Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.Anerkennung, seufzet Ihr nach Theilnahme vergebens, -- hier "Komm her! wir setzen uns zu Tisch, Wen möchte solche Narrheit rühren! Die Welt geh' auseinander wie ein fauler Fisch, Wir wollen sie nicht balsamiren." Aber warum ist jener einsam stehende Mann so tief be- Hierher Jüngling! Siehe da die unglückseeligen Folgen Goethe bemerkte hinter dem Brenner eine entschiedne Anerkennung, ſeufzet Ihr nach Theilnahme vergebens, — hier „Komm her! wir ſetzen uns zu Tiſch, Wen moͤchte ſolche Narrheit ruͤhren! Die Welt geh’ auseinander wie ein fauler Fiſch, Wir wollen ſie nicht balſamiren.“ Aber warum iſt jener einſam ſtehende Mann ſo tief be- Hierher Juͤngling! Siehe da die ungluͤckſeeligen Folgen Goethe bemerkte hinter dem Brenner eine entſchiedne <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0114" n="100"/> Anerkennung, ſeufzet Ihr nach Theilnahme vergebens, — hier<lb/> iſt Sympathie, hier Aufrichtigkeit, hier ungeheucheltes Mitge-<lb/> fuͤhl. Druͤckt Euch Gram, daß Niemand den Mund aufzuthun<lb/> wagt, uͤber die großen <hi rendition="#aq">Sottises des deux parts</hi> der Zeit, oder<lb/> daß Sprechende durch Knebeln widerlegt werden, — hier be-<lb/> wegen ſich ungehemmt, luſtig und tapfer Zungen und Lippen.</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„Komm her! wir ſetzen uns zu Tiſch,</l><lb/> <l>Wen moͤchte ſolche Narrheit ruͤhren!</l><lb/> <l>Die Welt geh’ auseinander wie ein fauler Fiſch,</l><lb/> <l>Wir wollen ſie nicht balſamiren.“</l> </lg><lb/> <p>Aber warum iſt jener einſam ſtehende Mann ſo tief be-<lb/> truͤbt, warum ſeine duͤſtre Stirn ſo krauß, ſeine truͤben Augen<lb/> ſo finſter, ſein bleiches Antlitz ſo ſchmerzverzerrt? Warum ent-<lb/> winden ſich ſeiner gepreßten Bruſt ſo ſchwere Seufzer? Wa-<lb/> rum ſo liebeleer, ſo lebensmatt, ſo thatenſchwach? —</p><lb/> <p>Hierher Juͤngling! Siehe da die ungluͤckſeeligen Folgen<lb/> einer unzweckmaͤßig bereiteten und im Uebermaaß genoſſenen Aal-<lb/> paſtete, wozu ſchlechter Wein getrunken wurde! Das wuͤrde<lb/> einem Eßkuͤnſtler nie begegnet ſein. <hi rendition="#g">Jean Paul</hi> ſagt das<lb/> Naͤmliche, aber nicht ſo ſchoͤn, in folgenden Worten: „Gehe mit<lb/> einem Magen, der Unverdautes oder Brechweinſtein bei ſich<lb/> hat, uͤber die Gaſſe, ſo wirſt du an zwanzig Herzen und Ge-<lb/> ſichtern, und wenn du nach Hauſe kommſt, an noch mehreren<lb/> Buͤchern, ein innigeres ſittliches und aͤſthetiſches Mißbehagen<lb/> empfinden als ſonſt.“</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Goethe</hi> bemerkte hinter dem Brenner eine entſchiedne<lb/> Veraͤnderung der Menſchengeſtalten, beſonders mißfielen ihm die<lb/> braͤunlich bleiche Farbe der Weiber, die auf Elend deutenden<lb/> Geſichtszuͤge, die erbaͤrmlichen Kinder ꝛc. Sehr richtig ſuchte<lb/> und fand er den Grund im ſchlechten Eſſen der Ungluͤcklichen.<lb/> Nichts als Mais und Haidekorn, daraus bereiteter Mehl- und<lb/> Waſſerbrei, und das ganze Jahr kein Fleiſch. „Nothwendig,“<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [100/0114]
Anerkennung, ſeufzet Ihr nach Theilnahme vergebens, — hier
iſt Sympathie, hier Aufrichtigkeit, hier ungeheucheltes Mitge-
fuͤhl. Druͤckt Euch Gram, daß Niemand den Mund aufzuthun
wagt, uͤber die großen Sottises des deux parts der Zeit, oder
daß Sprechende durch Knebeln widerlegt werden, — hier be-
wegen ſich ungehemmt, luſtig und tapfer Zungen und Lippen.
„Komm her! wir ſetzen uns zu Tiſch,
Wen moͤchte ſolche Narrheit ruͤhren!
Die Welt geh’ auseinander wie ein fauler Fiſch,
Wir wollen ſie nicht balſamiren.“
Aber warum iſt jener einſam ſtehende Mann ſo tief be-
truͤbt, warum ſeine duͤſtre Stirn ſo krauß, ſeine truͤben Augen
ſo finſter, ſein bleiches Antlitz ſo ſchmerzverzerrt? Warum ent-
winden ſich ſeiner gepreßten Bruſt ſo ſchwere Seufzer? Wa-
rum ſo liebeleer, ſo lebensmatt, ſo thatenſchwach? —
Hierher Juͤngling! Siehe da die ungluͤckſeeligen Folgen
einer unzweckmaͤßig bereiteten und im Uebermaaß genoſſenen Aal-
paſtete, wozu ſchlechter Wein getrunken wurde! Das wuͤrde
einem Eßkuͤnſtler nie begegnet ſein. Jean Paul ſagt das
Naͤmliche, aber nicht ſo ſchoͤn, in folgenden Worten: „Gehe mit
einem Magen, der Unverdautes oder Brechweinſtein bei ſich
hat, uͤber die Gaſſe, ſo wirſt du an zwanzig Herzen und Ge-
ſichtern, und wenn du nach Hauſe kommſt, an noch mehreren
Buͤchern, ein innigeres ſittliches und aͤſthetiſches Mißbehagen
empfinden als ſonſt.“
Goethe bemerkte hinter dem Brenner eine entſchiedne
Veraͤnderung der Menſchengeſtalten, beſonders mißfielen ihm die
braͤunlich bleiche Farbe der Weiber, die auf Elend deutenden
Geſichtszuͤge, die erbaͤrmlichen Kinder ꝛc. Sehr richtig ſuchte
und fand er den Grund im ſchlechten Eſſen der Ungluͤcklichen.
Nichts als Mais und Haidekorn, daraus bereiteter Mehl- und
Waſſerbrei, und das ganze Jahr kein Fleiſch. „Nothwendig,“
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