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Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.

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hin nicht zur Ruhe begeben. Aber ich wache nicht davon
auf, wenn du später ins Schlafzimmer kommst."

Ich langte nach dem kleinen abgenutzten Bleistift
am Notizbuch und begann zerstreut auf dem harten grau¬
weißen Paketumschlag zu zeichnen.

"Doktor Frensdorff kommt wohl sicher nicht mit
herauf?" fragte Gabriele zögernd.

"Schwerlich," versetzte die Mutter, "er fährt mit¬
tags weit über Land und kehrt erst spät zurück."

"Also nicht!" bemerkte Gabriele in so merkwürdig
resigniertem Ton, daß ich unwillkürlich aufblickte.

Ich vermochte in dem gesenkten Gesicht, das von
feinem Kraushaar wie von einer leuchtenden Wolke um¬
schattet wurde, nichts zu lesen. Aber jetzt nachträglich
fiel mir Gabrielens fortwährendes Erröten bei unserm
gestrigen Gespräch und manches ihrer Worte auf.

Fast kam mir ein Lächeln. Wenn sie wirklich in
Benno verliebt war, so mußte man es humoristisch nen¬
nen, um wie verschiedener, ja einander ausschließender
Eigenschaften willen wir drei uns für ihn interessiert
hatten. Was ist nun ein Mensch wesentlich andres, als
was wir uns aus ihm zurechtmachen?

Aber von uns dreien traute ich Gabriele das beste
Urteil über ihn zu. Vermutlich hatte sie ganz recht damit,
daß sie eine passende Frau für Benno wäre, von der
er sich dann sicher auch genau so erziehen ließe, wie es
sich nach Gabrielens Meinung für die Frau von heute
schickte.

Da bemerkte Gabriele:

"Doktor Frensdorff ist überanstrengt und über¬

hin nicht zur Ruhe begeben. Aber ich wache nicht davon
auf, wenn du ſpäter ins Schlafzimmer kommſt.“

Ich langte nach dem kleinen abgenutzten Bleiſtift
am Notizbuch und begann zerſtreut auf dem harten grau¬
weißen Paketumſchlag zu zeichnen.

„Doktor Frensdorff kommt wohl ſicher nicht mit
herauf?“ fragte Gabriele zögernd.

„Schwerlich,“ verſetzte die Mutter, „er fährt mit¬
tags weit über Land und kehrt erſt ſpät zurück.“

„Alſo nicht!“ bemerkte Gabriele in ſo merkwürdig
reſigniertem Ton, daß ich unwillkürlich aufblickte.

Ich vermochte in dem geſenkten Geſicht, das von
feinem Kraushaar wie von einer leuchtenden Wolke um¬
ſchattet wurde, nichts zu leſen. Aber jetzt nachträglich
fiel mir Gabrielens fortwährendes Erröten bei unſerm
geſtrigen Geſpräch und manches ihrer Worte auf.

Faſt kam mir ein Lächeln. Wenn ſie wirklich in
Benno verliebt war, ſo mußte man es humoriſtiſch nen¬
nen, um wie verſchiedener, ja einander ausſchließender
Eigenſchaften willen wir drei uns für ihn intereſſiert
hatten. Was iſt nun ein Menſch weſentlich andres, als
was wir uns aus ihm zurechtmachen?

Aber von uns dreien traute ich Gabriele das beſte
Urteil über ihn zu. Vermutlich hatte ſie ganz recht damit,
daß ſie eine paſſende Frau für Benno wäre, von der
er ſich dann ſicher auch genau ſo erziehen ließe, wie es
ſich nach Gabrielens Meinung für die Frau von heute
ſchickte.

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[158/0162] — 158 — hin nicht zur Ruhe begeben. Aber ich wache nicht davon auf, wenn du ſpäter ins Schlafzimmer kommſt.“ Ich langte nach dem kleinen abgenutzten Bleiſtift am Notizbuch und begann zerſtreut auf dem harten grau¬ weißen Paketumſchlag zu zeichnen. „Doktor Frensdorff kommt wohl ſicher nicht mit herauf?“ fragte Gabriele zögernd. „Schwerlich,“ verſetzte die Mutter, „er fährt mit¬ tags weit über Land und kehrt erſt ſpät zurück.“ „Alſo nicht!“ bemerkte Gabriele in ſo merkwürdig reſigniertem Ton, daß ich unwillkürlich aufblickte. Ich vermochte in dem geſenkten Geſicht, das von feinem Kraushaar wie von einer leuchtenden Wolke um¬ ſchattet wurde, nichts zu leſen. Aber jetzt nachträglich fiel mir Gabrielens fortwährendes Erröten bei unſerm geſtrigen Geſpräch und manches ihrer Worte auf. Faſt kam mir ein Lächeln. Wenn ſie wirklich in Benno verliebt war, ſo mußte man es humoriſtiſch nen¬ nen, um wie verſchiedener, ja einander ausſchließender Eigenſchaften willen wir drei uns für ihn intereſſiert hatten. Was iſt nun ein Menſch weſentlich andres, als was wir uns aus ihm zurechtmachen? Aber von uns dreien traute ich Gabriele das beſte Urteil über ihn zu. Vermutlich hatte ſie ganz recht damit, daß ſie eine paſſende Frau für Benno wäre, von der er ſich dann ſicher auch genau ſo erziehen ließe, wie es ſich nach Gabrielens Meinung für die Frau von heute ſchickte. Da bemerkte Gabriele: „Doktor Frensdorff iſt überanſtrengt und über¬

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Zitationshilfe: Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/162>, abgerufen am 23.11.2024.