Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.Gewiß ist, daß das zu wenig, zu hastig, das ohne Hei- Als eine der gemeinsten und häufigsten Ursachen der ver- Uebermaaß im Essen schadet aber ganz besonders dann, Sollte es aber geschehen, daß selbst einem Eßkünstler etwas 9*
Gewiß iſt, daß das zu wenig, zu haſtig, das ohne Hei- Als eine der gemeinſten und haͤufigſten Urſachen der ver- Uebermaaß im Eſſen ſchadet aber ganz beſonders dann, Sollte es aber geſchehen, daß ſelbſt einem Eßkuͤnſtler etwas 9*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0145" n="131"/> <p>Gewiß iſt, daß das zu wenig, zu haſtig, das ohne Hei-<lb/> terkeit Eſſen, das nicht gut Ausgewaͤhlte und Verbundene, wenn<lb/> nicht oͤfter, doch eben ſo oft als krankmachend in Betracht<lb/> kommt. Nie iſt auch zu vergeſſen, daß nicht das, was man ißt<lb/> oder lieſt, ſondern was man verdaut und verſteht, naͤhrt und<lb/> gedeihlich iſt; das Unverdaute aber ſchadet, und das Schwaͤch-<lb/> liche und zu Leichte nicht minder. Papſt <hi rendition="#g">Julius</hi> <hi rendition="#aq">III.</hi> ſtellte<lb/> ſich aus politiſchen Urſachen krank und ließ ſich, um dieſen<lb/> Vorwand glaublicher zu machen, lauter leichte Speiſen bringen,<lb/> woran er im Ernſt krank wurde und ſtarb.</p><lb/> <p>Als eine der gemeinſten und haͤufigſten Urſachen der ver-<lb/> ſchiedenſten Krankheiten werden Unreinigkeiten der erſten Wege,<lb/> wie die Aerzte ſagen, anerkannt. Dergleichen kommt aber eben<lb/> davon her, wenn die Leute ſchlechtes Zeug eſſen, oder nicht<lb/> ſchoͤn eſſen, d. h. freſſen, oder in ungeeigneter Verbindung und<lb/> ohne Bewußtſein eſſen.</p><lb/> <p>Uebermaaß im Eſſen ſchadet aber ganz beſonders dann,<lb/> wenn man ſehr viel auf einmal ißt. Es iſt aber erſtaunlich,<lb/> wie viel der Menſch vermag, wenn man ihm Zeit laͤßt. Abge-<lb/> ſehen von dem langſamen Kauen, als Ur- und Grundbedingung<lb/> vernuͤnftigen Eſſens, verdienen die noͤthigen Pauſen zwiſchen<lb/> den einzelnen Schuͤſſeln die hoͤchſte Ruͤckſicht. Solche Zwiſchen-<lb/> akte waͤren dann, wie ſchon bemerkt, ſehr fuͤglich durch geeignete<lb/> Tafelmuſik auszufuͤllen, und zwar ſollten dieſe Pauſen, je ſpaͤter<lb/> im Verlaufe des Eſſens ſie vorkommen, um ſo laͤnger ſein, ſo<lb/> daß alſo die erſte vom Voreſſen bis zum Braten die kuͤrzeſte<lb/> und ſo zunehmend die letzte zum Deſſert die laͤngſte waͤre.</p><lb/> <p>Sollte es aber geſchehen, daß ſelbſt einem Eßkuͤnſtler etwas<lb/> Menſchliches begegnete, daß im Kampfe der Kunſt gegen die<lb/> Natur und Sinnlichkeit die Kunſt unterlegen und der Natur<lb/> weh gethan worden waͤre, ſollte der Eßkuͤnſtler zu viel gegeſſen<lb/> und ſich den Magen verdorben haben, ſo iſt das Beſte und<lb/> <fw place="bottom" type="sig">9*</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [131/0145]
Gewiß iſt, daß das zu wenig, zu haſtig, das ohne Hei-
terkeit Eſſen, das nicht gut Ausgewaͤhlte und Verbundene, wenn
nicht oͤfter, doch eben ſo oft als krankmachend in Betracht
kommt. Nie iſt auch zu vergeſſen, daß nicht das, was man ißt
oder lieſt, ſondern was man verdaut und verſteht, naͤhrt und
gedeihlich iſt; das Unverdaute aber ſchadet, und das Schwaͤch-
liche und zu Leichte nicht minder. Papſt Julius III. ſtellte
ſich aus politiſchen Urſachen krank und ließ ſich, um dieſen
Vorwand glaublicher zu machen, lauter leichte Speiſen bringen,
woran er im Ernſt krank wurde und ſtarb.
Als eine der gemeinſten und haͤufigſten Urſachen der ver-
ſchiedenſten Krankheiten werden Unreinigkeiten der erſten Wege,
wie die Aerzte ſagen, anerkannt. Dergleichen kommt aber eben
davon her, wenn die Leute ſchlechtes Zeug eſſen, oder nicht
ſchoͤn eſſen, d. h. freſſen, oder in ungeeigneter Verbindung und
ohne Bewußtſein eſſen.
Uebermaaß im Eſſen ſchadet aber ganz beſonders dann,
wenn man ſehr viel auf einmal ißt. Es iſt aber erſtaunlich,
wie viel der Menſch vermag, wenn man ihm Zeit laͤßt. Abge-
ſehen von dem langſamen Kauen, als Ur- und Grundbedingung
vernuͤnftigen Eſſens, verdienen die noͤthigen Pauſen zwiſchen
den einzelnen Schuͤſſeln die hoͤchſte Ruͤckſicht. Solche Zwiſchen-
akte waͤren dann, wie ſchon bemerkt, ſehr fuͤglich durch geeignete
Tafelmuſik auszufuͤllen, und zwar ſollten dieſe Pauſen, je ſpaͤter
im Verlaufe des Eſſens ſie vorkommen, um ſo laͤnger ſein, ſo
daß alſo die erſte vom Voreſſen bis zum Braten die kuͤrzeſte
und ſo zunehmend die letzte zum Deſſert die laͤngſte waͤre.
Sollte es aber geſchehen, daß ſelbſt einem Eßkuͤnſtler etwas
Menſchliches begegnete, daß im Kampfe der Kunſt gegen die
Natur und Sinnlichkeit die Kunſt unterlegen und der Natur
weh gethan worden waͤre, ſollte der Eßkuͤnſtler zu viel gegeſſen
und ſich den Magen verdorben haben, ſo iſt das Beſte und
9*
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |