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Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.

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"Ihr seid wohl heimlich verlobt, Doktor Gerold
und du?"

"Ich glaube," sagte Mutchen zögernd.

"Du glaubst es nur?! Du weißt nicht, ob ihr ver¬
lobt seid?"

"Ja, kann man denn das so ganz genau wissen?"
Mutchens Stimme klang kläglich, "wir sind noch so jung
alle beide, er kann ja eigentlich noch gar nicht etwas so
Festes -- -- ach du, kann man denn daran denken,
wenn man jung ist und einen lieb hat?" setzte Mutchen in
raschem Stimmungswechsel resolut hinzu und merkte nicht
einmal, daß ihr das vertrauliche "Du" entschlüpft war.
"Laß mich jetzt schnell hinauf, ehe die Guste mit dem
Bier wiederkommt. Und ich danke dir! Nicht wahr,--
o nicht wahr, du verrätst es nicht? Von dir glaub ich's,
eine andre würd ich nicht einmal erst drum bitten."

"Warum dann mich, Mutchen?"

"Ich weiß nicht. Du schaust so aus. So, als
müßtest du's verstehn."

"Nun, Mutchen, verraten werd ich dich nicht. Aber
unter einer Bedingung, hörst du? nur wenn du mir alles
sagst, -- wenn du mir morgen sagst, was eigentlich
zwischen euch ist. Versprichst du mir das?"

"Ja, ja!" murmelte Mutchen, küßte mich hastig und
schlüpfte aus dem dunkeln Zimmer.

Ich stand und schüttelte den Kopf.

"Ich bin wirklich eine schöne Autorität für solchen
Mutchen-Fall!" dachte ich ratlos, "was soll das nützen,
wenn sie mir auch alles erzählt? kann ich etwa entschei¬
den und eingreifen? Gewiß thut sie unrecht mit diesen

„Ihr ſeid wohl heimlich verlobt, Doktor Gerold
und du?“

„Ich glaube,“ ſagte Mutchen zögernd.

„Du glaubſt es nur?! Du weißt nicht, ob ihr ver¬
lobt ſeid?“

„Ja, kann man denn das ſo ganz genau wiſſen?“
Mutchens Stimme klang kläglich, „wir ſind noch ſo jung
alle beide, er kann ja eigentlich noch gar nicht etwas ſo
Feſtes — — ach du, kann man denn daran denken,
wenn man jung iſt und einen lieb hat?“ ſetzte Mutchen in
raſchem Stimmungswechſel reſolut hinzu und merkte nicht
einmal, daß ihr das vertrauliche „Du“ entſchlüpft war.
„Laß mich jetzt ſchnell hinauf, ehe die Guſte mit dem
Bier wiederkommt. Und ich danke dir! Nicht wahr,—
o nicht wahr, du verrätſt es nicht? Von dir glaub ich's,
eine andre würd ich nicht einmal erſt drum bitten.“

„Warum dann mich, Mutchen?“

„Ich weiß nicht. Du ſchauſt ſo aus. So, als
müßteſt du's verſtehn.“

„Nun, Mutchen, verraten werd ich dich nicht. Aber
unter einer Bedingung, hörſt du? nur wenn du mir alles
ſagſt, — wenn du mir morgen ſagſt, was eigentlich
zwiſchen euch iſt. Verſprichſt du mir das?“

„Ja, ja!“ murmelte Mutchen, küßte mich haſtig und
ſchlüpfte aus dem dunkeln Zimmer.

Ich ſtand und ſchüttelte den Kopf.

„Ich bin wirklich eine ſchöne Autorität für ſolchen
Mutchen-Fall!“ dachte ich ratlos, „was ſoll das nützen,
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[165/0169] — 165 — „Ihr ſeid wohl heimlich verlobt, Doktor Gerold und du?“ „Ich glaube,“ ſagte Mutchen zögernd. „Du glaubſt es nur?! Du weißt nicht, ob ihr ver¬ lobt ſeid?“ „Ja, kann man denn das ſo ganz genau wiſſen?“ Mutchens Stimme klang kläglich, „wir ſind noch ſo jung alle beide, er kann ja eigentlich noch gar nicht etwas ſo Feſtes — — ach du, kann man denn daran denken, wenn man jung iſt und einen lieb hat?“ ſetzte Mutchen in raſchem Stimmungswechſel reſolut hinzu und merkte nicht einmal, daß ihr das vertrauliche „Du“ entſchlüpft war. „Laß mich jetzt ſchnell hinauf, ehe die Guſte mit dem Bier wiederkommt. Und ich danke dir! Nicht wahr,— o nicht wahr, du verrätſt es nicht? Von dir glaub ich's, eine andre würd ich nicht einmal erſt drum bitten.“ „Warum dann mich, Mutchen?“ „Ich weiß nicht. Du ſchauſt ſo aus. So, als müßteſt du's verſtehn.“ „Nun, Mutchen, verraten werd ich dich nicht. Aber unter einer Bedingung, hörſt du? nur wenn du mir alles ſagſt, — wenn du mir morgen ſagſt, was eigentlich zwiſchen euch iſt. Verſprichſt du mir das?“ „Ja, ja!“ murmelte Mutchen, küßte mich haſtig und ſchlüpfte aus dem dunkeln Zimmer. Ich ſtand und ſchüttelte den Kopf. „Ich bin wirklich eine ſchöne Autorität für ſolchen Mutchen-Fall!“ dachte ich ratlos, „was ſoll das nützen, wenn ſie mir auch alles erzählt? kann ich etwa entſchei¬ den und eingreifen? Gewiß thut ſie unrecht mit dieſen

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Zitationshilfe: Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/169>, abgerufen am 24.11.2024.