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Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.

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Als ich am nächsten Vormittag zu Benno hinüber¬
ging, war er schon da, aber ein Angestellter des Irren¬
hauses war noch bei ihm und stand wartend neben dem
Schreibtisch, an dem Benno saß und einige Papiere
ordnete.

Ich zündete den Spiritus unter dem Theekesselchen
an, und setzte mich auf eine breite mit Leder überzogene
Ottomane an der Hinterwand des Zimmers. Auf einem
dicht heran geschobenen niedrigen Tisch lagen durch¬
einander allerlei Bücher und broschierte Schriften. Nach
dem gestrigen Gespräch mit der kleinen Baronesse wun¬
derte ich mich nicht mehr, zwischen der Fachlitteratur
die verschiedensten andern Geisteswerke zu finden, von
denen ich früher nie geglaubt hätte, daß sie sich bis zu
Benno verirren würden.

Zweifellos war diese Bereicherung und Vermehrung
seiner Interessen ein vorteilhafter Wechsel; nur zu seiner
ganzen Eigenart, von der Schroffheiten und Engen
mir völlig unabtrennbar schienen, wollte er nicht recht
stimmen.

Nachdenklich langte ich einen abgegriffenen klein¬
gedruckten Band hervor, der zu einer ältern Schillerausgabe
gehörte; offenbar durchstöberte Benno den alten Familien¬

Als ich am nächſten Vormittag zu Benno hinüber¬
ging, war er ſchon da, aber ein Angeſtellter des Irren¬
hauſes war noch bei ihm und ſtand wartend neben dem
Schreibtiſch, an dem Benno ſaß und einige Papiere
ordnete.

Ich zündete den Spiritus unter dem Theekeſſelchen
an, und ſetzte mich auf eine breite mit Leder überzogene
Ottomane an der Hinterwand des Zimmers. Auf einem
dicht heran geſchobenen niedrigen Tiſch lagen durch¬
einander allerlei Bücher und broſchierte Schriften. Nach
dem geſtrigen Geſpräch mit der kleinen Baroneſſe wun¬
derte ich mich nicht mehr, zwiſchen der Fachlitteratur
die verſchiedenſten andern Geiſteswerke zu finden, von
denen ich früher nie geglaubt hätte, daß ſie ſich bis zu
Benno verirren würden.

Zweifellos war dieſe Bereicherung und Vermehrung
ſeiner Intereſſen ein vorteilhafter Wechſel; nur zu ſeiner
ganzen Eigenart, von der Schroffheiten und Engen
mir völlig unabtrennbar ſchienen, wollte er nicht recht
ſtimmen.

Nachdenklich langte ich einen abgegriffenen klein¬
gedruckten Band hervor, der zu einer ältern Schillerausgabe
gehörte; offenbar durchſtöberte Benno den alten Familien¬

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[0152] Als ich am nächſten Vormittag zu Benno hinüber¬ ging, war er ſchon da, aber ein Angeſtellter des Irren¬ hauſes war noch bei ihm und ſtand wartend neben dem Schreibtiſch, an dem Benno ſaß und einige Papiere ordnete. Ich zündete den Spiritus unter dem Theekeſſelchen an, und ſetzte mich auf eine breite mit Leder überzogene Ottomane an der Hinterwand des Zimmers. Auf einem dicht heran geſchobenen niedrigen Tiſch lagen durch¬ einander allerlei Bücher und broſchierte Schriften. Nach dem geſtrigen Geſpräch mit der kleinen Baroneſſe wun¬ derte ich mich nicht mehr, zwiſchen der Fachlitteratur die verſchiedenſten andern Geiſteswerke zu finden, von denen ich früher nie geglaubt hätte, daß ſie ſich bis zu Benno verirren würden. Zweifellos war dieſe Bereicherung und Vermehrung ſeiner Intereſſen ein vorteilhafter Wechſel; nur zu ſeiner ganzen Eigenart, von der Schroffheiten und Engen mir völlig unabtrennbar ſchienen, wollte er nicht recht ſtimmen. Nachdenklich langte ich einen abgegriffenen klein¬ gedruckten Band hervor, der zu einer ältern Schillerausgabe gehörte; offenbar durchſtöberte Benno den alten Familien¬

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Zitationshilfe: Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/152>, abgerufen am 22.11.2024.