Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.schmack. Beziehen sich denn darauf die anderen schönen Künste Man nimmt zwei Urkräfte an, nach welchen Monde, Er- Um nun auf unsern Gegenstand zurückzukommen, so er- ſchmack. Beziehen ſich denn darauf die anderen ſchoͤnen Kuͤnſte Man nimmt zwei Urkraͤfte an, nach welchen Monde, Er- Um nun auf unſern Gegenſtand zuruͤckzukommen, ſo er- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0109" n="95"/> ſchmack. Beziehen ſich denn darauf die anderen ſchoͤnen Kuͤnſte<lb/> nicht auch? und was will Eſſen ohne Sehen, was will blindes<lb/> Wirken bedeuten? Das iſt alſo keine Antwort. Indem ich<lb/> ſchließlich dieſe Frage zu beantworten ſuchen will, offenbare ich<lb/> zugleich ein großes Geheimniß.</p><lb/> <p>Man nimmt zwei Urkraͤfte an, nach welchen Monde, Er-<lb/> den und Sonnen ihre Bahnen beſchreiben, durch welche das<lb/> Univerſum zugleich auseinander und zuſammengehalten wird<lb/> und es waͤre ſonderbar, wenn ſo Großes wie das All, und<lb/> nicht zugleich alles Moͤgliche damit zu erklaͤren waͤre. Ich<lb/> brauche nicht erſt zu ſagen, daß ich Centripetalitaͤt und Centri-<lb/> fugalitaͤt meine. Wenn man nun irgend etwas erklaͤren ſoll,<lb/> mit dem man bald und kurz fertig werden will, ſo ſage man<lb/> mit Wichtigkeit: ſeine Bedeutung muß als eine centripetale<lb/> oder centrifugale erfaßt und begriffen werden. Damit iſt Kaͤlte<lb/> und Waͤrme, Schlaf und Wachen, Weiblich und Maͤnnlich, Ge-<lb/> muͤth und That, Schmerz und Luſt, Schuͤtze und Scheibe,<lb/> Ambos und Hammer, Contraction und Expanſion, Nehmen<lb/> und Geben, Seiler und Petſchierſtecher, Geiz und Verſchwen-<lb/> dung, Syſtole und Diaſtole, Neid und Liebe, Ein- und Aus-<lb/> athmen, Gepruͤgeltwerden und Pruͤgeln, Gewinn und Verluſt,<lb/> kurz Alles erklaͤrt.</p><lb/> <p>Um nun auf unſern Gegenſtand zuruͤckzukommen, ſo er-<lb/> hellt leicht, wie die uͤbrigen Kuͤnſtler alle etwas außer ſich dar-<lb/> zuſtellen ſuchen und ſtreben, aus ſich hinaus arbeiten, centri-<lb/> fugal ſind. Des Eßkuͤnſtlers naͤchſtes Ziel aber iſt, in ſich hin-<lb/> ein zu arbeiten, centripetal zu ſein. Und das iſt der Humor<lb/> davon.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </body> </text> </TEI> [95/0109]
ſchmack. Beziehen ſich denn darauf die anderen ſchoͤnen Kuͤnſte
nicht auch? und was will Eſſen ohne Sehen, was will blindes
Wirken bedeuten? Das iſt alſo keine Antwort. Indem ich
ſchließlich dieſe Frage zu beantworten ſuchen will, offenbare ich
zugleich ein großes Geheimniß.
Man nimmt zwei Urkraͤfte an, nach welchen Monde, Er-
den und Sonnen ihre Bahnen beſchreiben, durch welche das
Univerſum zugleich auseinander und zuſammengehalten wird
und es waͤre ſonderbar, wenn ſo Großes wie das All, und
nicht zugleich alles Moͤgliche damit zu erklaͤren waͤre. Ich
brauche nicht erſt zu ſagen, daß ich Centripetalitaͤt und Centri-
fugalitaͤt meine. Wenn man nun irgend etwas erklaͤren ſoll,
mit dem man bald und kurz fertig werden will, ſo ſage man
mit Wichtigkeit: ſeine Bedeutung muß als eine centripetale
oder centrifugale erfaßt und begriffen werden. Damit iſt Kaͤlte
und Waͤrme, Schlaf und Wachen, Weiblich und Maͤnnlich, Ge-
muͤth und That, Schmerz und Luſt, Schuͤtze und Scheibe,
Ambos und Hammer, Contraction und Expanſion, Nehmen
und Geben, Seiler und Petſchierſtecher, Geiz und Verſchwen-
dung, Syſtole und Diaſtole, Neid und Liebe, Ein- und Aus-
athmen, Gepruͤgeltwerden und Pruͤgeln, Gewinn und Verluſt,
kurz Alles erklaͤrt.
Um nun auf unſern Gegenſtand zuruͤckzukommen, ſo er-
hellt leicht, wie die uͤbrigen Kuͤnſtler alle etwas außer ſich dar-
zuſtellen ſuchen und ſtreben, aus ſich hinaus arbeiten, centri-
fugal ſind. Des Eßkuͤnſtlers naͤchſtes Ziel aber iſt, in ſich hin-
ein zu arbeiten, centripetal zu ſein. Und das iſt der Humor
davon.
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