen zu laſſen, ſo iſt<lb/> es jedenfalls Doktor Frensdorff.“</p><lb/> <p>Ich ſchüttelte verwundert den Kopf.</p><lb/> <p>„Darin irrſt du dich, Gabriele. Seine zauberhafteſte<lb/> Wirkung war ſeine Tyrannei. Und ſo iſt es wohl meiſtens.“</p><lb/> <p>Gabriele warf einen forſchenden Blick auf mich.</p><lb/> <p>„Du redeſt wie deine eigne Urgroßmutter!“ be¬<lb/> merkte ſie kurz.</p><lb/> <p>„Unſre armen Urgroßmütter!“ ſagte ich lächelnd,<lb/> „die wußten freilich rein gar nichts von ſolchen Neuerungen.<lb/> Die einzige Form ihrer Liebe war wohl Unterordnung,<lb/> — in dies Gefäß ſchütteten ſie alle ihre Zärtlichkeit.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [139/0143]
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Käthchen ſind, die wimmern: ‚mein hoher Herr!’ ſondern
daß wir unſer eigner Herr geworden ſind? — kurz, daß
wir mit den alten knechtiſchen Vorſtellungen aufräu¬
men —.“
„Ach, thun wir das wirklich?“ fragte ich ganz er¬
ſtaunt, „nein, denke nur! wer thut denn das eigentlich?“
„Das weißt du nicht? Adine, du ſcherzeſt wohl!
Du, die ſo weit herumgekommen iſt, du, die ſich ſo frei
entwickelt hat, — ja, was haſt du denn die ganze Zeit
gethan?!“
„Ich? ich habe ja gemalt!“ ſagte ich ganz betreten.
„Nun ja, gemalt! Aber während man malt, denkt
man doch an etwas! Haſt du denn dabei nie über
Liebe und Ehe nachgedacht, und wie die ſich zu unſern
perſönlichen Rechten verhält? Das iſt ſehr unrecht von
dir. Und dir lag das doch nah genug: denn eigentlich
iſt doch deine Verlobung daran geſcheitert. Nur daran:
denn wenn irgend ein Mann dazu imſtande geweſen iſt,
ſich in dieſem Punkt vernünftig erziehen zu laſſen, ſo iſt
es jedenfalls Doktor Frensdorff.“
Ich ſchüttelte verwundert den Kopf.
„Darin irrſt du dich, Gabriele. Seine zauberhafteſte
Wirkung war ſeine Tyrannei. Und ſo iſt es wohl meiſtens.“
Gabriele warf einen forſchenden Blick auf mich.
„Du redeſt wie deine eigne Urgroßmutter!“ be¬
merkte ſie kurz.
„Unſre armen Urgroßmütter!“ ſagte ich lächelnd,
„die wußten freilich rein gar nichts von ſolchen Neuerungen.
Die einzige Form ihrer Liebe war wohl Unterordnung,
— in dies Gefäß ſchütteten ſie alle ihre Zärtlichkeit.
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Zitationshilfe: | Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/143>, abgerufen am 16.07.2024. |