Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.wohnte. Irmgard würde ihm schwerlich eine solche Ant¬ Oben im Empfangssalon des Admirals war leider Etwa noch eine Stunde lang vollzog sich das mit wohnte. Irmgard würde ihm ſchwerlich eine ſolche Ant¬ Oben im Empfangsſalon des Admirals war leider Etwa noch eine Stunde lang vollzog ſich das mit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0045" n="41"/><fw type="pageNum" place="top">— 41 —<lb/></fw>wohnte. Irmgard würde ihm ſchwerlich eine ſolche Ant¬<lb/> wort gegeben haben, — ſind die ruſſiſchen Mädchen phleg¬<lb/> matiſcher, oder proſaiſcher? — fragte er ſich. Oder ſprach<lb/> Fenia nicht nur deshalb in dieſer Weiſe, weil ſie wie<lb/> ein Blinder von der Farbe ſprach? Möglicherweiſe hatte<lb/> ihr Temperament hier ſeinen blinden Fleck.</p><lb/> <p>Oben im Empfangsſalon des Admirals war leider<lb/> noch der <hi rendition="#aq">jour fixe</hi> im vollen Gange. Um die Geſell¬<lb/> ſchafterin und die beiden älteren Töchter herum ſaßen<lb/> noch etwa ein Dutzend blitzender Uniformen und dunkler<lb/> Damentoiletten und machten jene überaus angeregt er¬<lb/> ſcheinende und überaus langweilige und langweilende<lb/> Konverſation, wofür die konventionell abgeſchliffene<lb/> Eleganz der franzöſiſchen Sprache ſich ſo beſonders gut<lb/> eignet. Es war ganz amüſant, den tadelloſen Mecha¬<lb/> nismus dieſes Kommens, Sprechens und Fortgehens der<lb/> durcheinanderſummenden Menſchen zu beobachten, von<lb/> denen jeder etwa eine Viertelſtunde blieb, um dann<lb/> von der zweitjüngeren Tochter des Hauſes durch eine<lb/> Flucht von Sälen bis in das Vorzimmer geleitet zu wer¬<lb/> den, wo zwei Diener in Matroſenlivree ihn in Empfang<lb/> nahmen.</p><lb/> <p>Etwa noch eine Stunde lang vollzog ſich das mit<lb/> der Regelmäßigkeit und Genauigkeit eines Uhrwerks.<lb/> Dann ging der letzte der Gäſte, und der Baron Rave¬<lb/> nius, ein hagerer alter Herr mit überariſtokratiſchen<lb/> Händen und Füßen und ſtark gelichtetem grauem Haar<lb/> und Bart, reichte ſeiner Nichte Fenia mit altmodiſcher<lb/> Galanterie den Arm, um ſie zur Mittagstafel zu führen,<lb/> wo er ſorgſam den Stuhl für ſie abrückte.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [41/0045]
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wohnte. Irmgard würde ihm ſchwerlich eine ſolche Ant¬
wort gegeben haben, — ſind die ruſſiſchen Mädchen phleg¬
matiſcher, oder proſaiſcher? — fragte er ſich. Oder ſprach
Fenia nicht nur deshalb in dieſer Weiſe, weil ſie wie
ein Blinder von der Farbe ſprach? Möglicherweiſe hatte
ihr Temperament hier ſeinen blinden Fleck.
Oben im Empfangsſalon des Admirals war leider
noch der jour fixe im vollen Gange. Um die Geſell¬
ſchafterin und die beiden älteren Töchter herum ſaßen
noch etwa ein Dutzend blitzender Uniformen und dunkler
Damentoiletten und machten jene überaus angeregt er¬
ſcheinende und überaus langweilige und langweilende
Konverſation, wofür die konventionell abgeſchliffene
Eleganz der franzöſiſchen Sprache ſich ſo beſonders gut
eignet. Es war ganz amüſant, den tadelloſen Mecha¬
nismus dieſes Kommens, Sprechens und Fortgehens der
durcheinanderſummenden Menſchen zu beobachten, von
denen jeder etwa eine Viertelſtunde blieb, um dann
von der zweitjüngeren Tochter des Hauſes durch eine
Flucht von Sälen bis in das Vorzimmer geleitet zu wer¬
den, wo zwei Diener in Matroſenlivree ihn in Empfang
nahmen.
Etwa noch eine Stunde lang vollzog ſich das mit
der Regelmäßigkeit und Genauigkeit eines Uhrwerks.
Dann ging der letzte der Gäſte, und der Baron Rave¬
nius, ein hagerer alter Herr mit überariſtokratiſchen
Händen und Füßen und ſtark gelichtetem grauem Haar
und Bart, reichte ſeiner Nichte Fenia mit altmodiſcher
Galanterie den Arm, um ſie zur Mittagstafel zu führen,
wo er ſorgſam den Stuhl für ſie abrückte.
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