Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.Meine Mutter fragte dazwischen: "Wie ist es denn morgen mittag, Benno? ißt du zu "Wahrscheinlich nicht. Es ist weit über Land, wo "Du entschuldigst wohl, es wartet jemand auf mich," "Ich wollte dich noch fragen, ob du nicht -- ich Dabei sah er eilig und beschäftigt aus und sah nie¬ "Gewiß! ich will kommen," sagte ich ein wenig Meine Mutter hatte von Benno wieder auf mich Meine Mutter fragte dazwiſchen: „Wie iſt es denn morgen mittag, Benno? ißt du zu „Wahrſcheinlich nicht. Es iſt weit über Land, wo „Du entſchuldigſt wohl, es wartet jemand auf mich,“ „Ich wollte dich noch fragen, ob du nicht — ich Dabei ſah er eilig und beſchäftigt aus und ſah nie¬ „Gewiß! ich will kommen,“ ſagte ich ein wenig Meine Mutter hatte von Benno wieder auf mich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0147" n="143"/> <fw type="pageNum" place="top">— 143 —<lb/></fw> <p>Meine Mutter fragte dazwiſchen:</p><lb/> <p>„Wie iſt es denn morgen mittag, Benno? ißt du zu<lb/> Hauſe?“</p><lb/> <p>„Wahrſcheinlich nicht. Es iſt weit über Land, wo<lb/> ich hin muß. Wir bringen den Kranken wohl gleich<lb/> mit,“ entgegnete er zerſtreut, beendete etwas haſtig ſein<lb/> Abendeſſen und ſtand auf.</p><lb/> <p>„Du entſchuldigſt wohl, es wartet jemand auf mich,“<lb/> bemerkte er zur Mutter, und dann, ſchon bei der Thür,<lb/> wandte er ſich noch einmal zu mir und ſagte zögernd:</p><lb/> <p>„Ich wollte dich noch fragen, ob du nicht — ich<lb/> wollte dich bitten, morgen vormittag, — natürlich falls<lb/> du nichts andres vorhaſt, — ob du mir nicht wieder<lb/> etwas Geſellſchaft leiſten willſt. So wie heute. Es iſt<lb/> meine liebſte Stunde.“</p><lb/> <p>Dabei ſah er eilig und beſchäftigt aus und ſah nie¬<lb/> mand an, während er redete.</p><lb/> <p>„Gewiß! ich will kommen,“ ſagte ich ein wenig<lb/> leiſe. Dabei ſchlug auch ich die Augen nicht auf. Meine<lb/> Glieder wurden mir bleiſchwer. Ich ſtützte die Arme<lb/> auf den Tiſch und den Kopf darauf. „Wenn ich doch<lb/> aus dem Hauſe ginge und den Nachtzug nach Paris<lb/> nähme!“ dachte ich.</p><lb/> <p>Meine Mutter hatte von Benno wieder auf mich<lb/> geblickt; ihre Augen leuchteten, und wer kann wiſſen,<lb/> welche Hoffnungen in ihr aufſtiegen und welche Mutter¬<lb/> wünſche, während ſie umherging und das Dienſtmädchen<lb/> beaufſichtigte, das den Tiſch abräumte. Dieſes war eine<lb/> arme entlaſſene Inſaſſin des Irrenhauſes, wie meiſtens<lb/> unſer Geſinde.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [143/0147]
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Meine Mutter fragte dazwiſchen:
„Wie iſt es denn morgen mittag, Benno? ißt du zu
Hauſe?“
„Wahrſcheinlich nicht. Es iſt weit über Land, wo
ich hin muß. Wir bringen den Kranken wohl gleich
mit,“ entgegnete er zerſtreut, beendete etwas haſtig ſein
Abendeſſen und ſtand auf.
„Du entſchuldigſt wohl, es wartet jemand auf mich,“
bemerkte er zur Mutter, und dann, ſchon bei der Thür,
wandte er ſich noch einmal zu mir und ſagte zögernd:
„Ich wollte dich noch fragen, ob du nicht — ich
wollte dich bitten, morgen vormittag, — natürlich falls
du nichts andres vorhaſt, — ob du mir nicht wieder
etwas Geſellſchaft leiſten willſt. So wie heute. Es iſt
meine liebſte Stunde.“
Dabei ſah er eilig und beſchäftigt aus und ſah nie¬
mand an, während er redete.
„Gewiß! ich will kommen,“ ſagte ich ein wenig
leiſe. Dabei ſchlug auch ich die Augen nicht auf. Meine
Glieder wurden mir bleiſchwer. Ich ſtützte die Arme
auf den Tiſch und den Kopf darauf. „Wenn ich doch
aus dem Hauſe ginge und den Nachtzug nach Paris
nähme!“ dachte ich.
Meine Mutter hatte von Benno wieder auf mich
geblickt; ihre Augen leuchteten, und wer kann wiſſen,
welche Hoffnungen in ihr aufſtiegen und welche Mutter¬
wünſche, während ſie umherging und das Dienſtmädchen
beaufſichtigte, das den Tiſch abräumte. Dieſes war eine
arme entlaſſene Inſaſſin des Irrenhauſes, wie meiſtens
unſer Geſinde.
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