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Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.

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Du weißt, es kann eine Ehre sein, Feinde zu haben!
-- -- Kennst du irgend jemand, der ein Interesse
daran hätte, dich zu verleumden?"

Sie schaute erstaunt und lächelnd auf.

"Ich?! -- -- sicher nicht. -- Hat sich ein
solcher Bösewicht gefunden?"

"Das wird ja ordentlich interessant," bemerkte Max
Werner und stand auf, "da könnte ich am Ende noch hier
für Fenia gegen irgend einen sibirischen Drachen zu Felde
ziehen?"

Aber der Onkel teilte die heitere Stimmung nicht;
seine Miene blieb so feierlich und besorgt wie zuvor.

"Ich bitte euch, es ernst zu nehmen," sagte er, beide
Hände auf den Lehnen seines Sessels, -- "laß jetzt das
Spiel mit der Hündin, Fenia! Es ist eine ganz abscheu¬
liche Verleumdung, worum es sich handelt. Jemand
behauptet, dich gesehen zu haben, -- zu sehr vorgerückter
Nachtstunde in einer entlegenen Straße, -- zusammen
mit einem Herrn."

"Wer ist es, der es behauptet?" warf Fenia ein.

"Das eben möchte ich durchaus ermitteln: die erste
Quelle des Klatsches," erwiderte der Onkel unruhig, "mir
ist die Mitteilung vom schändlichen Gerücht durch einen
erprobten alten Freund des Hauses zugegangen, der sich
mit mir darüber aufregt."

"Mein Gott! daß du das so ruhig nehmen kannst!"
murmelte Nadeschda, die neben Fenia saß, und langsam
ihren Kaffee schlürfte, "ich war ganz außer mir, wie ich
davon erfuhr. Wie schlecht ist die Welt! Ich zerbrach
mir dermaßen den Kopf darüber, daß ich fast meine

Du weißt, es kann eine Ehre ſein, Feinde zu haben!
— — Kennſt du irgend jemand, der ein Intereſſe
daran hätte, dich zu verleumden?“

Sie ſchaute erſtaunt und lächelnd auf.

„Ich?! — — ſicher nicht. — Hat ſich ein
ſolcher Böſewicht gefunden?“

„Das wird ja ordentlich intereſſant,“ bemerkte Max
Werner und ſtand auf, „da könnte ich am Ende noch hier
für Fenia gegen irgend einen ſibiriſchen Drachen zu Felde
ziehen?“

Aber der Onkel teilte die heitere Stimmung nicht;
ſeine Miene blieb ſo feierlich und beſorgt wie zuvor.

„Ich bitte euch, es ernſt zu nehmen,“ ſagte er, beide
Hände auf den Lehnen ſeines Seſſels, — „laß jetzt das
Spiel mit der Hündin, Fenia! Es iſt eine ganz abſcheu¬
liche Verleumdung, worum es ſich handelt. Jemand
behauptet, dich geſehen zu haben, — zu ſehr vorgerückter
Nachtſtunde in einer entlegenen Straße, — zuſammen
mit einem Herrn.“

„Wer iſt es, der es behauptet?“ warf Fenia ein.

„Das eben möchte ich durchaus ermitteln: die erſte
Quelle des Klatſches,“ erwiderte der Onkel unruhig, „mir
iſt die Mitteilung vom ſchändlichen Gerücht durch einen
erprobten alten Freund des Hauſes zugegangen, der ſich
mit mir darüber aufregt.“

„Mein Gott! daß du das ſo ruhig nehmen kannſt!“
murmelte Nadeſchda, die neben Fenia ſaß, und langſam
ihren Kaffee ſchlürfte, „ich war ganz außer mir, wie ich
davon erfuhr. Wie ſchlecht iſt die Welt! Ich zerbrach
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[44/0048] — 44 — Du weißt, es kann eine Ehre ſein, Feinde zu haben! — — Kennſt du irgend jemand, der ein Intereſſe daran hätte, dich zu verleumden?“ Sie ſchaute erſtaunt und lächelnd auf. „Ich?! — — ſicher nicht. — Hat ſich ein ſolcher Böſewicht gefunden?“ „Das wird ja ordentlich intereſſant,“ bemerkte Max Werner und ſtand auf, „da könnte ich am Ende noch hier für Fenia gegen irgend einen ſibiriſchen Drachen zu Felde ziehen?“ Aber der Onkel teilte die heitere Stimmung nicht; ſeine Miene blieb ſo feierlich und beſorgt wie zuvor. „Ich bitte euch, es ernſt zu nehmen,“ ſagte er, beide Hände auf den Lehnen ſeines Seſſels, — „laß jetzt das Spiel mit der Hündin, Fenia! Es iſt eine ganz abſcheu¬ liche Verleumdung, worum es ſich handelt. Jemand behauptet, dich geſehen zu haben, — zu ſehr vorgerückter Nachtſtunde in einer entlegenen Straße, — zuſammen mit einem Herrn.“ „Wer iſt es, der es behauptet?“ warf Fenia ein. „Das eben möchte ich durchaus ermitteln: die erſte Quelle des Klatſches,“ erwiderte der Onkel unruhig, „mir iſt die Mitteilung vom ſchändlichen Gerücht durch einen erprobten alten Freund des Hauſes zugegangen, der ſich mit mir darüber aufregt.“ „Mein Gott! daß du das ſo ruhig nehmen kannſt!“ murmelte Nadeſchda, die neben Fenia ſaß, und langſam ihren Kaffee ſchlürfte, „ich war ganz außer mir, wie ich davon erfuhr. Wie ſchlecht iſt die Welt! Ich zerbrach mir dermaßen den Kopf darüber, daß ich faſt meine

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Zitationshilfe: Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/48>, abgerufen am 21.11.2024.