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Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.

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sie miteinander über ihren gemeinsamen verblichenen Pa¬
riser "Liebesroman", der gar so kurz gewesen.

Bei der Hochzeitstafel setzte Fenia ihn neben sich,
und sie tranken, zugleich mit vielen andern Paaren, so¬
gar Brüderschaft, an der jedoch nie ordentlich festgehalten
wurde. Max Werner fiel der große Ernst auf, womit
Fenia ihm alle Einzelheiten und deren Bedeutung wäh¬
rend der griechisch-katholischen Trauung, die der prote¬
stantischen folgte, zu erklären bemüht war. Ihn in¬
teressierten wohl die verschiedenen Zeremonien, die er da
sah, doch konnte er eine etwas ketzerische Bemerkung
über ihre Ueberflüssigkeit nicht unterdrücken.

"Ueberflüssig?!" sagte Fenia erstaunt, fügte jedoch
schnell hinzu: "nun freilich, für einen Fremden, der's
mitmachen muß. Für mich ist es gradezu köstlich, so
unterzutauchen in Weihrauchduft und Gesang und Kind¬
heitserinnerungen. Ich bin ja so viele Jahre fortgewesen.
-- -- Und jetzt erst fühle ich mich wieder zu Hause, wo
all dies Altvertraute wieder um mich ist. -- -- Ru߬
land hat auch darin den großen Vorzug vor andern
Ländern, daß man ganz sicher ist, alles auf dem alten Fleck
wieder vorzufinden. Da ist kein Hasten von Fortschritt
zu Fortschritt, -- es ist alles jahraus, jahrein dasselbe."

Ueber dies vaterländische Kompliment mußte Max
Werner lachen.

"Auch ein Grund, seine Heimat zu verehren!" be¬
merkte er heiter, "aber in diesem besondern Fall --
denken Sie -- denkst du -- doch auch nicht mehr wie
einst als Kind. Diese langen Trauungszeremonien sind
ihres tieferen Sinnes ja doch entkleidet."

ſie miteinander über ihren gemeinſamen verblichenen Pa¬
riſer „Liebesroman“, der gar ſo kurz geweſen.

Bei der Hochzeitstafel ſetzte Fenia ihn neben ſich,
und ſie tranken, zugleich mit vielen andern Paaren, ſo¬
gar Brüderſchaft, an der jedoch nie ordentlich feſtgehalten
wurde. Max Werner fiel der große Ernſt auf, womit
Fenia ihm alle Einzelheiten und deren Bedeutung wäh¬
rend der griechiſch-katholiſchen Trauung, die der prote¬
ſtantiſchen folgte, zu erklären bemüht war. Ihn in¬
tereſſierten wohl die verſchiedenen Zeremonien, die er da
ſah, doch konnte er eine etwas ketzeriſche Bemerkung
über ihre Ueberflüſſigkeit nicht unterdrücken.

„Ueberflüſſig?!“ ſagte Fenia erſtaunt, fügte jedoch
ſchnell hinzu: „nun freilich, für einen Fremden, der's
mitmachen muß. Für mich iſt es gradezu köſtlich, ſo
unterzutauchen in Weihrauchduft und Geſang und Kind¬
heitserinnerungen. Ich bin ja ſo viele Jahre fortgeweſen.
— — Und jetzt erſt fühle ich mich wieder zu Hauſe, wo
all dies Altvertraute wieder um mich iſt. — — Ru߬
land hat auch darin den großen Vorzug vor andern
Ländern, daß man ganz ſicher iſt, alles auf dem alten Fleck
wieder vorzufinden. Da iſt kein Haſten von Fortſchritt
zu Fortſchritt, — es iſt alles jahraus, jahrein dasſelbe.“

Ueber dies vaterländiſche Kompliment mußte Max
Werner lachen.

„Auch ein Grund, ſeine Heimat zu verehren!“ be¬
merkte er heiter, „aber in dieſem beſondern Fall —
denken Sie — denkſt du — doch auch nicht mehr wie
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[29/0033] — 29 — ſie miteinander über ihren gemeinſamen verblichenen Pa¬ riſer „Liebesroman“, der gar ſo kurz geweſen. Bei der Hochzeitstafel ſetzte Fenia ihn neben ſich, und ſie tranken, zugleich mit vielen andern Paaren, ſo¬ gar Brüderſchaft, an der jedoch nie ordentlich feſtgehalten wurde. Max Werner fiel der große Ernſt auf, womit Fenia ihm alle Einzelheiten und deren Bedeutung wäh¬ rend der griechiſch-katholiſchen Trauung, die der prote¬ ſtantiſchen folgte, zu erklären bemüht war. Ihn in¬ tereſſierten wohl die verſchiedenen Zeremonien, die er da ſah, doch konnte er eine etwas ketzeriſche Bemerkung über ihre Ueberflüſſigkeit nicht unterdrücken. „Ueberflüſſig?!“ ſagte Fenia erſtaunt, fügte jedoch ſchnell hinzu: „nun freilich, für einen Fremden, der's mitmachen muß. Für mich iſt es gradezu köſtlich, ſo unterzutauchen in Weihrauchduft und Geſang und Kind¬ heitserinnerungen. Ich bin ja ſo viele Jahre fortgeweſen. — — Und jetzt erſt fühle ich mich wieder zu Hauſe, wo all dies Altvertraute wieder um mich iſt. — — Ru߬ land hat auch darin den großen Vorzug vor andern Ländern, daß man ganz ſicher iſt, alles auf dem alten Fleck wieder vorzufinden. Da iſt kein Haſten von Fortſchritt zu Fortſchritt, — es iſt alles jahraus, jahrein dasſelbe.“ Ueber dies vaterländiſche Kompliment mußte Max Werner lachen. „Auch ein Grund, ſeine Heimat zu verehren!“ be¬ merkte er heiter, „aber in dieſem beſondern Fall — denken Sie — denkſt du — doch auch nicht mehr wie einſt als Kind. Dieſe langen Trauungszeremonien ſind ihres tieferen Sinnes ja doch entkleidet.“

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Zitationshilfe: Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/33>, abgerufen am 21.11.2024.