Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.Caffee mit der Tasse, den Wein mit dem Glase. Noch mehr, Dieser große Mann entwickelte dabei manchmal den lie- Unter Anderm folgt hieraus: Esse nichts Ungenießbares, Ueber das entgegengesetzte Gebot: Esse nicht zu wenig! -- Caffée mit der Taſſe, den Wein mit dem Glaſe. Noch mehr, Dieſer große Mann entwickelte dabei manchmal den lie- Unter Anderm folgt hieraus: Eſſe nichts Ungenießbares, Ueber das entgegengeſetzte Gebot: Eſſe nicht zu wenig! — <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0120" n="106"/> Caff<hi rendition="#aq">é</hi>e mit der Taſſe, den Wein mit dem Glaſe. Noch mehr,<lb/> er nahm ſogar ein bleiernes Schreibzeug mit Dinte, Streuſand,<lb/> Federn und Federmeſſer zu ſich. Ein wahrer Eßpolyhiſtor! Ein<lb/><hi rendition="#g">Morhof</hi> in ſeinem Fach!</p><lb/> <p>Dieſer große Mann entwickelte dabei manchmal den lie-<lb/> benswuͤrdigſten Humor. So fraß er z. B. einmal in einem<lb/> Wirthshaus, dem liebſten Schauplatz ſeiner Darſtellungen, einen<lb/> ganzen Dudelſack. Der Virtuoſe, dem er gehoͤrte, ein reiſender<lb/> Pohle, hatte eben, vom prophetiſchen Geiſte ergriffen, das ſchoͤne<lb/> Lied geblaſen: „Pohlen iſt noch nicht verloren“ und glaubte<lb/> nun, nachdem der Dudelſack gefreſſen war, jetzt kaͤme die Reihe<lb/> des Gefreſſenswerdens an ihn, lief daher, ſo ſchnell er konnte,<lb/> davon und <hi rendition="#g">Kahle</hi>, zur großen Beluſtigung der Gaͤſte des<lb/> Wirthshauſes zum ſchwarzen Adler, ihm nach.</p><lb/> <p>Unter Anderm folgt hieraus: Eſſe nichts Ungenießbares,<lb/> eſſe nichts, was Du nicht verdauen kannſt!</p><lb/> <p>Ueber das entgegengeſetzte Gebot: Eſſe nicht zu wenig! —<lb/> ſage ich deßhalb wenig, weil Faͤlle, welche ſich dafuͤr eigneten,<lb/> ſehr ſelten vorkommen, und wo ſich dieſes Gebot geltend machen<lb/> koͤnnte, die Schuld weniger am moraliſchen Willen, als an dem<lb/> kleinen, organiſch verengerten Magen liegt, der eben nicht viel<lb/> faßt und vertraͤgt, wogegen aber Mittel und Gebote gleich uͤber-<lb/> fluͤſſig ſind. Das moͤchte etwa hier zu erinnern ſein, daß ſolche<lb/> kleine Maͤgen, welche wenig faſſen und vertragen, nicht affek-<lb/> tiren und groß damit thun ſollten, als wollten und moͤchten ſie<lb/> nicht mehr zu ſich nehmen, waͤhrend ſie doch nicht koͤnnen.<lb/> Solche ſuchen gerne Collegen von umfaſſenderer Capazitaͤt und<lb/> daher umfaſſenderem Bedarf, als unſittliche Maͤgen zu ver-<lb/> ſchreien, und dieß iſt eine Hauptquelle der Mediſance auf Erden.<lb/> Der als Schwelger verrufene <hi rendition="#g">Lucull</hi>, von dem <hi rendition="#g">Byron</hi> ſagt,<lb/> er habe ſich durch ſeine Kochkunſt groͤßere Verdienſte erworben,<lb/> als durch ſeine Eroberungen, war ein eben ſo tapferer Kriegs-<lb/> held, als decitirter Platoniker.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [106/0120]
Caffée mit der Taſſe, den Wein mit dem Glaſe. Noch mehr,
er nahm ſogar ein bleiernes Schreibzeug mit Dinte, Streuſand,
Federn und Federmeſſer zu ſich. Ein wahrer Eßpolyhiſtor! Ein
Morhof in ſeinem Fach!
Dieſer große Mann entwickelte dabei manchmal den lie-
benswuͤrdigſten Humor. So fraß er z. B. einmal in einem
Wirthshaus, dem liebſten Schauplatz ſeiner Darſtellungen, einen
ganzen Dudelſack. Der Virtuoſe, dem er gehoͤrte, ein reiſender
Pohle, hatte eben, vom prophetiſchen Geiſte ergriffen, das ſchoͤne
Lied geblaſen: „Pohlen iſt noch nicht verloren“ und glaubte
nun, nachdem der Dudelſack gefreſſen war, jetzt kaͤme die Reihe
des Gefreſſenswerdens an ihn, lief daher, ſo ſchnell er konnte,
davon und Kahle, zur großen Beluſtigung der Gaͤſte des
Wirthshauſes zum ſchwarzen Adler, ihm nach.
Unter Anderm folgt hieraus: Eſſe nichts Ungenießbares,
eſſe nichts, was Du nicht verdauen kannſt!
Ueber das entgegengeſetzte Gebot: Eſſe nicht zu wenig! —
ſage ich deßhalb wenig, weil Faͤlle, welche ſich dafuͤr eigneten,
ſehr ſelten vorkommen, und wo ſich dieſes Gebot geltend machen
koͤnnte, die Schuld weniger am moraliſchen Willen, als an dem
kleinen, organiſch verengerten Magen liegt, der eben nicht viel
faßt und vertraͤgt, wogegen aber Mittel und Gebote gleich uͤber-
fluͤſſig ſind. Das moͤchte etwa hier zu erinnern ſein, daß ſolche
kleine Maͤgen, welche wenig faſſen und vertragen, nicht affek-
tiren und groß damit thun ſollten, als wollten und moͤchten ſie
nicht mehr zu ſich nehmen, waͤhrend ſie doch nicht koͤnnen.
Solche ſuchen gerne Collegen von umfaſſenderer Capazitaͤt und
daher umfaſſenderem Bedarf, als unſittliche Maͤgen zu ver-
ſchreien, und dieß iſt eine Hauptquelle der Mediſance auf Erden.
Der als Schwelger verrufene Lucull, von dem Byron ſagt,
er habe ſich durch ſeine Kochkunſt groͤßere Verdienſte erworben,
als durch ſeine Eroberungen, war ein eben ſo tapferer Kriegs-
held, als decitirter Platoniker.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |