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Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.

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Mit heiserer rauh klingender Stimme brachte er
hervor:

"Wenn du -- -- hast du -- -- ist ein an¬
drer -- --"

Und als ich noch immer schwieg, ging er langsam
auf mich zu, und leise, ganz leise, als fürchtete er sich vor
seiner eignen Stimme, sagte er mit herzerschütterndem
Ausdruck:

"Dina! -- Dina! sage, daß es nicht wahr ist!
daß du keine --"

Es durchfuhr mich in diesem Augenblicke doch, wie
von einem elektrischen Schlag. Ich hörte nichts mehr und
sah nichts mehr, ein seltsamer Schwindel schien mir alle
Gegenstände und alle Gedanken zu verrücken und zu ver¬
wandeln.

"Staub zu seinen Füßen, -- jetzt bin ich ihm das
wirklich!" dachte ich mir noch dumpf, und irgend eine
unklare Vorstellung dämmerte dunkel in mir auf, daß
sich da soeben etwas Sonderbares begäbe: irgend eine
wahnsinnige Selbsterniedrigung und Selbstunterwerfung,
-- irgend ein sich zu Boden treten lassen wollen --.

Und doch löste sich dabei etwas in meiner innersten
Seele, was sich bis zum äußersten gestrafft und ge¬
spannt hatte wie ein Seelenkrampf, -- und es über¬
flutete mich mit einer zitternden Glut, und es schrie auf
und frohlockte -- --.

Und dennoch war diese ganze Situation kein wirk¬
liches, kein wahrhaftes Erleben, sondern sie war von
mir nur geschaffen, von Benno nur geglaubt, -- sie war
nur ein Schein, ein Bild, ein Traumerleben, -- ein
Nichts. -- -- -- -- --

Mit heiſerer rauh klingender Stimme brachte er
hervor:

„Wenn du — — haſt du — — iſt ein an¬
drer — —“

Und als ich noch immer ſchwieg, ging er langſam
auf mich zu, und leiſe, ganz leiſe, als fürchtete er ſich vor
ſeiner eignen Stimme, ſagte er mit herzerſchütterndem
Ausdruck:

„Dina! — Dina! ſage, daß es nicht wahr iſt!
daß du keine —“

Es durchfuhr mich in dieſem Augenblicke doch, wie
von einem elektriſchen Schlag. Ich hörte nichts mehr und
ſah nichts mehr, ein ſeltſamer Schwindel ſchien mir alle
Gegenſtände und alle Gedanken zu verrücken und zu ver¬
wandeln.

„Staub zu ſeinen Füßen, — jetzt bin ich ihm das
wirklich!“ dachte ich mir noch dumpf, und irgend eine
unklare Vorſtellung dämmerte dunkel in mir auf, daß
ſich da ſoeben etwas Sonderbares begäbe: irgend eine
wahnſinnige Selbſterniedrigung und Selbſtunterwerfung,
— irgend ein ſich zu Boden treten laſſen wollen —.

Und doch löſte ſich dabei etwas in meiner innerſten
Seele, was ſich bis zum äußerſten geſtrafft und ge¬
ſpannt hatte wie ein Seelenkrampf, — und es über¬
flutete mich mit einer zitternden Glut, und es ſchrie auf
und frohlockte — —.

Und dennoch war dieſe ganze Situation kein wirk¬
liches, kein wahrhaftes Erleben, ſondern ſie war von
mir nur geſchaffen, von Benno nur geglaubt, — ſie war
nur ein Schein, ein Bild, ein Traumerleben, — ein
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[173/0177] — 173 — Mit heiſerer rauh klingender Stimme brachte er hervor: „Wenn du — — haſt du — — iſt ein an¬ drer — —“ Und als ich noch immer ſchwieg, ging er langſam auf mich zu, und leiſe, ganz leiſe, als fürchtete er ſich vor ſeiner eignen Stimme, ſagte er mit herzerſchütterndem Ausdruck: „Dina! — Dina! ſage, daß es nicht wahr iſt! daß du keine —“ Es durchfuhr mich in dieſem Augenblicke doch, wie von einem elektriſchen Schlag. Ich hörte nichts mehr und ſah nichts mehr, ein ſeltſamer Schwindel ſchien mir alle Gegenſtände und alle Gedanken zu verrücken und zu ver¬ wandeln. „Staub zu ſeinen Füßen, — jetzt bin ich ihm das wirklich!“ dachte ich mir noch dumpf, und irgend eine unklare Vorſtellung dämmerte dunkel in mir auf, daß ſich da ſoeben etwas Sonderbares begäbe: irgend eine wahnſinnige Selbſterniedrigung und Selbſtunterwerfung, — irgend ein ſich zu Boden treten laſſen wollen —. Und doch löſte ſich dabei etwas in meiner innerſten Seele, was ſich bis zum äußerſten geſtrafft und ge¬ ſpannt hatte wie ein Seelenkrampf, — und es über¬ flutete mich mit einer zitternden Glut, und es ſchrie auf und frohlockte — —. Und dennoch war dieſe ganze Situation kein wirk¬ liches, kein wahrhaftes Erleben, ſondern ſie war von mir nur geſchaffen, von Benno nur geglaubt, — ſie war nur ein Schein, ein Bild, ein Traumerleben, — ein Nichts. — — — — —

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Zitationshilfe: Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/177>, abgerufen am 25.11.2024.