Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

"Dina --!" sagte er mit erstickter Stimme, und
man konnte sehen, wie ihn ein Schreckgefühl durchrieselte.
Ich mochte ja vor ihm dasitzen wie ein Bild der Selbst¬
anklage und Verwirrung. Und da mochten seine Zweifel
plötzlich heraufsteigen, -- Zweifel, die er mit sich herum¬
getragen, -- Zweifel, die ihm erst vor einer Woche den
Brief an mich diktiert hatten, -- Zweifel an der Un¬
berührtheit meines Mädchenlebens.

"-- Nein nein!" entfuhr es ihm wild abwehrend,
grade als widerspräche er jemand, "-- nein, es kann
nicht sein! Nicht das kann es sein, -- Adine, auf meinen
Knieen will ich es dir zuschwören, daß du mir das Höchste,
das Reinste bist, das, wovor ich kniee, und das schon
der leiseste Schatten eines Mißtrauens entstellen würde.
Was liegt an der ganzen Welt! Wenn du nur bist, die
du warst!"

Ich stieß einen Seufzer aus, mir war wie einem
Erstickenden, der Luft bekommt. Unwillkürlich falteten
sich meine Hände. Ja, dies war ein Ausweg, -- der
Schatten von Mißtrauen, der Zweifel, der Brief, --
wenn Benno an all das glaubte, dann war es ein Aus¬
weg. Allzu hergebracht streng dachte er doch in diesem
einen Punkt, und allzusehr hatte seine Phantasie mich
verklärt, um darüber mit seiner Liebe hinwegzukom¬
men --.

Benno war aufgesprungen, er starrte mich an und
atmete kurz.

Er hatte nach der Lehne des zunächststehenden Stuhles
gegriffen und umfaßte sie gewaltsam mit beiden Händen,
als wollte er sie zerbrechen. Der ganze Mann zitterte.

„Dina —!“ ſagte er mit erſtickter Stimme, und
man konnte ſehen, wie ihn ein Schreckgefühl durchrieſelte.
Ich mochte ja vor ihm daſitzen wie ein Bild der Selbſt¬
anklage und Verwirrung. Und da mochten ſeine Zweifel
plötzlich heraufſteigen, — Zweifel, die er mit ſich herum¬
getragen, — Zweifel, die ihm erſt vor einer Woche den
Brief an mich diktiert hatten, — Zweifel an der Un¬
berührtheit meines Mädchenlebens.

„— Nein nein!“ entfuhr es ihm wild abwehrend,
grade als widerſpräche er jemand, „— nein, es kann
nicht ſein! Nicht das kann es ſein, — Adine, auf meinen
Knieen will ich es dir zuſchwören, daß du mir das Höchſte,
das Reinſte biſt, das, wovor ich kniee, und das ſchon
der leiſeſte Schatten eines Mißtrauens entſtellen würde.
Was liegt an der ganzen Welt! Wenn du nur biſt, die
du warſt!“

Ich ſtieß einen Seufzer aus, mir war wie einem
Erſtickenden, der Luft bekommt. Unwillkürlich falteten
ſich meine Hände. Ja, dies war ein Ausweg, — der
Schatten von Mißtrauen, der Zweifel, der Brief, —
wenn Benno an all das glaubte, dann war es ein Aus¬
weg. Allzu hergebracht ſtreng dachte er doch in dieſem
einen Punkt, und allzuſehr hatte ſeine Phantaſie mich
verklärt, um darüber mit ſeiner Liebe hinwegzukom¬
men —.

Benno war aufgeſprungen, er ſtarrte mich an und
atmete kurz.

Er hatte nach der Lehne des zunächſtſtehenden Stuhles
gegriffen und umfaßte ſie gewaltſam mit beiden Händen,
als wollte er ſie zerbrechen. Der ganze Mann zitterte.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0176" n="172"/>
        <fw type="pageNum" place="top">&#x2014; 172 &#x2014;<lb/></fw>
        <p>&#x201E;Dina &#x2014;!&#x201C; &#x017F;agte er mit er&#x017F;tickter Stimme, und<lb/>
man konnte &#x017F;ehen, wie ihn ein Schreckgefühl durchrie&#x017F;elte.<lb/>
Ich mochte ja vor ihm da&#x017F;itzen wie ein Bild der Selb&#x017F;<lb/>
anklage und Verwirrung. Und da mochten &#x017F;eine Zweifel<lb/>
plötzlich herauf&#x017F;teigen, &#x2014; Zweifel, die er mit &#x017F;ich herum¬<lb/>
getragen, &#x2014; Zweifel, die ihm er&#x017F;t vor einer Woche den<lb/>
Brief an mich diktiert hatten, &#x2014; Zweifel an der Un¬<lb/>
berührtheit meines Mädchenlebens.</p><lb/>
        <p>&#x201E;&#x2014; Nein nein!&#x201C; entfuhr es ihm wild abwehrend,<lb/>
grade als wider&#x017F;präche er jemand, &#x201E;&#x2014; nein, es kann<lb/>
nicht &#x017F;ein! Nicht das kann es &#x017F;ein, &#x2014; Adine, auf meinen<lb/>
Knieen will ich es dir zu&#x017F;chwören, daß du mir das Höch&#x017F;te,<lb/>
das Rein&#x017F;te bi&#x017F;t, das, wovor ich kniee, und das &#x017F;chon<lb/>
der lei&#x017F;e&#x017F;te Schatten eines Mißtrauens ent&#x017F;tellen würde.<lb/>
Was liegt an der ganzen Welt! Wenn du nur bi&#x017F;t, die<lb/>
du war&#x017F;t!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Ich &#x017F;tieß einen Seufzer aus, mir war wie einem<lb/>
Er&#x017F;tickenden, der Luft bekommt. Unwillkürlich falteten<lb/>
&#x017F;ich meine Hände. Ja, dies war ein Ausweg, &#x2014; der<lb/>
Schatten von Mißtrauen, der Zweifel, der Brief, &#x2014;<lb/>
wenn Benno an all das glaubte, dann war es ein Aus¬<lb/>
weg. Allzu hergebracht &#x017F;treng dachte er doch in die&#x017F;em<lb/>
einen Punkt, und allzu&#x017F;ehr hatte &#x017F;eine Phanta&#x017F;ie mich<lb/>
verklärt, um darüber mit &#x017F;einer Liebe hinwegzukom¬<lb/>
men &#x2014;.</p><lb/>
        <p>Benno war aufge&#x017F;prungen, er &#x017F;tarrte mich an und<lb/>
atmete kurz.</p><lb/>
        <p>Er hatte nach der Lehne des zunäch&#x017F;t&#x017F;tehenden Stuhles<lb/>
gegriffen und umfaßte &#x017F;ie gewalt&#x017F;am mit beiden Händen,<lb/>
als wollte er &#x017F;ie zerbrechen. Der ganze Mann zitterte.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[172/0176] — 172 — „Dina —!“ ſagte er mit erſtickter Stimme, und man konnte ſehen, wie ihn ein Schreckgefühl durchrieſelte. Ich mochte ja vor ihm daſitzen wie ein Bild der Selbſt¬ anklage und Verwirrung. Und da mochten ſeine Zweifel plötzlich heraufſteigen, — Zweifel, die er mit ſich herum¬ getragen, — Zweifel, die ihm erſt vor einer Woche den Brief an mich diktiert hatten, — Zweifel an der Un¬ berührtheit meines Mädchenlebens. „— Nein nein!“ entfuhr es ihm wild abwehrend, grade als widerſpräche er jemand, „— nein, es kann nicht ſein! Nicht das kann es ſein, — Adine, auf meinen Knieen will ich es dir zuſchwören, daß du mir das Höchſte, das Reinſte biſt, das, wovor ich kniee, und das ſchon der leiſeſte Schatten eines Mißtrauens entſtellen würde. Was liegt an der ganzen Welt! Wenn du nur biſt, die du warſt!“ Ich ſtieß einen Seufzer aus, mir war wie einem Erſtickenden, der Luft bekommt. Unwillkürlich falteten ſich meine Hände. Ja, dies war ein Ausweg, — der Schatten von Mißtrauen, der Zweifel, der Brief, — wenn Benno an all das glaubte, dann war es ein Aus¬ weg. Allzu hergebracht ſtreng dachte er doch in dieſem einen Punkt, und allzuſehr hatte ſeine Phantaſie mich verklärt, um darüber mit ſeiner Liebe hinwegzukom¬ men —. Benno war aufgeſprungen, er ſtarrte mich an und atmete kurz. Er hatte nach der Lehne des zunächſtſtehenden Stuhles gegriffen und umfaßte ſie gewaltſam mit beiden Händen, als wollte er ſie zerbrechen. Der ganze Mann zitterte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/176
Zitationshilfe: Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/176>, abgerufen am 25.11.2024.