Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.schrank im Wohnzimmer, um sich litterarisch zu bilden, Diese Bemerkung kam mir ohne allen Hohn, -- ich "Wallensteins Tod". Mitten im Band knisterte Die Blume ist hinweg aus meinem Leben, Und kalt und farblos seh' ich's vor mir liegen. Denn er stand neben mir, wie meine Jugend, Er machte mir das Wirkliche zum Traum, Um die gemeine Deutlichkeit der Dinge Den goldnen Duft der Morgenröte webend -- Im Feuer seines liebenden Gefühls Erhoben sich, mir selber zum Erstaunen, Des Lebens flach alltägliche Gestalten. -- Was ich mir ferner auch erstreben mag, Das Schöne ist doch weg, das kommt nicht wieder. -- -- Ich las es ganz arglos; mir fiel nicht ein, Benno war aufgestanden, er hatte den Mann ab¬ "Ach laß das," bemerkte er mit einem Anflug von ſchrank im Wohnzimmer, um ſich litterariſch zu bilden, Dieſe Bemerkung kam mir ohne allen Hohn, — ich „Wallenſteins Tod“. Mitten im Band kniſterte Die Blume iſt hinweg aus meinem Leben, Und kalt und farblos ſeh' ich's vor mir liegen. Denn er ſtand neben mir, wie meine Jugend, Er machte mir das Wirkliche zum Traum, Um die gemeine Deutlichkeit der Dinge Den goldnen Duft der Morgenröte webend — Im Feuer ſeines liebenden Gefühls Erhoben ſich, mir ſelber zum Erſtaunen, Des Lebens flach alltägliche Geſtalten. — Was ich mir ferner auch erſtreben mag, Das Schöne iſt doch weg, das kommt nicht wieder. — — Ich las es ganz arglos; mir fiel nicht ein, Benno war aufgeſtanden, er hatte den Mann ab¬ „Ach laß das,“ bemerkte er mit einem Anflug von <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0153" n="149"/><fw type="pageNum" place="top">— 149 —<lb/></fw>ſchrank im Wohnzimmer, um ſich litterariſch zu bilden,<lb/> und war jetzt alſo bei Schiller angelangt.</p><lb/> <p>Dieſe Bemerkung kam mir ohne allen Hohn, — ich<lb/> freute mich drüber, daß er im Grunde doch noch ganz<lb/> derſelbe blieb, — Pedant und unmodern.</p><lb/> <p>„Wallenſteins Tod“. Mitten im Band kniſterte<lb/> ein breites trockenes Epheublatt und ließ das Buch ſich<lb/> dort von ſelbſt öffnen. Ein langer feiner Bleiſtiftſtrich<lb/> den berühmten Monolog an Max entlang:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>Die Blume iſt hinweg aus meinem Leben,</l><lb/> <l>Und kalt und farblos ſeh' ich's vor mir liegen.</l><lb/> <l>Denn <hi rendition="#g">er</hi> ſtand neben mir, wie meine Jugend,</l><lb/> <l>Er machte mir das Wirkliche zum Traum,</l><lb/> <l>Um die gemeine Deutlichkeit der Dinge</l><lb/> <l>Den goldnen Duft der Morgenröte webend —</l><lb/> <l>Im Feuer ſeines liebenden Gefühls</l><lb/> <l>Erhoben ſich, mir ſelber zum Erſtaunen,</l><lb/> <l>Des Lebens flach alltägliche Geſtalten.</l><lb/> <l>— Was ich mir ferner auch erſtreben mag,</l><lb/> <l>Das Schöne iſt doch weg, das kommt nicht wieder.</l><lb/> </lg> <p>— — Ich las es ganz arglos; mir fiel nicht ein,<lb/> daß jemand hier „ſie“ für „er“ geleſen haben könnte.<lb/> Aber auch zu mir ſprach es wie ein Liebesgedicht —.</p><lb/> <p>Benno war aufgeſtanden, er hatte den Mann ab¬<lb/> gefertigt und wandte ſich mir zu.</p><lb/> <p>„Ach laß das,“ bemerkte er mit einem Anflug von<lb/> Verlegenheit, als er mich mit dem Buch in der Hand<lb/> ſitzen ſah, „hier giebt es nichts, was dich intereſſieren<lb/> könnte. Wir redeten ja ſchon geſtern davon, daß man<lb/> in allem unwiſſend und ein Stümper bleibt, was nicht<lb/> zum Beruf gehört. Ich kann nur wieder ſagen: leider!<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [149/0153]
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ſchrank im Wohnzimmer, um ſich litterariſch zu bilden,
und war jetzt alſo bei Schiller angelangt.
Dieſe Bemerkung kam mir ohne allen Hohn, — ich
freute mich drüber, daß er im Grunde doch noch ganz
derſelbe blieb, — Pedant und unmodern.
„Wallenſteins Tod“. Mitten im Band kniſterte
ein breites trockenes Epheublatt und ließ das Buch ſich
dort von ſelbſt öffnen. Ein langer feiner Bleiſtiftſtrich
den berühmten Monolog an Max entlang:
Die Blume iſt hinweg aus meinem Leben,
Und kalt und farblos ſeh' ich's vor mir liegen.
Denn er ſtand neben mir, wie meine Jugend,
Er machte mir das Wirkliche zum Traum,
Um die gemeine Deutlichkeit der Dinge
Den goldnen Duft der Morgenröte webend —
Im Feuer ſeines liebenden Gefühls
Erhoben ſich, mir ſelber zum Erſtaunen,
Des Lebens flach alltägliche Geſtalten.
— Was ich mir ferner auch erſtreben mag,
Das Schöne iſt doch weg, das kommt nicht wieder.
— — Ich las es ganz arglos; mir fiel nicht ein,
daß jemand hier „ſie“ für „er“ geleſen haben könnte.
Aber auch zu mir ſprach es wie ein Liebesgedicht —.
Benno war aufgeſtanden, er hatte den Mann ab¬
gefertigt und wandte ſich mir zu.
„Ach laß das,“ bemerkte er mit einem Anflug von
Verlegenheit, als er mich mit dem Buch in der Hand
ſitzen ſah, „hier giebt es nichts, was dich intereſſieren
könnte. Wir redeten ja ſchon geſtern davon, daß man
in allem unwiſſend und ein Stümper bleibt, was nicht
zum Beruf gehört. Ich kann nur wieder ſagen: leider!
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